Seit Mitte der 80er Jahre gibt es in allen städtischen Wohnungsunternehmen Mieterbeiräte. Obwohl ihre Kompetenzen äußerst mager sind, können sie beachtliche Erfolge vorweisen – von der Senkung der Betriebskosten bis hin zu besseren nachbarschaftlichen Beziehungen. Doch auch der engagierteste Mieterbeirat kann nichts bewirken, wenn die Kooperationsbereitschaft auf der Vermieterseite fehlt.
„Mieterbeiräte sind für uns ein Instrument der Mitbestimmung, sie stärken zudem die Nachbarschaft und halten uns davon ab, Fehler zu machen“, sagt der Sprecher der Gesobau, Matthias Gaenzer. Ähnlich sieht es die Howoge: „Mieterbeiräte sind für uns eine kritische Begleitung, wir lernen durch sie die Interessen unserer Mieter kennen und wissen, worauf wir achten müssen“, sagt die Sprecherin Angela Reute.
Doch solche Bekenntnisse sagen wenig darüber aus, wie die Zusammenarbeit in den Wohngebieten funktioniert. So hat der Mieterbeirat Frankfurter Allee Süd seit geraumer Zeit den Eindruck, dass er von der Howoge als Partner nicht ernst genommen wird. Seit zwölf Jahren kümmert man sich um Mängel im Wohnumfeld, macht Vorschläge zur Verkehrsberuhigung und greift die Probleme der Mieter auf. „Früher konnten wir unsere Anliegen im persönlichen Gespräch vorbringen, jetzt heißt es immer, wir sollen das schriftlich einreichen“, kritisiert die Vorsitzende Ria Hieke. Auch mit der Informationsweitergabe hapert es. Eigentlich gibt es wie bei allen städtischen Wohnungsunternehmen eine Vereinbarung, wonach der Mieterbeirat über wichtige Vorhaben im Vorfeld zu informieren ist. Die Stimmung erreichte schließlich einen Tiefpunkt, als die Howoge dem Mieterbeirat die Räume kündigte, weil sie vermietet werden sollten.
„Eine funktionierende Zusammenarbeit stelle ich mir anders vor“, so Hieke. Die Unternehmenssprecherin weist die Vorwürfe zurück und spricht von einem Einzelfall. „Wir haben mit allen anderen Mieterbeiräten eine sehr konstruktive Zusammenarbeit“, betont Angela Reute.
Negativbeispiel GSW
Von Ignoranz und Desinteresse berichten auch die Mieterbeiräte in den privatisierten Siedlungen. Beispiel: das Dahlem-Palais in Zehlendorf. Bevor die GSW an den Investment-Fonds „Cerberus“ verkauft wurde, hat sich die GSW ein- bis zweimal jährlich mit dem Mieterbeirat zusammengesetzt und über wichtige Vorhaben informiert. Das gehört nun der Vergangenheit an. Seit Januar 2006 kann man auch keine Mietersprechstunde mehr anbieten, weil der ursprünglich genutzte Raum verkauft worden ist. „Man hat uns dann einen feuchten Keller angeboten, und schließlich einen Platz im Verkaufsbüro der GSW“, berichtet Eisberner. Beides wurde als unzumutbar abgelehnt.
Mietersprechstunden gehören zu den wichtigsten Aufgaben von Mieterbeiräten. Es findet zwar keine Rechtsberatung statt – sie ist Anwälten vorbehalten -, aber die Mieter erfahren beispielsweise, ob es sich lohnt, den Mieterverein oder einen Anwalt einzuschalten. Auch um Beschwerden kümmert man sich, sei es um eine schlampig durchgeführte Hausreinigung oder um Falschparker im Wohngebiet.
Alle Beiräte haben die Erfahrung gemacht, dass man hier einen ganz anderen Einfluss hat als der einzelne Mieter. „Wenn wir uns einschalten, werden Wohnungsmängel plötzlich ganz schnell behoben“, sagen Martin Hoffmann und Christian Reuß vom Mieterbeirat der „WIR“ am Klausenerplatz. Beide sehen ihre Aufgabe darin, der WIR „auf die Finger zu schauen“ und dafür zu sorgen, dass die Mieter mit ihren Problemen nicht allein dastehen. Eine vermittelnde Funktion, wie von der WIR gewünscht, lehnen sie ab: „Ich sehe mich ganz klar als Interessenvertreter der Mieter“, so Hoffmann. Konflikte bleiben da nicht aus, etwa als der Mieterbeirat die Asbestbelastung in den Wohnungen öffentlich machte – sehr zum Ärger der WIR. Insgesamt sei die Zusammenarbeit aber gut und man habe einen recht großen Spielraum. Eine Kontaktperson der WIR kommt einmal im Monat vorbei, um sich die Anliegen anzuhören und dann gebündelt an die WIR weiterzutragen. Die WIR hat dem Mieterbeirat auch vergleichsweise großzügige Räume zur Verfügung gestellt – eine wichtige Voraussetzung, um vernünftig arbeiten zu können. „Ein Mieterbeirat nutzt beiden Seiten, wir machen hier praktische Sozialarbeit und kümmern uns um den Zusammenhalt im Kiez.“
Birgit Leiß
MieterMagazin 12/06
Die Kooperationsbereitschaft der Vermieter mit den Mieterbeiräten schwindet
Foto: Christian Muhrbeck
Was sind Mieterbeiräte?
Mieterbeiräte werden von den Bewohnern eines Wohngebiets gewählt und vertreten deren Interessen gegenüber dem Vermieter. Es gibt sie fast ausschließlich in Großsiedlungen und verdichteten Neubaugebieten, einer der wenigen Ausnahmen ist der Mieterbeirat am Klausenerplatz. Die Mitarbeit ist ehrenamtlich, in der Regel zahlt die Wohnungsbaugesellschaft lediglich einen Unkostenbeitrag für Büromaterial. Ein echtes Mitspracherecht existiert nicht, lediglich ein Informations- und Vorschlagsrecht. Die städtischen Wohnungsbaugesellschaften in Berlin sind aber nach einem Senatsbeschluss aus dem Jahre 1983 gehalten, Mieterbeiräte zu unterstützen.
bl
28.07.2013