Leitsatz:
Zur Frage, wann der Mieter einen Blumenkasten auf das Fensterblech eines hofseitigen Zimmers stellen darf.
AG Schöneberg, Urteil vom 7.12.00 – 13 C 356/00 –
Mitgeteilt von RA Frank Despang
Urteilstext
Aus dem Tatbestand:
Die Beklagten sind Mieter einer Wohnung im Hause der Klägerinnen in der B.-Straße in Berlin. Die Beklagten haben auf dem Fensterblech eines hofseitigen Zimmers ihrer Wohnung einen Blumenkasten abgestellt, dessen Entfernung die Klägerinnen verlangen. Sie behaupten hierzu, ihre Hausverwaltung habe erstmals Ende März/Anfang April 2000 Kenntnis davon erhalten, dass der Blumenkasten auf dem Fensterblech abgestellt worden sei und bestreiten, dass dieser bereits seit 1991 dort stehe. Sie sind der Ansicht, mangels Kenntnis könne demnach von einer stillschweigenden Duldung nicht ausgegangen werden, abgesehen davon, dass der Blumenkasten Schäden verursache dadurch, dass das Fensterblech sich verbiege, Wasserflecken auf der Hauswand entstünden und die Gefahr des Herunterfallens bestehe.
Die Klägerinnen beantragen, die Beklagten zu verurteilen, den von ihnen auf dem Fensterblech des hofseitigen Zimmers der Wohnung im 1. OG rechts, B.-Straße, Berlin abgestellten Blumenkasten zu entfernen.
Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen. Sie behaupten, der Blumenkasten sei seit mindestens 1991 auf dem Fensterbrett abgestellt, sei mittels Kordel, nunmehr mit Kette, gegen Herabstürzen gesichert und weise an der Unterseite keine Entwässerungslöcher auf. …
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Klage ist nicht begründet. Die Klägerinnen haben keinen Anspruch auf Entfernung des Blumenkastens. Grundsätzlich stellt zwar die Nutzung des außerhalb der Wohnung befindlichen Fensterbrettes eine Sondernutzung dar, da das zum Außenbereich gehörende Fensterbrett nicht mitvermietet ist und nicht zur Wohnung gehört, die Sondernutzung ist jedoch seitens der Klägerinnen geduldet worden. Insofern haben die Klägerinnen zwar das Vorbringen der Beklagten dahingehend bestritten, dass bereits seit mindestens 1991 der Blumenkasten auf dem Fensterbrett abgestellt gewesen sei, aber abgesehen davon, dass dieses Bestreiten nicht substantiiert ist im Hinblick darauf, dass nach dem Vorbringen der Beklagten die Klägerin zu 2) in der 2. bzw. 3. Etage im Hause wohnt und jedenfalls bis zum Jahre 1997 genau auf das Fenster der Wohnung der Beklagten mit dem Blumenkasten schauen konnte, haben die Klägerinnen auch im Schriftsatz vom 13.11. 2000 eingeräumt, dass jedenfalls zeitweilig ein Blumenkasten jedenfalls im Sommer auf dem Fensterbrett abgestellt gewesen sei. Dadurch, dass über Jahre gegen das Abstellen des Blumenkastens seitens der Klägerinnen nicht eingeschritten wurde, stellt sich dieses Verhalten aus der Sicht der Beklagten als Duldung der Sondernutzung des Fensterbrettes dar. Diese geduldete Sondernutzung kann zwar widerrufen werden, aber nur, wenn der Widerruf sachlich gerechtfertigt ist. Konkrete Gründe dahingehend, dass nunmehr eine Nutzung des Fensterbrettes nicht mehr gerechtfertigt ist, liegen nicht vor. Eine Gefahr des Herunterfallens ist durch Befestigung des Blumenkastens mittels Kordel bzw. Kette soweit gemindert, dass von einer konkreten Gefahr nicht ausgegangen werden kann. Ein tatsächliches Verbiegen des Fensterbrettes ist seitens der Klägerinnen nicht dargelegt worden, die Beschädigung der Hauswand durch Wasserflecken ist durch Verschließen der Entwässerungslöcher begegnet. …
Anmerkung der Redaktion:
Vgl. auch LG München l v. 17.6.1998 – 14 S 23941/97 -: Der Mieter hat keinen Anspruch auf Anbringung oder Beibehaltung von Blumenkästen auf den äußeren Fensterbänken, wenn die erforderlichen Halterungen mit erheblichen Substanzeingriffen in die Außenfassade verbunden sind (hier: Anbohren der Kupferfensterbleche der Dachgaube, Dübellöcher in der Hauswand). Eine entsprechende Abmahnung des Vermieters ist nicht rechtswidrig – auch wenn der Zustand jahrelang geduldet wurde. Allerdings gibt die nach Abmahnung vom Mieter beibehaltene Art der Blumenkastenanbringung dem Vermieter allenfalls einen Unterlassungsanspruch und berechtigt ohne Hinzutreten besonderer Umstände weder zur fristlosen noch zur ordentlichen Kündigung.
Anmerkung des Urteilseinsenders:
Inhaltlich geht es um die Frage, ob der Vermieter, wenn der Mietvertrag nichts regelt, das Aufstellen von Blumenkästen auf Fensterbrettern dulden muss. In dem vom Amtsgericht Schöneberg und Landgericht Berlin entschiedenen Fall wurden die Mieter auf Beseitigung von Blumenkästen in Anspruch genommen.
