Leitsatz:
Die in einem „DDR-Mietvertrag“ aus dem Jahre 1973 enthaltene Klausel „Eine Erklärung der Verwaltung ist rechtswirksam, wenn sie gegenüber einem Vertragspartner abgegeben wird.“, stellt keine wirksame Empfangsvollmacht für die Entgegennahme von Mieterhöhungen nach §2 MHG dar.
AG Lichtenberg, Urteil vom 3.4.01 – 8 C 482/00 –
Mitgeteilt von RA Dr. Thomas Köhler-Barthel
Urteilstext
Aus dem Tatbestand:
Die Beklagten sind seit 1973 Mieter einer Wohnung in Berlin-Lichtenberg. Im Mietvertrag heißt es unter Ziffer 9c): Eine Erklärung der Verwaltung ist rechtswirksam, wenn sie gegenüber einem Vertragspartner abgegeben wird.
Die Klägerin ist als neue Eigentümerin des Grundstücks 1995 als Vermieterin in das Mietverhältnis eingetreten. Mit Schreiben vom 6.7.2000 an den Beklagten zu 1) begehrte die Klägerin, vertreten durch ihre Hausverwaltung, die Zustimmung zur Mieterhöhung von 637,71 DM um 49,24 DM auf 686,95 DM mit Wirkung zum 1.10.2000. Die Beklagten stimmten diesem Verlangen nicht zu. Frühere Schreiben der Hausverwaltung betreffend das Mietverhältnis waren jeweils an beide Beklagten gerichtet.
Die Klägerin wiederholte das Mieterhöhungsverlangen mit Schreiben vom 6.10.2000 gegenüber beiden Beklagten und begehrte die Zustimmung mit Wirkung zum 1.1.2001. Diesem Erhöhungsverlangen stimmten die Beklagten Ende Dezember 2000 zu.
Die Klägerin meint, bereits das erste Mieterhöhungsverlangen sei wegen der Regelung des Mietvertrages zu Ziffer 9c wirksam gewesen.
Die Parteien haben den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt, soweit die Klägerin eine Zustimmung über den 1.1.2001 hinaus begehrt hat.
Die Klägerin beantragt, die Beklagten zu verurteilen, der Erhöhung der Nettokaltmiete für die Wohnung T.-Allee 1. OG rechts in Berlin von bisher monatlich 637,71 DM um monatlich 49,24 DM auf monatlich 686,95 DM mit Wirkung ab dem 1.10.2000 zuzustimmen.
Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Klage ist unbegründet.
Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagten auf Zustimmung zu der begehrten Mieterhöhung gemäß § 2 MHG, da das Mieterhöhungsverlangen vom 6.7.2000 unwirksam ist.
Grundsätzlich muss ein Mieterhöhungsverlangen gegenüber allen Mietern als Mietvertragsparteien abgegeben werden, damit es wirksam ist und der Vermieter gegebenenfalls einen gerichtlich durchsetzbaren Anspruch auf Zustimmung zu dem Erhöhungsverlangen hat. Die Klägerin kann sich nicht auf eine vertraglich vereinbarte Ausnahme von diesem Grundsatz berufen, da die vertragliche Regelung zu Ziffer 9c nicht in diesem Sinne ausgelegt werden kann.
Allerdings ist anerkannt, dass die Mieter sich gegenseitig zur Empfangnahme von Erklärungen des Vermieters bevollmächtigen können. Eine solche Vollmacht kann auch für die Entgegennahme von vertragsändernden Erklärungen wie einer Kündigung oder einer Mieterhöhungserklärung wirksam vereinbart werden (vgl. BGH, Beschl. v. 10.9.1997. NJW 1997, 3437 ff.). Die Parteien haben indessen in Ziffer 9 des Mietvertrages keine derartige Empfangsvollmacht vereinbart.
