Der Verkauf großer Wohnungsunternehmen geht in Deutschland unvermindert weiter. Im Fokus kapitalstarker Fondsgesellschaften stehen dabei nicht nur kommunale Wohnungsunternehmen, landeseigene Entwicklungsgesellschaften oder Bundeswohnungen. Auch die Bestände von Thyssen-Krupp, Viterra, der WCM und sogar die der gewerkschaftseigenen Holding BGAG waren oder sind im Handel. Bei soviel Gewinnerwartung seitens der Investoren steht zu befürchten, dass die Mieter verstärkt zur Kasse gebeten werden.
Wenn heute Besitzer von Eigentumswohnungen, Einfamilienhäusern oder kleineren Miethäusern ihre Immobilien veräußern wollen, sorgt ein „schwächelnder“ Markt mit sinkenden Grundstückspreisen und unsicherer Zukunft meist für geringe Erlöse. Nicht selten wird der Verkauf verschoben in der Hoffnung auf bessere Zeiten. Ganz anders im Geschäft en gros: Bei den bundesweit fünf größten Verkäufen im Jahre 2004 wechselten 250.000 Wohnungen den Eigentümer. Bei den Bewerbern immer dabei: US-amerikanische Fondsgesellschaften und Banken. Sie halten den hiesigen Immobilenmarkt für tendenziell unterbewertet und versprechen sich zweistellige Renditen – und zwar eher 20 Prozent als 10.
Ende vergangenen Jahres waren auch die Wohnungen der WCM AG wieder auf dem Markt. War doch das Unternehmen als erstes Anfang der 90er Jahre angetreten, sich im großen Stil neben seinen sonstigen wirtschaftlichen Betätigungen ein Standbein im Wohnungsmarkt aufzubauen. In die Schlagzeilen geriet die WCM AG im Zusammenhang mit dem Erwerb von Eisenbahnerwohnungen.
Dennoch war die WCM im Wohnungsroulette erfolgreich. Ende der 90er Jahre war sie zu einem der größten privaten Wohnungsbesitzer aufgestiegen. Sie erwarb von der sozialdemokratisch regierten Landeshauptstadt Kiel die dortige städtische Gesellschaft (KWG) mit rund 11.000 Wohnungen. Über die Verschmelzung mit der „RSE Grundbesitz- und Beteiligungs AG“ kam die WCM in den Besitz von 75 Prozent der Anteile der ehemals städtischen GEHAG (29.000 Wohnungen). Doch bereits im Jahre 2002 begann der Tanker WCM zu schlingern. Die Aktienkurse wanderten in den Keller, Finanztransaktionen führten zu Liquiditätsproblemen. Die GEHAG-Anteile gingen an den Miteigentümer, die HSH Landesbank, die ihrerseits nun die GEHAG weiterveräußert hat. Das Rennen gewann der US-Investmentfonds Oak Tree, der von Los Angeles aus binnen kurzer Zeit 1,5 Milliarden Dollar in Immobilien investiert haben soll und nun 85 Prozent der GEHAG-Anteile von einer HSH-Tochter ergattern konnte.
Von einer Spekulantenhand in die andere
Für die WCM AG begann mit dem Verkauf der GEHAG der Ausstieg aus dem Immobilienmarkt. Sie verkaufte im Dezember 2004 ihren verbliebenen Wohnungsbestand für 1,4 Milliarden Euro an den US-Finanzinvestor Blackstone. Zu den weiteren „Deals“ 2004 zählen bekanntlich der Verkauf der städtischen GSW (rund 65.000 Wohnungen) in Berlin an die US-Investmentgesellschaft Cerberus und die Fondsgesellschaft Whitehall sowie der BfA-eigenen GAGFAH (81.000 Wohnungen) an die Fondsgesellschaft Fortress.
Auch der Thyssen-Krupp-Konzern will sich offensichtlich auf andere Wirtschaftsbereiche konzentrieren und hat seine Immobiliensparte abgegeben. Für 2,1 Milliarden Euro erwarb ein Konsortium aus der US-Bank Morgan Stanley und der Corpus-Immobiliengruppe die rund 48.000 Wohnungen an Rhein und Ruhr. Die Corpus-Immobiliengruppe hatte schon Ende der 90er Jahre 9000 Wohnungen der Deutschen Post AG in Nordrhein-Westfalen gekauft. Unter den Mietern bei Thyssen-Krupp sorgt der Verkauf für erhebliche Verunsicherung.
Schließlich: Auch beim größten deutschen Immobilienunternehmen, der Viterra AG, dreht sich das Wohnungskarussell. Einerseits erhöhte die Viterra AG, eine Tochter des Energieriesen „E.ON“, ihren Anteil an der Deutschbau von 50 auf 99 Prozent. Die Deutschbau war 1997 von der Deutschen Post und der Bundesregierung für 2,1 Milliarden DM an eine Tochter der Deutschen Bank, die „Deutsche Grundbesitz Management GmbH“, und die Viterra AG verkauft worden. Jetzt steht die Viterra selbst zum Verkauf. Laut Energiekonzern E.ON stehen vier Bieter für den Verkauf der Immobilientochter Viterra in engerer Auswahl. Einige Mietervereine aus dem Ruhrgebiet, wo der Wohnungsriese vorwiegend tätig ist, mobilisieren nun für mehr Mieterschutz.
Überprüft werden die Privatisierungsstrategien auch in der Politik: Innenstaatssekretär Ulrich Lorenz aus der Landesregierung von Schleswig-Holstein appellierte an die Kieler Stadtregierung, gegen die Globalisierung ihres Wohnungsmarktes Schritte einzuleiten, denn die Renditeerwartungen der Fonds und Kapitalgesellschaften passten nicht zu den Notwendigkeiten kommunaler Wohnungspolitik. Ob die Renditeerwartungen sich angesichts der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen für die „global player“ überhaupt realisieren lassen, ist unklar. Mit welchen Strategien und zu wessen Lasten diese Investmentfonds arbeiten, damit wird sich das MieterMagazin sicher noch befassen müssen.
Reiner Wild
MieterMagazin 5/05
Einer der „big deals“ 2004: Die BfG-eigene GAGFAH ging an die US-Fondsgesellschaft Fortress
Foto: Christian Muhrbeck
03.08.2013