Ob lärmende Jugendliche im Treppenhaus oder kreischende Bohrmaschinen am späten Abend – die Lärmpolizisten der Firma „Flash Security“ sorgen im Auftrag der Wohnungsbaugesellschaft Marzahn (WBG) für Ruhe im Plattenbau. Dieser Service ist in Berlin bisher einzigartig. Etwa 30 Mal pro Woche wird die Lärmpolizei von Mietern alarmiert. Täglich patrouillieren zwei Security-Mitarbeiter von 18 bis 3 Uhr durch Marzahn.
21 Uhr 15. Der erste Auftrag an diesem Abend führt die Lärmpolizisten Frank S. und Norman Sch. zu einem 21-geschossigen Plattenbau mit 130 Mietparteien. Als sich die Aufzugtür zur Etage öffnet, hallt lautstark Musik durch den Hausflur. Bei einer Mieterin hatten nach einer Stunde Dauerbeschallung die Nerven blank gelegen. Sie wählte die Nummer der eingerichteten Hotline. Knapp 15 Minuten später klingelten die Lärmpolizisten beim Krawallmacher. Die Anruferin bleibt anonym, um eine Konfrontation mit dem Angezeigten zu vermeiden und um Racheakte nachtragender Mieter auszuschließen.
Seit Oktober hängt in den Häusern der zur DEGEWO-Gruppe gehörenden WBG die Telefonnummer der Sicherheitsfirma Security Flash aus. Die Wohnungsbaugesellschaft will die Lärmpolizei als Service verstanden wissen und damit die Wohnqualität in den schwer vermittelbaren Objekten steigern. „Es geht nicht um eine Art neuen Überwachungsdienst“, sagt Frank Bielka, Vorstand der DEGEWO-Gruppe. „Die Gebäude, die wir in Marzahn verwalten, sind besonders hellhörig. In der Vergangenheit gab es immer wieder Beschwerden über rücksichtslose Nachbarn“, erklärt er. Einige Stammmieter sind wegen solcher Probleme ausgezogen. Bei knapp 10 Prozent Leerstand in den 22.000 Wohnungen der WBG schmerzt allerdings der Verlust eines jeden Mieters.
Auf Deeskalation geschult
Nachdem der lärmende Nachbar nach wiederholtem Klingeln endlich die Tür geöffnet hat und von den Security-Mitarbeitern auf die Ruhestörung hingewiesen wurde, hatte der Krach schnell ein Ende. Schließlich sind die Lärmpolizisten allesamt respekteinflößend, durchtrainiert, mindestens 1,80 Meter groß und psychologisch geschult. Im Gespräch sollen sie „deeskalierend“ wirken. „Meistens können wir die Ruhestörung beenden, wenn wir darauf aufmerksam machen, dass sich Nachbarn gestört fühlen“, stellt Security-Mitarbeiter Frank S. fest.
Bislang hätten Mieter über Wochen umständlich Lärmprotokolle führen müssen, bis das Wohnungsunternehmen den Beschwerden nachgegangen wäre. Mit den Informationen der Lärmpolizei ist eine Reaktion ohne Verzug möglich. „Wir haben nun ein Verfahren, das bürokratische Auswüchse und die große Keule der Staatsmacht vermeidet und eher darauf aus ist, durch unmittelbare Präsenz Ruhe und Frieden zu stiften“, meint Bielka. Wenn wiederholte Abmahnungen der WBG keine Wirkung zeigen, wird die Wohnung nach drei Verstößen gekündigt. Bisher wurden drei Mietverhältnisse auf diese Art beendet.
Die Kosten für die Lärmstreifen werden nicht auf die Miete umgelegt. „Es sind keine Nebenkosten, die dem Mieter gegenüber geltend gemacht werden können. Sie müssen vom Gesamtunternehmen erwirtschaftet und getragen werden“, sagt Bielka. Die meisten Mieter sind zufrieden mit dem Service. Kritik gab es bisher allenfalls von den Ruhestörern selbst.
Nicole Lindner
MieterMagazin 5/05
„Meistens können wir die Ruhestörung beenden“: Security-Mitarbeiter Frank und Norman
Foto: Nicole Lindner
Zum Thema
„Freundlich-bestimmt“
Bei circa 10 Prozent der Ruhestörungen alarmieren die Sicherheitskräfte die Polizei, etwa wenn Mieter die Tür nicht öffnen oder sich nicht beruhigen lassen. Das Hausrecht der Lärmpolizisten endet vor der Wohnungstür. Als „Besitzdiener“ können sie jedoch Platzverweise erteilen. Das Tragen von Waffen ist ihnen selbstverständlich nicht erlaubt. In regelmäßigen Situationsschulungen werden die Lärmpolizisten trainiert, Gespräche „freundlich-bestimmt“ zu führen. Die psychologische Schulung soll vor allem darauf vorbereiten, mit alkoholisierten Ruhestörern und lärmenden Jugendlichen umzugehen, die 90 Prozent der Fälle ausmachen.
nl
03.08.2013