Nach 18 Jahren ist das Sanierungsgebiet Teutoburger Platz in Prenzlauer Berg aufgehoben worden. Die baulichen Erfolge können nicht darüber hinwegtäuschen, dass das soziale Ziel, die alten Bewohner bei der Sanierung „mitzunehmen“, weitgehend verfehlt wurde. In dem Gebiet, zu dem nicht nur die Straßen um den „Teute“, sondern auch die Kastanienallee und die Oderberger Straße gehören, wurde die Bevölkerung völlig umgewälzt.
Die bauliche Bilanz ist beeindruckend: 2002 hatten noch 15 Prozent der Wohnungen weder Bad noch Innentoilette und Zentralheizung. Zehn Jahre später ist der Anteil der Substandard-Wohnungen unter ein Prozent gerutscht, 93 Prozent der Wohnungen weisen heute Vollstandard auf. Schulen und Kitas wurden saniert sowie Spielplätze und Grünflächen neu angelegt. Insgesamt 109 Millionen Euro steckte die öffentliche Hand in das Gebiet.
„Durch die Maßnahmen hat sich das Sanierungsgebiet Teutoburger Platz als ein Wohnstandort etabliert, der bevorzugt von Familien nachgefragt wird“, bilanziert Stadtentwicklungssenator Michael Müller. In einer kurzen Presseerklärung führt er die Familienfreundlichkeit sechs Mal an, erwähnt dabei aber nicht, dass Familien viel Geld mitbringen müssen, um sich das Leben hier leisten zu können. Die Sozialstudie, die zum Abschluss der Sanierung verfasst wurde, liefert dazu bemerkenswerte Zahlen. Die durchschnittliche Nettokaltmiete liegt mit 6,49 Euro pro Quadratmeter deutlich über dem Durchschnitt des Berliner Mietspiegels. Tendenz: weiter steigend. Die Neuvermietungsmieten haben in fünf Jahren kräftig zugelegt. Wer 2006 eingezogen ist, musste noch im Schnitt 5,22 Euro zahlen. 2011 wurden den Neumietern schon 9,44 Euro pro Quadratmeter abverlangt.
Neuvertragsmieten legten kräftig zu
Das durchschnittliche Haushaltsnettoeinkommen stieg innerhalb von zehn Jahren von 1645 Euro im Monat auf 2903 Euro, also um 76 Prozent. Das liegt nicht an wundersamen Lohnerhöhungen der Bewohner, sondern am starken Zuzug von Gutverdienenden. Während die vor 1990 Zugezogenen heute im Schnitt ein Haushaltsnettoeinkommen von 2010 Euro haben und eine Quadratmetermiete von 4,54 Euro zahlen, verfügen die nach 2008 ins Gebiet gekommenen Haushalte über 3592 Euro und zahlen eine Miete von 8,81 Euro. Die Hälfte der heutigen Gebietsbewohner ist erst in den letzten fünf Jahren hergezogen. Nur 13 Prozent haben schon 1994 im Kiez gewohnt. „Der größte Teil der damaligen Bevölkerung hat das Gebiet verlassen, die damalige Bevölkerungsstruktur konnte in ihrer Mischung nicht erhalten werden.
Extrem ungleichgewichtig sei auch die Altersstruktur. In der Bevölkerung, die zwischen 1990 und 2011 von 6800 auf 8400 Einwohner angestiegen ist, liegt der Anteil der Erwachsenen zwischen 27 und 45 Jahren bei 52 Prozent – fast doppelt so hoch wie im Berliner Durchschnitt. Durch die vielen Erwachsenen im „Eltern-Alter“ gibt es auch viele Kinder. Das ist problematisch, weil jetzt sehr viele Kinderbetreuungsplätze und Schulen gebraucht werden, der Bedarf in ein paar Jahren aber wieder rapide zurückgeht.
Die Haushalte mit niedrigen Einkommen leben zum großen Teil in noch nicht modernisierten Wohnungen und in den öffentlich geförderten Häusern. 626 Wohnungen sind bis 2002 mit Fördermitteln saniert worden und unterliegen deshalb Belegungs- und Mietpreisbindungen. Die Bindungen laufen nach und nach aus, schon im Jahr 2025 wird es keine 100 gebundenen Wohnungen mehr geben. Zum künftigen Schutz vor Verdrängung plant der Bezirk eine Milieuschutzverordnung für das ehemalige Sanierungsgebiet.
Jens Sethmann
MieterMagazin 4/13
Relikt aus der Vor-Sanierungszeit: Kastanienallee 86
Foto: Daniel Schaub
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… da waren es nur noch zwei
Mit dem Ende der Sanierung am Teutoburger Platz sind 20 der 22 Sanierungsgebiete aus dem ersten Gesamt-Berliner Stadterneuerungsprogramm entlassen worden. Von den 1993 bis 1995 aufgestellten Gebieten stehen nur noch Niederschöneweide und Helmholtzplatz unter Sanierungsrecht. Ihre Entlassung wird voraussichtlich 2014 folgen. Im Jahr 2011 hat der Senat sieben neue Sanierungsgebiete mit wesentlich bescheideneren Zielen festgelegt.
js
10.07.2017