Leitsätze:
1. Zur Frage, wann eine Haftung aus einer an sich wirksamen Quotenklausel nach § 242 BGB gleichwohl entfallen kann.
2. Ein Anspruch auf Schadensersatz aus positiver Forderungsverletzung besteht nur dann, wenn die nicht geschuldete Durchführung der Schönheitsreparaturen zu einer Verschlechterung der vorhandenen Dekoration geführt hat. Anderenfalls fehlt es an der erforderlichen Kausalität des Fehlverhaltens des Mieters für die Notwendigkeit einer Neudekoration.
LG Berlin, Urteil vom 22.8.02 – 65 S 37/02 –
Mitgeteilt von RA Thomas Kleineidam
Urteilstext
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Berufung des Klägers ist lediglich in Höhe von 860,22 DM (439,82 Euro) begründet, im Übrigen jedoch unbegründet. Der Kläger hat über den vom Amtsgericht zuerkannten Betrag hinaus lediglich Anspruch auf 60 % der Kosten für den Anstrich des Bodens in der von der Beklagten gemieteten Wohnung.
Soweit das Amtsgericht Schadensersatz zugesprochen, jedoch die vom Sachverständigen H… angenommenen Preise für überhöht gehalten hatte (Türen, Fußleisten, Anstrich Decke Diele, Anstrich Heizkörper und Rohre und Fenster), ist die Berufung des Klägers unbegründet, weil die Schätzung des Vorderrichters nicht zu beanstanden ist. Wie das Amtsgericht bereits zutreffend ausgeführt hat, kann die Höhe des Schadens bzw. der angemessene Preis als exakte Größe regelmäßig nicht ermittelt werden und die vom Amtsgericht vorgenommene Schätzung anhand der vom Sachverständigen S… überreichten Preisliste erscheint angemessen und deckt sich auch mit den Erfahrungen der erkennenden Kammer. Der Sachverständige S… hat in seiner Anhörung vor dem Amtsgericht bekundet, dass die von ihm vorgelegte Liste auf Verständigungen zwischen den Sachverständigen für das Malerhandwerk beruht und für den hier maßgeblichen Zeitpunkt die marktüblichen Preisspannen wiedergibt. Weshalb der Sachverständige in seinem Gutachten teilweise höhere Preis ansetzt, mag daran liegen, dass er die zur Zeit der Gutachtenerstellung maßgeblichen Preise zu Grunde gelegt hat, lässt sich aus dem Gutachten selbst jedoch nicht erklären.
Der Anstrich der Bodenflächen ist außer in der Küche lediglich nach Nr. 9 der Zusatzvereinbarung zum Mietvertrag mit einer Quote geschuldet. Da die Beklagte die Wohnung nur knapp 4 Jahre bewohnt hat, waren die Schönheitsreparaturen ausschließlich in den Nassräumen fällig. Schadensersatz für die anderen Räume wäre nur dann zu leisten, wenn die Beklagte in ihrer Mietzeit die Dekoration übermäßig und nicht nur durch den normalen Mietgebrauch abgenutzt hätte. Dies ist bezüglich des Bodenbelages jedoch nicht festzustellen. Das Gutachten des Sachverständigen H… und der Vortrag des Klägers selbst gehen von einem bis auf das Holz abgetretenen Boden aus, was innerhalb von vier Jahren zudem mit einem darüber liegenden Teppich schlechthin nicht möglich ist. Damit dürfte der Boden bei Mietbeginn schon nicht frisch oder eben so schlecht renoviert gewesen sein, dass die Farbe sofort wieder abgegangen ist. Dem Beweisangebot des Klägers, die Vormieterin habe den Boden frisch gestrichen zurückgegeben, ist daher nicht nachzugehen. Für den Anfangszustand haftet der Mieter jedoch – entgegen der Auffassung des Klägers – nicht, wenn die vereinbarten Fristen für die Schönheitsreparaturen bei Mietende noch nicht abgelaufen sind. Lediglich in der Küche ist die mit 3 Jahren vereinbarte Renovierungsfrist abgelaufen und die malermäßige Instandsetzung daher fällig. Die in Ziffer 9 der Zusatzvereinbarung geregelte Quotenhaftung ist wirksam, denn entgegen der Ansicht der Beklagten wird darin nicht die Eigenleistung durch den Mieter ausgeschlossen. Es ist der Klausel nicht zu entnehmen, dass dem Mieter die Möglichkeit der Abwehr der Haftung genommen werden soll, indem er auch vor Ablauf der Fristen Schönheitsreparaturen vornimmt.