Das Amtsgericht geht von der Prämisse aus, dass die Nutzung der Fensterbretter im Außenbereich der Wohnung eine Sondernutzung darstelle, die Fensterbretter seien nicht mitvermietet. Dennoch wird die Klage abgewiesen und zwar mit der Begründung, der Vermieter habe zu lange (9 Jahre) den Blumenkasten geduldet, um jetzt noch Beseitigung verlangen zu können. Grundsätzlich sei zwar auch eine Sondernutzungserlaubnis durch Duldung widerruflich, jedoch nur aus sachlichem Grund. Das Urteil wurde vom Landgericht aus den Gründen der amtsgerichtlichen Entscheidung bestätigt (LG Berlin vom 6.7.01 – 65 S 25/01 -).
Das Urteil bedeutet entgegen dem ersten Anschein, dass der Mieter im Regelfall größte Schwierigkeiten haben dürfte, sich gegen ein solches Beseitigungsverlangen zu wehren. Denn Duldung des Vermieters setzt zunächst Kenntnis voraus, und diese Kenntnis des Vermieters muss der Mieter darlegen und beweisen können. Im vorliegenden Fall kam den Mietern zu Gute, dass eine der Klägerinnen und Mitvermieterinnen lange Zeit im Haus wohnte und ihre Fenster direkt gegenüber denen der Mieter lagen.
Der rechtliche Ansatz der Entscheidung ist durchaus zweifelhaft. Es vermag nicht zu überzeugen, dass die Fensterbretter nicht zu der vermieteten Sache gehören sollen. Die Gebrauchsgewährungspflicht des Vermieters aus § 535 Abs. 1 Satz 1 BGB n.F. korrespondiert mit der Erhaltungsverpflichtung in § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB n.F., der Vermieter soll also genau die Sachen instand halten, die auch mitvermietet sind. Ergebnis der vorstehenden Entscheidung wäre also, dass bei einem herunterfallenden Fensterbrett der Mieter keinen Mangelbeseitigungsanspruch hätte, was wohl so nicht richtig sein kann. Nach BGH NJW 1967, 154 sind auch ohne besondere Abrede bei Raummiete solche Grundstücks- und Gebäudeteile mitvermietet, die dem alleinigen Zugriff des Mieters unterliegen oder zur Mitbenutzung nötig sind, um die Mieträume zu gebrauchen oder zu ihnen zu gelangen. Standardbeispiele sind hier der Hof, das Treppenhaus, eine Durchfahrt. Auf die vor den Fenstern befindlichen Fensterbretter hat allein der Mieter Zugriff. Sie gehören auch als notwendige technische Anlagen zu den Fenstern, da sie den Wasserablauf ermöglichen und so Witterungseinflüsse auf die Fenster vermindern. Nach der Begriffsbestimmung des BGH ist es also durchaus vertretbar, die Fensterbretter als mitvermietet anzusehen.
Für die Grenze zwischen „normalem Mietgebrauch“ und der vom Gericht angenommenen Sondernutzung wird beim Wohnraummietverhältnis auch der Rechtsentscheid des BayObLG in NJW 1981, 1275 beachtlich sein, in dem es u.a. heißt:
„In diesem Rahmen umfasst Wohnen alles, was zur Benutzung der gemieteten Räume als existenziellem Lebensmittelpunkt des Mieters und seiner Familie gehört, also die gesamte Lebensführung des Mieters in allen ihren Ausgestaltungen und mit allen ihren Bedürfnissen. Bei deren Verwirklichung kann sich der Mieter auch solcher Errungenschaften der Technik bedienen, die als wirtschaftliche Hilfsmittel aus dem gesamten Leben nicht mehr wegzudenken sind. Technische Neuerungen können folglich zu einer Ausweitung des vertragsgemäßen Gebrauchs führen, insbesondere dann, wenn sie für weite Schichten der Bevölkerung eine Selbstverständlichkeit geworden sind und zum allgemeinen Lebensstandard gehören.“
Etwas konkreter zieht das LG Hamburg, WM 1974, 145 die Grenzen des normalen Mietgebrauchs, nämlich ob
– ein Eingriff in die Bausubstanz erfolgt,
– eine endgültige Veränderung vorgenommen wird,
– die Einheitlichkeit der Wohnanlage beeinträchtigt wird,
– Mitbewohner gestört werden oder
– nachteilige Folgewirkungen zu befürchten sind.
Unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung sollten die Blumenkästen, die ausreichend gesichert und ohne Beschädigungsgefahr auf den Fensterbrettern abgestellt sind, zum normalen Mietgebrauch gerechnet werden. Gerade im Berliner Raum ist zusätzlich zu beachten, dass eine derartige Nutzung absolut ortsüblich ist. Was zum normalen Mietgebrauch gehört, wird auch durch die Verkehrsauffassung bestimmt, die regionalen Charakter haben kann. Eine derartige Auslegung ist auch interessengerecht, denn die Art und Weise der Nutzung kann der Vermieter durch Mietvertrag und Hausordnung regeln (u.a. auch den Ausschluss von Blumenkästen).
Es ist i.ü. zweifelhaft, ob eine tatsächliche Gestattung oder Duldung einer „echten“ Sondernutzung nur aus sachlichem Grund widerruflich ist, so wie dies die Entscheidung angibt. Eine unentgeltliche Einwilligung zu einer solchen Nutzung, auf die kein Anspruch besteht, ist nämlich grundsätzlich auch frei und ohne Gründe widerruflich. Nach einhelliger Meinung soll dies z.B. für die mietvertraglich nicht geregelte Gartennutzung durch Mieter in Mehrfamilienhäusern gelten, eine solche Gestattung der Mitbenutzung soll frei widerruflich sein (u.a. Kinne/Schach Mietvertrags- und Mietprozessrecht § 535 BGB Randnummer 22).
RA Frank Despang
16.03.2013