Leitsatz:
Zu den Ansprüchen eines Wohnungsmieters gegen den Vermieter wegen Lärmstörungen und Geruchsbelästigungen, die von einer im Hause befindlichen Diskothek ausgehen.
AG Mitte, Urteil vom 28.3.01 – 17 C 482/00 –
Mitgeteilt von RA Christian Remuß
Urteilstext
Aus dem Tatbestand:
Die Kläger begehren von der Beklagten Mängelbeseitigung im Rahmen eines Mietverhältnisses.
Die Kläger sind auf Grund eines Mietvertrages vom 21.3.1978 Mieter einer Wohnung im Hause P.-Straße in Berlin-Mitte. Der Mietvertrag wurde damals auf Seiten des Vermieters von der VEB Kommunale Wohnungsverwaltung Berlin-Mitte abgeschlossen. Nach Durchführung von Modernisierungs- und Instandsetzungsarbeiten schlossen die Kläger mit der Beklagten eine Vereinbarung, die als „Ergänzung zum Mietvertrag vom 21.3.1978 und zur Änderungsvereinbarung“ bezeichnet wird. Die Kläger werden darin als Mieter, die A.- GmbH als Vermieter bezeichnet. Nach der Vereinbarung sollten die Kläger ab dem 1.5.1997 die jetzt von ihnen bewohnte Wohnung beziehen, die Miethöhe sowie die Mietstruktur werden neu vereinbart.
Bei der Durchführung der Modernisierungs- und Instandsetzungsarbeiten wurde die Nutzung des Erdgeschosses des Hauses für gastronomische Zwecke vorbereitet, verbunden mit der Auflage, entsprechende Schallschutzmaßnahmen vorzunehmen. Nach Beendigung der Bauarbeiten eröffnete im Erdgeschoss die Diskothek K., die insbesondere in der Zeit von 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr gut besucht wird, sowie die „T.-bar“. Im 1. OG des Hauses befinden sich Büroräume. Die Musikanlage in der Diskothek wurde von Schallschutzexperten eingepegelt und justiert. Dennoch kommt es durch das Abspielen lauter Musik in der Diskothek während der o.g. Zeiträume in den oberen Stockwerken des Gebäudes zu Lärmbelästigungen, die durch Schalldruck, hörbare Schallwellen und Resonanzschwingungen entstehen. Insbesondere Basstöne im unteren Frequenzbereich sind über den menschlichen Körper als äußerst unangenehme Schwingungen zu vernehmen. In der Diskothek wird wiederholt Live-Musik angeboten, wobei die Bands diese über ihr eigenes Equipment und nicht über die Musikanlage der Betreiberin darbieten. Die Musik ist in den oberen Stockwerken deutlich wahrnehmbar.
Im Gehwegsbereich vor der Diskothek befinden sich für den Verzehr von Getränken Stühle und Tische, die auch nach 22.00 Uhr bis zum frühen Morgen von wartenden oder sonstigen Gästen genutzt werden, wobei es zu einer entsprechenden Geräuschkulisse kommt.
Die Kläger werden durch die Geräuschentwicklung in der Nachtruhe gestört.
Durch die undichten Türen der Diskothek zum Hausflur dringen dorthin Nikotingerüche, die durch Besucher der Diskothek verursacht werden. Diese Gerüche ziehen durch den Kamineffekt im Treppenhaus nach oben und sind auch in der Wohnung der Kläger zeitweise intensiv wahrzunehmen. Gleiches gilt für Essensgerüche, die durch die Speisenzubereitung in der Diskothek entstehen.
Ferner ist ein durch die Diskothekenbetreiber genutzter Fettabscheider im Keller des Hauses bereits mehrfach übergelaufen und hat den dort vorhandenen Boden aus Ziegelpflaster durchtränkt. Im Laufe der Zeit ist ein bestialischer Gestank entstanden, der ebenfalls durch den Kamineffekt bis in das Treppenhaus und in die Wohnung der Kläger dringt.
Die Kläger beantragen,
die Beklagte zu verurteilen,
a) die durch die im Hause P.- Straße in Berlin, gelegene Diskothek „K.“ und deren Besucher verursachten erheblichen Lärmstörungen im Haus und in der Wohnung der Kläger durch geeignete Schallschutzmaßnahmen, insbesondere durch Einjustieren und Verplomben der von der Diskothek benutzten Musikanlage, durch Abdichten der zum Hausflur gehenden Türen und durch den Einbau von Lärmschutzfenstern in der Wohnung der Kläger, gegebenenfalls durch Mietkündigung des Betreibers der Diskothek, zu beseitigen;
b) die durch die im Hause P.- Straße in Berlin, gelegene Diskothek und deren Besucher verursachten Geruchsbelästigungen im Haus und in der Wohnung der Kläger durch geeignete Baumaßnahmen, insbesondere durch das Abdichten der Türen von der Diskothek zum Treppenhaus und das konsequente Betreiben der in der Diskothek installierten Zwangsentlüftung, gegebenenfalls durch Mietkündigung des Betreibers der Diskothek, zu beseitigen;
hilfsweise,
die Beklagte zu verurteilen, Auskunft über den derzeitigen Vermieter des Hauses P.- Straße in Berlin, zu erteilen unter Benennung der vollständigen Firmierung und Anschrift.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie trägt vor, sie sei weder Eigentümer noch Verwalter des Objekts. Sie behauptet, die Schallschutzmaßnahmen würden den baurechtlichen Anforderungen und den akustisch-technischen Anforderungen entsprechen, die gesetzlich vorgegebenen Werte würden erfüllt, jedenfalls nach dem erfolgten Einbau eines Pegelbegrenzers. …
Aus den Entscheidungsgründen:
Die zulässige Klage ist begründet.