Der Wortlaut der Klausel zu Ziffer 9c kann aber im allgemeinen dahingehend zu verstehen sein, dass damit die Erstreckung der Wirkung eines Rechtsgeschäfts auf daran nicht beteiligte Dritte vereinbart werden sollte (vgl. KG, Rechtsentscheid v. 25.10.1984, WM 1985, 12, 13). Dies soll jedenfalls für Mieterhöhungserklärungen eine zulässige Abweichung von dem Grundsatz des § 425 BGB sein, wonach bestimmte Tatsachen nur gegenüber dem Gesamtschuldner wirken, in dessen Person sie eintreten (vgl. KG, a.a.O., WM 1985, 12, 14).
Die zwischen den Parteien geltende Klausel zu Ziffer 9c des Mietvertrages ist jedoch nicht im Sinne der vorgenannten Entscheidungen als zulässige Empfangsvollmacht oder Erstreckungsklausel zu verstehen, da die Klausel nur angemessen unter Berücksichtigung des damals geltenden Rechts der DDR ausgelegt werden kann. Vor diesem Hintergrund kann der Klausel keine Erstreckungswirkung beigemessen werden. Im Jahr 1973 gab es in der DDR unter der Geltung des BGB keinen gesetzlich normierten Anspruch auf Zustimmung zu einer Vertragsänderung. Das 1974 in der Bundesrepublik in Kraft getretene Gesetz zur Regelung der Miethöhe (MHG) galt in der DDR nicht. Mit dem Inkrafttreten des Zivilgesetzbuches der DDR dürfte gemäß § 103 ZGB-DDR der im Mietvertrag zu vereinbarende Mietpreis den zulässigen Mietpreis auf Grund staatlicher Festlegung nicht übersteigen. Sofern es einer Änderung der Mietpreisvereinbarung bedurfte, musste das zuständige Preisorgan auf Antrag einer Mietvertragspartei einen neuen zulässigen Mietpreis unter Berücksichtigung des örtlichen Preisniveaus oder der Gebrauchswerterhöhung bestimmen.
Die im Jahre 1973 getroffene vertragliche Regelung zu Ziffer 9c des Vertrages konnte daher von keiner der damals beteiligten Mietvertragsparteien mit der Vorstellung verbunden werden, dass der Zugang eines Mieterhöhungsverlangens gegenüber einem Mieter auch gegenüber einem anderen Mitmieter wirken sollte. Die Rechtswirklichkeit ergab vielmehr, dass die Regelung nur solche Erklärungen des Vermieters erfasste, die informativen oder organisatorischen Charakter hatten und lediglich die inhaltliche Ausgestaltung des Mietverhältnisses im Alltag betrafen. Hieran muss sich auch die erst später in das Vertragsverhältnis eingetretene Klägerin festhalten lassen.
Schließlich muss sich die Klägerin entgegenhalten lassen, dass sie seit ihrem Eintritt in das Vertragsverhältnis im Jahr 1995 mehrere Mieterhöhungserklärungen ausdrücklich an beide Beklagten gerichtet hat und damit zum Ausdruck gebracht hat, dass sie selbst an der geltenden gesetzlichen Regelung festhält. Von diesem Verhalten kann die Klägerin nicht einfach aus dem Grunde Abstand nehmen, weil sie (vertreten durch die Hausverwaltung) offenbar versehentlich das Mieterhöhungsverlangen vom 6.7.2000 nur an den Beklagten zu 1) adressiert hatte.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91, 91 a ZPO. Soweit die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend teilweise in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, war gemäß § 91 a ZPO nur noch über die Kosten des Rechtsstreits unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden. Auch insofern waren die Kosten der Klägerin aufzuerlegen, da auch eine Zustimmungserklärung ab 1.1. 2001 nicht auf Grund der Mieterhöhungserklärung vom 6.7.2000 geschuldet gewesen wäre und die Klage auch insoweit unbegründet gewesen wäre. …
16.03.2013