Die erkennende Kammer schätzt die Kosten für den Anstrich des Dielenfußbodens mit 23 DM/qm, was innerhalb der Spanne der vom Sachverständigen S… mitgeteilten Liste liegt und nach den Erfahrungen der erkennenden Kammer in etwa dem üblichen Preis entspricht. Der vom Sachverständigen H… angenommene Preis von 31,27 DM/qm umfasst auch das Imprägnieren des Bodens, was gemeinhin nicht zu den Schönheitsreparaturen gehört und für dessen Erforderlichkeit jeder Vortrag fehlt. Der Anspruch setzt sich damit wie folgt zusammen:
Diele (23,- DM x 3,76 qm + 16 % MWSt. x 60 %) 60,19 DM
Küche (23,- DM x 6,91 qm + 16 % MWSt.) 184,36 DM
Zimmer rechts (23,- DM x 17,28 qm + 16 % MWSt. x 60 %) 276,62 DM
Zimmer links (23,- DM x 21,18 qm + 16 % MWSt. x 60 %) 339,05 DM
Summe 860,22 DM
Die Beklagte schuldet nicht die Tapezierung der Wände in der Diele. Auch insoweit waren Schönheitsreparaturen nicht fällig und die Beklagte hat durch ihr einmaliges Streichen den Zustand der Mietsache nicht verschlechtert, nachdem schon drei Lagen Tapeten an den Wänden klebten. Wie die Kammer auch in dem beiden Parteien bekannten Urteil vom 8.1.2002 (65 S 128/01) ausgeführt hat, besteht ein Anspruch auf Schadensersatz aus positiver Forderungsverletzung nur dann, wenn die nicht geschuldete Durchführung der Schönheitsreparaturen zu einer Verschlechterung der vorhandenen Dekoration geführt hat, andernfalls fehlt es an der erforderlichen Kausalität des Fehlverhaltens des Mieters für die Notwendigkeit einer Neudekoration. Mit anderen Worten: Wenn jetzt ohnehin renoviert werden muss, können Renovierungsversuche des Mieters nur schaden, wenn dadurch die Renovierung teurer wird. Dies kann bezüglich der Diele nicht festgestellt werden.
Der Kläger kann sich zur Begründung seines Anspruchs auch nicht auf die Quotenklausel berufen. Eine Haftung entfällt hier gemäß §242 BGB (vgl. BGHZ 105, 71, 87). Der Aufwand der Renovierungsarbeiten mit der Entfernung mehrerer Lagen Tapeten, Vorbehandlung der Wände und anschließender Erneuerung der gesamten Tapezierung stellt gegenüber der Mietzeit der Beklagten und der damit verbundenen Abnutzung einen derart unverhältnismäßigen Aufwand dar, dass eine Haftung aus Treu und Glauben entfallen muss. Maßgeblich für die Wirksamkeit der Klausel ist für den BGH (a.a.O.), dass der Mieter der Haftung durch Eigenleistungen entgehen kann. Wenn diese Eigenleistungen jedoch derart umfangreich werden, dass die Arbeiten im Wesentlichen darin bestehen, die Schäden durch Schlechtleistung der Vormieter zu beseitigen, macht dies keinen Sinn mehr. Denn die Quotenregelung als Teil der Überbürdung der Schönheitsreparaturen soll letztlich nur bewirken, dass der Mieter anteilig für die durch ihn erfolgte Abnutzung der Dekoration haftet (BGH a.a.O. S. 85). …
15.03.2013