Leitsatz:
Widersprechen sich mietvertragliche Regelungen zur vereinbarten Mietzinsstruktur, weil einerseits eine Nettokaltmiete, andererseits eine Bruttokaltmiete vereinbart wird, stellt dies eine Unklarheit im Sinne des § 5 AGBG dar, mit der Folge, dass die für den Mieter günstigere der möglichen Auslegungen maßgeblich ist. Für den Mieter ist die Vereinbarung einer Bruttokaltmiete günstiger.
LG Berlin, Urteil vom 19.9.00 – 64 S 137/00 –
Mitgeteilt von RA Alexander Ziemann
Urteilstext
Aus den Entscheidungsgründen:
… Die Berufung ist auch begründet.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von ausstehenden Nebenkostenvorschüssen sowie auf Nachzahlungen aus den Betriebskostenabrechnungen für die Jahre 1995, 1996 und 1997.
Denn bei der zwischen den Parteien im Mietvertrag vom 15.4.1994 vereinbarten Miete handelt es sich nicht um eine Nettokaltmiete, sondern um eine Bruttokaltmiete.
Die Klägerin kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass in Ziffer 1.3 der Mietberechnung (A) (Anlage 1 zum Mietvertrag) sowie in Nr. 2 der Allgemeinen Vertragsbestimmungen (Anlage 2 zum Mietvertrag) ausdrücklich von Betriebskostenvorauszahlungen die Rede ist. Denn der Mietvertrag ist hinsichtlich der Struktur des vereinbarten Mietzinses widersprüchlich und somit unklar im Sinne des § 5 AGBG.
Eine Vertragsklausel ist dann unklar im Sinne des § 5 AGBG, wenn nach Ausschöpfung der in Betracht kommenden Auslegungsmethoden nicht behebbare Zweifel bestehen bleiben oder zumindest zwei Auslegungen rechtlich vertretbar erscheinen (BGH NJW 1984, 1818, NJW 1992, 1098).
Vorliegend deuten die o.g. Regelungen in den Anlagen zum Mietvertag auf die Vereinbarung einer Nettokaltmiete mit gesonderten Vorschüssen für Betriebskosten, Heizung und Warmwasser hin. Dies steht jedoch im Widerspruch zur Regelung in § 3 Abs. 1 des Mietvertrages. Dort ist zunächst nur von der Möglichkeit einer Mieterhöhung gemäß § 4 Abs. 2 MHG die Rede. § 4 Abs. 2 MHG betrifft aber gerade den Fall einer Bruttokaltmiete. Zwar bleibt im folgenden Abschnitt des § 3 Abs. 1 des Mietvertrages die Möglichkeit einer Umstellung der Miete auf eine Nettokaltmiete, jedoch nur unter der Voraussetzung, dass dies durch schriftliche Erklärung spätestens 15 Tage vor Beginn des Abrechnungszeitraums erfolgt. Dass hier eine solche Umstellung erfolgt wäre, ist nicht vorgetragen, so dass nach § 3 Abs. 1 des Mietvertrages von einer Bruttokaltmiete auszugehen ist. Dies wird zudem dadurch bestätigt, dass in der Mietberechnung (A) unter Ziffer 1.2 ausdrücklich die Bezeichnung „Bruttokaltmiete“ gebraucht wird.
Auch der Umstand, dass in derselben Mietberechnung unter Ziffer 1.3 konkrete Nebenkosten betragsmäßig angegeben sind, spricht nicht zwingend gegen eine Bruttokaltmiete, da es sich auch um eine Bruttomiete mit ausgewiesenen Nebenkostenpauschalen handeln kann.
Dieser Widerspruch zwischen § 3 Abs. 1 des Mietvertrages sowie Ziff. 1.2 der Mietberechnung (A) einerseits und Ziffer 1.3 der Mietberechnung (A) sowie Nr. 2 der Allgemeinen Vertragsbestimmungen stellt eine Unklarheit im Sinne des § 5 AGBG dar, mit der Folge, dass die für die Beklagte günstigste der möglichen Auslegungen maßgebend ist. Für die Beklagte stellt die Vereinbarung einer Bruttokaltmiete die günstigere Alternative dar, da in diesen Fällen nur eine Erhöhung der Miete wegen gestiegener Betriebskosten für die Zukunft gemäß § 4 Abs. 2 MHG möglich ist, nicht jedoch die nachträgliche Umlage der Betriebskosten gemäß § 4 Abs. 1 MHG.
Die Klägerin kann somit von der Beklagten die Zahlung von ausstehenden Nebenkostenvorschüssen schon deshalb nicht verlangen, weil diese auf Grund der vereinbarten Bruttokaltmiete nicht geschuldet waren. Eine Mieterhöhung gemäß § 4 Abs. 2 MHG hat die Klägerin nicht dargelegt.
Aus denselben Gründen kann die Klägerin auch keine Nachzahlungsbeträge aus den Nebenkostenabrechnungen für 1995, 1996 und 1997 verlangen. Es kann daher auch dahinstehen, ob die Betriebskostenabrechnung für 1997 im Hinblick darauf, dass darin nicht die tatsächlich gezahlten, sondern die nach Auffassung der Klägerin geschuldeten Nebenkostenvorschüsse eingestellt waren, den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Abrechnung im Sinne des § 259 BGB entspricht, überhaupt wirksam wäre. …
16.03.2013