Leitsätze:
Ist dem Mieter die Pflicht zur Ausführung laufender Schönheitsreparaturen und darüber hinaus zur Endrenovierung unabhängig vom Zeitpunkt der letzten Dekorationsarbeiten durch – wenn auch äußerlich getrennte – Formularklauseln auferlegt, tritt ein Summierungseffekt ein, der die gesamte Abwälzung der Schönheitsreparaturen nach § 9 ABGB unwirksam macht. Dies gilt trotz der unwirksamen Endrenovierungsklausel.
AG Wedding, Urteil vom 16.10.00 – 21 b C 129/2000 –
Mitgeteilt von RA Jürgen Klähn
Urteilstext
Aus dem Tatbestand:
Die Beklagten waren Mieter einer Wohnung im T.-Weg in Berlin auf Grund eines Mietvertrages vom 1.9.1976. Der Kläger war Vermieter. Die Parteien vereinbarten eine einverständliche Aufhebung des Mietvertrages zum 15.11.1999. Im Mietvertrag, § 4 Nr. 2, vereinbarten die Parteien, dass die Beklagten die Schönheitsreparaturen der Wohnung tragen. In § 13 des Mietvertrags sind die erforderlichen Arbeiten im Einzelnen geregelt. In einer Anlage zum Mietvertrag, von den Beklagten gesondert unterzeichnet, ist zu §19 Folgendes zusätzlich geregelt: “ … Vor Beendigung des Mietvertrags ist der Mieter verpflichtet, die Decken und Oberwände zu streichen und die Wände zu tapezieren. Die Fenster, Türen und Fußböden müssen gestrichen und lackiert werden …“. Unter Bezugnahme auf die mietvertragliche Schönheitsreparaturpflicht vereinbarten die Parteien im Sommer 1999 Art und Umfang der von den Beklagten durchzuführenden Reparaturarbeiten. Ein Teil der Reparaturen sollte von dem Kläger durchgeführt werden, deren Kosten sollten auf die Guthaben der Beklagten aus den Heiz- und Wasserkostenabrechnungen der Jahre 1998 und 1999 angerechnet werden. Das Guthaben aus der Heizungs- und Wasserkostenabrechnung für 1999 beträgt 1158,15 DM. Von den Beklagten wurden Schönheitsreparaturen durchgeführt, deren Umfang und Qualität zwischen den Parteien streitig ist.
Der Kläger behauptet, die Beklagten hätten die Schönheitsreparaturen mangelhaft durchgeführt, so dass noch umfangreiche Nacharbeiten erforderlich seien. Die Beklagten hätten diese Nachbesserungsarbeiten abgelehnt. Ein vom Kläger in Auftrag gegebenes Gutachten habe ergeben, dass sich die Kosten der von den Beklagten noch durchzuführenden Malerarbeiten auf 16443,14 DM beliefen. Die vom Kläger selbst durchgeführten Arbeiten verursachten Kosten in Höhe von 3132,00 DM, Gutachterkosten seien in Höhe von 1818,30 DM angefallen, so dass sich Gesamtkosten in Höhe von 21393,44 DM ergäben.
Unter Anrechnung von Heiz- und Wasserkostenguthaben in Höhe von 2912,66 DM mache er Kosten in Höhe von 18480,78 DM geltend.
Nachdem der Kläger zunächst im Mahnbescheid 19062,06 DM nebst 4% Zinsen ab Rechtshängigkeit verlangt hatte, hat er die Klage in Höhe von 581,28 DM nebst anteiliger Zinsen zurückgenommen.
Der Kläger beantragt,
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 18480,78 DM nebst 4% Zinsen seit dem 19.5.2000 zu zahlen.
Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.
Widerklagend beantragen sie, den Kläger zu verurteilen, an sie 1158,15 DM nebst 4% Zinsen seit dem 13.10.2000 zu zahlen.
Die Beklagten behaupten, die Schönheitsreparaturen ordnungsgemäß durchgeführt zu haben. Weitere Schönheitsreparaturen seien nicht nötig. Ferner sei die Überwälzung der Schönheitsreparaturen auf Grund eines Verstoßes gegen das AGB-Gesetz unwirksam. Sie erheben ferner die Einrede der Verjährung. Mit der Widerklage verlangen sie die Auszahlung des Guthabens aus der Heizungs- und Warmwasserkostenabrechnung des Jahres 1999.
Der Kläger beantragt, die Widerklage abzuweisen.
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Klage ist unbegründet und war daher abzuweisen.
Es kann dahingestellt bleiben, ob ein Anspruch des Klägers auf Ersatz von Schönheitsreparaturen besteht und ob dieser Anspruch möglicherweise verjährt ist.
Maßgeblich ist, dass der Kläger keinen Anspruch auf Ersatz von Schönheitsreparaturen gemäß §§ 326, 535 BGB hat, da die im Mietvertrag vereinbarte Übernahme der Schönheitsreparaturen durch die Beklagten wegen Verstoßes gegen das AGB-Gesetz nichtig ist.