Den Klägern steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Mängelbeseitigung in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang gemäß §536 BGB zu.
Zwischen den Parteien besteht ein Mietverhältnis bezüglich der von den Klägern bewohnten Wohnung. Zwar haben diese den Mietvertrag ursprünglich mit der Kommunalen Wohnungsverwaltung abgeschlossen. Auf Grund der „Ergänzung zum Mietvertrag“ ist die inzwischen in Liquidation gefallene Beklagte jedoch zur Vermieterin gegenüber den Klägern geworden. In der Vereinbarung haben sich die Parteien – nachdem die Kläger offenbar in einer Zwischenumsetzwohnung untergebracht waren – nicht nur über den Mietzins und die Mietstruktur geeinigt, durch die Vereinbarung haben sich die Parteien offenbar auch über ein anderes Mietobjekt geeinigt. Während sich das ursprüngliche Mietverhältnis auf eine 4-Zimmer-Wohnung im 2. Geschoss des linken Seitenflügels bezog, ist Gegenstand der Ergänzungsvereinbarung eine 3-Zimmer-Wohnung im 2. Obergeschoss des Vorderhauses. Es handelt sich somit um ein neu begründetes Mietverhältnis, die Vereinbarungen des ursprünglichen Mietvertrages sind nur ergänzend heranzuziehen. In der Ergänzungsvereinbarung ist die Beklagte als Vermieterin bezeichnet. Es ist unerheblich, dass diese weder Eigentümerin noch Verwalterin des Objekts ist oder war. Die Vermieterstellung ist davon unabhängig.
Die von den Klägern angemietete Wohnung ist auch mit Mängeln behaftet. Zwar hat die Beklagte behauptet, dass die bei der Errichtung der Diskothek „K.“ beachteten Schallschutzmaßnahmen den baurechtlichen und den akustisch-technischen Anforderungen genügten und auch ein Pegelbegrenzer in die Musikanlage eingebaut worden sei. Die von den Klägern geschilderten Beeinträchtigungen der von diesen bewohnten Wohnung hat die Beklagte damit jedoch nicht bestritten. Auch wenn die entsprechenden Vorschriften eingehalten worden sein sollten, kann es zu Lärmbeeinträchtigungen der Kläger kommen. Dass diese nicht vorhanden sein sollen, hat die Beklagte nicht behauptet. Es ist somit zu unterstellen, dass durch die laute Musik der Musikanlage und insbesondere auch durch die über das Equipment der live auftretenden Bands eine erhebliche Lärmbelästigung innerhalb der Wohnung durch Schalldruck, hörbare Schallwellen und Schwingungen durch Basstöne in den Nachtstunden auftritt. Dieses stellt eine erhebliche Beeinträchtigung der Nutzung der Wohnung zum vertragsgemäßen Gebrauch dar, die durch die Beklagte als Vermieterin zu beseitigen ist.
Gleiches gilt für die Belästigungen durch Zigarettenqualm, der unstreitig durch die Tür zum Treppenhaus in dieses dringt und durch den Kamineffekt bis in die Wohnung der Kläger gelangt. Auch dieses stellt eine erhebliche Beeinträchtigung der Nutzungsmöglichkeit der Wohnung dar, die von der Beklagten zu beseitigen ist. Schließlich stellt auch die Geruchsbeeinträchtigung durch Essensgerüche und die Gerüche durch die Fehlfunktion oder -bedienung des Fettabscheiders, die ebenfalls unbestritten blieben, eine solche nicht hinzunehmende Beeinträchtigung dar. Die Beklagte hat die Möglichkeit der Nutzung der Wohnung zu dem vertragsgemäßen Gebrauch zu gewährleisten und etwaige Beeinträchtigungen gemäß § 536 BGB zu beseitigen.
Wie die Beklagte die Beeinträchtigungen beseitigt, bleibt ihr überlassen. Die Kläger haben keinen Anspruch auf eine bestimmte Art der Mängelbeseitigung. Soweit die Kläger in den Klageanträgen konkrete Maßnahmen benennen, ist dies lediglich als Anregung zu verstehen, eine Teilabweisung der Klage hat nicht zu erfolgen. Es ist in diesem Zusammenhang auch unerheblich, ob die Beklagte selbst Eigentümerin des Hauses und/oder Vermieterin gegenüber der Betreiberin der Diskothek ist. Ggf. hat die Beklagte auf den Eigentümer des Hauses und/oder den Vermieter der Betreiber der Diskothek einzuwirken, damit diese notwendige bauliche Veränderungen an dem Gebäude zur Mängelbeseitigung herbeiführen beziehungsweise die Betreiber zur Einhaltung des Mietvertrages auffordern. …
Anmerkung der Redaktion:
siehe auch AG Mitte MM 99, 36 und AG Schöneberg MM 99, 79
16.03.2013