Laubenpieper in Pankow bangen um ihre Gärten. Das Bezirksamt hat die Verträge gekündigt, weil ihre Kolonien nicht den Bestimmungen des Bundeskleingartengesetzes entsprechen.
Betroffen sind in Pankow acht Anlagen. Seit DDR-Zeiten gab es hier ein Nebeneinander von Dauerbewohnern mit komfortablen Datschen und den klassischen Kleingärtnern. Nach der Einheit wurde ein Bestandsschutz für die Bungalows beschlossen, die eigentlich von Größe und Ausstattung her nicht dem Bundeskleingartengesetz entsprachen. Weil man aber kein Eigenheim zum Schnäppchenpreis ermöglichen wollte, verlangte das Bezirksamt von den Dauerbewohnern ein so genanntes Wohnlaubenentgelt. Die lehnten das ab – und so kam es zu dem folgenschweren Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) aus dem Jahre 2003 (III ZR 203/02). Sind mehr als 50 Prozent der Parzellen mit solchen eigenheimähnlichen Baulichkeiten versehen, so befanden die Richter, könne die Gesamtanlage nicht als Kleingartenanlage betrachtet werden. Ein BGH-Urteil vom März 2004, das sich auf die Kolonie „Einigkeit“ bezieht, verneint den Status als Kleingartenanlage sogar dann, wenn der Anteil geringer ist (III ZR 180/03). Daraufhin kündigte das Bezirksamt dem Kleingartenverband als Zwischenpächter.
„Wie kann es sein, dass bestehende Verträge rückwirkend einfach für null und nichtig erklärt werden“, empört sich Andreas Karpen, der eine Parzelle in der Anlage „Einigkeit“ hat. Das Bezirksamt hat den 700 Pächtern zwar Verträge zu einem höheren Pachtzins angeboten, doch die Schutzregelungen, die das Gesetz vorsieht, wie der Anspruch auf Entschädigung bei Aufgabe der Parzelle, würden dann wegfallen. „Wir müssten die Baulichkeiten auf eigene Kosten abreißen, für viele würde das den Ruin bedeuten“, sagt Andreas Karpen.
„Das Urteil hat uns zum Handeln gezwungen“, sagt der zuständige Bezirksstadtrat Matthias Köhne (SPD). Die Verträge mit den Pächtern seien unter falschen Voraussetzungen geschlossen worden und daher nicht gültig. An eine Bebauung sei nicht gedacht: „Die Anlage bleibt erhalten“, so Köhne. Über die weitere Vorgehensweise ist man sich im Bezirk noch nicht einig. Die Bezirksverordnetenversammlung hat beschlossen, die Kolonien zurückzubauen.
Köhne ist skeptisch: „Manche scheinen der Ansicht zu sein, dass man die Kriterien des Kleingartengesetzes beliebig definieren kann.“ Dazu kommt: Bei den Laubenpiepern gibt es völlig unterschiedliche Interessen – die Einigkeit existiert nur im Namen.
Birgit Leiß
MieterMagazin 10/05
Eigenheime auf Laubengrundstücken: Vater Staat macht Front
Foto: Christian Muhrbeck
12.06.2015