Zwar kann grundsätzlich der Vermieter auch im Rahmen von allgemeinen Geschäftsbedingungen die Pflicht zur Durchführung von Schönheitsreparaturen entgegen § 536 BGB dem Mieter auferlegen. Eine Renovierungsverpflichtung ohne Fristenregelung stellt jedoch einen Verstoß gegen § 9 II Nr.1 des AGB-Gesetzes dar. Grundsätzlich legt jedoch § 536 BGB dem Vermieter die Verpflichtung zur Renovierung und Instandhaltung der Wohnung auf, mit diesem Grundgedanken ist eine vertragliche Übertragung der Renovierungsarbeiten auf den Mieter nur vereinbar, wenn die Renovierungen erst nach Ablauf eines Fristenplanes, der die Fälligkeit der einzelnen Renovierungsarbeiten regelt, von dem Mieter verlangt werden können (Palandt-Putzo, § 536 Rdnr.12). Die formularmäßige Überbürdung einer Schluss- und Endrenovierung unabhängig vom Zeitpunkt der letzten ausgeführten Dekorationsarbeiten und dem Zustand der Wohnung ist – jedenfalls im Rahmen eines Wohnraummietverhältnisses – unwirksam (RE des BGH vom 1.7.1987, WM 1987, 306, 310).
Dies hat der Kläger jedoch hier in der Anlage zum Mietvertrag von den Beklagten verlangt. Denn danach sind die Beklagten vor Beendigung des Mietvertrages verpflichtet, sämtliche Decken und Oberwände zu streichen und die Wände zu tapezieren. Auch Fenster, Türen und Fußböden müssen gestrichen und lackiert werden, und zwar unabhängig von einer abgelaufenen Frist oder vom Zustand der Dekoration.
Diese Anlage zum Mietvertrag stellt allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne des §1 des AGB-Gesetzes dar. Denn es handelt sich bei dieser Anlage um vorformulierte Regelungen. Die einzelnen Bedingungen sind für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert, ein einzelnes Aushandeln zwischen Vermieter und Mieter ist nicht ersichtlich.
Die Unwirksamkeit der Regelung hinsichtlich der Schönheitsreparaturen in der Anlage bewirkt jedoch die Nichtigkeit auch der Regelungen bezüglich der Schönheitsreparaturen in § 4 und § 13 des Mietvertrages. Ist dem Mieter die Pflicht zur Ausführung laufender Schönheitsreparaturen und darüber hinaus zur Endrenovierung unabhängig vom Zeitpunkt der letzten Dekorationsarbeiten durch – wenn auch äußerlich getrennte – Formularklauseln auferlegt, tritt ein Summierungseffekt ein, der die gesamte Abwälzung der Schönheitsreparaturen nach § 9 AGB-Gesetz unwirksam macht. Dies gilt trotz der unwirksamen Endrenovierungsklausel; nach dem Rechtsentscheid des BGH vom 26.10.1994 (WM 1995, 28) ist es wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot nicht zulässig, nur die für sich betrachtet wirksame Klausel fortgelten zu lassen (LG Hamburg in GE 00, 891).
Da hier die Schönheitsreparaturen sowohl in einer wirksamen Klausel mit Fristenregelung als auch in einer nichtigen Klausel in der Anlage zum Mietvertrag geregelt sind, ist die Klausel hier insgesamt nichtig, so dass es bei dem gesetzlichen Leitbild verbleibt, dass der Vermieter für die Renovierung der Wohnung gemäß § 536 BGB zuständig ist. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Durchführung von Schönheitsreparaturen gegen die Beklagten.
Dass sich die Klauseln an verschiedenen Stellen im Vertrag befinden, nämlich in § 4 und § 13 des Mietvertrages einerseits und in der Anlage zum Mietvertrag zu § 19 andererseits, ist unerheblich. Relevant ist allein, dass beide Regelungen denselben Komplex, nämlich die Schönheitsreparaturen, betreffen und deshalb ihr Zusammenwirken auf eine Vereinbarkeit mit § 9 AGB-Gesetz zu überprüfen ist. Das Übermaß der überbürdeten Pflichten ergibt sich aus dem Umstand, dass zu den abgewälzten Instandhaltungspflichten während der Vertragslaufzeit auch noch – mit der Endrenovierungsklausel – die Pflicht zu nachvertraglichem Renovierungsaufwand treten soll. Ohne entsprechenden vermieterseitigen Ausgleich darf formularmäßig weder vor noch nachvertraglicher Erhaltungs- und/oder Instandsetzungsaufwand auf den Mieter übertragen werden, weil hierdurch das Prinzip der Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung missachtet würde (LG Hamburg, a.a.O.).
Die Widerklage ist begründet.
Die Beklagten haben einen Anspruch aus §§812, 535 BGB auf Rückzahlung des Guthabens aus der Heiz- und Warmwasserkostenabrechnung 1999. Die Höhe des Guthabens ist unstreitig, der Kläger hat das Guthaben deshalb an die Beklagten auszuzahlen. Eine Berechtigung zur Verrechnung mit Kosten für die vom Kläger durchgeführten Schönheitsreparaturen besteht nicht, da – wie bereits dargelegt – der Kläger keinen Anspruch auf Ersatz von Kosten für Schönheitsreparaturen wegen der Nichtigkeit der entsprechenden Klausel im Mietvertrag hat. …
Anmerkung der Redaktion:
ebenso: LG Berlin – ZK 65 – WM 98, 554; LG Berlin – ZK 63 – GE 00, 1476; a.A.: LG Berlin – ZK 64 – GE 94, 583 und NZM 00, 862
Die in der Entscheidung zitierten Paragraphen entsprechen der bis zum 31. August 2001 geltenden Rechtslage.
31.12.2016