Selten ist über einen Bericht der Bundesregierung so viel debattiert und so sehr über einzelne Sätze gestritten worden: Der vierte „Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung“, der im März vorgestellt worden ist, polarisiert.
In der Endfassung wird, anstatt auf die Ungleichverteilung der Vermögen explizit hinzuweisen, kommentarlos aufgelistet, dass auf die vermögensstärksten zehn Prozent der Haushalte 53 Prozent des gesamten Nettovermögens entfallen (Zahlen aus dem Jahr 2008). Zehn Jahre früher lag die Quote dem Bericht zufolge bei 45 Prozent. Umgekehrt besaß die Hälfte der Haushalte 2008 nur rund ein Prozent des Nettovermögens. Fünf Jahre früher waren es noch 3 Prozent gewesen.
Ob die Regierung das nun als ungerecht empfindet, darüber schweigt die Endfassung des Berichts. Ursula von der Leyen beschwichtigt: „Wir gehören zu den Staaten, die am meisten die Ungleichheit durch Steuern und Sozialtransfers ausgleichen.“ Auch sonst verweisen Bericht und Ministerin hauptsächlich auf die Sonnenseiten der Wirtschaftsnation Deutschland. Der Rückgang der Arbeitslosigkeit wird hervorgehoben, besonders die Quote der Jugendarbeitslosigkeit, die mit 5,4 Prozent die momentan niedrigste in ganz Europa ist. Und: Der Niedriglohnsektor habe wesentlich zum Beschäftigungsaufbau der vergangenen Jahre beigetragen.
Für Ulrich Schneider, den Chef des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, ist dagegen gerade die Entwicklung des Niedriglohnsektors der Grund für den wachsenden Anteil der Armen: „400-Euro- und Niedriglohn-Jobs sorgen wegen unterbleibender Absicherung in der Rentenkasse für die nächste Generation der von Altersarmut Betroffenen.“ In dem Bericht aus dem Ministerium sieht er eine „peinliche Hofberichterstattung“.
Wiebke Schönherr
MieterMagazin 4/13
Die Schattenseiten des Wohlstands will die Bundesregierung nicht sehen
Foto: Daniel Schaub
06.06.2013