Leitsätze:
1. Eine Kautionsvereinbarung ist unwirksam, wenn die Barkaution sofort bei Vertragsabschluss in einer Summe gezahlt werden soll. Die Kaution ist zurückzuerstatten und mit dem gesetzlichen Zinssatz nach §§ 819 II, 818 IV, 291 BGB zu verzinsen.
2. Die Kenntnis des Mieters von der Lage der Wohnung über einer Gaststätte schließt nicht die Erkennbarkeit nächtlicher von der Gaststätte zwischen 22 Uhr und 3 Uhr früh ausgehender erheblicher Lärmbelästigung ein und schließt deswegen nicht die Gewährleistungsrechte des Mieters gemäß § 536 b BGB aus.
3. Eine Entschädigung für den Einsatz der eigenen Arbeitskraft des Mieters setzt nicht voraus, dass dadurch ein Gewinn bringender anderweitiger Einsatz der Arbeitskraft unterblieb. Für Eigenleistungen des Mieters bei einem Umzug wird im Wege der Schätzung nach § 287 ZPO ein Stundensatz von 7,67 Euro angesetzt.
4. Der Streitwert bei Geltendmachung von Mängelbeseitigungsmaßnahmen bestimmt sich nach dem 42-fachen monatlichen Minderungsbetrag.
5. Mietminderungen sind bei vereinbarter Nettomiete nach dem Nettomietbetrag ohne Vorschüsse zu ermitteln.
LG Berlin, Urteil vom 5.8.02 – 67 S 342/01 –
Mitgeteilt von RA Wilhelm Lohmann
Urteilstext
Aus den Entscheidungsgründen:
… Anders als der Kläger meint, ist eine Minderung gemäß § 537 Abs. 1 BGB a.F. von mehr als 40 % der Nettokaltmiete für die behauptete Lärmbeeinträchtigung durch die beiden Gaststätten im Erdgeschoss des Hauses nicht angemessen. Trotz der Lärmbelästigung zu den von dem Kläger angegebenen Zeiten von 22 Uhr bis 3 oder 4 Uhr, denen die Beklagten nicht substantiiert entgegengetreten sind, bleibt die Wohnung tagsüber und in den frühen Abendstunden nutzbar. Die Kammer verkennt dabei nicht, dass Störungen zu der genannten Uhrzeit eine erhebliche Beeinträchtigung darstellen, doch trägt die Minderungsquote von 40 % diesem Umstand bereits Rechnung. Denn insoweit wird über die Minderung der Gebrauchsbeeinträchtigung von 6 Stunden täglich, was einem Viertel der Nutzung entspricht, eine Minderungsquote von 40 % für angemessen erachtet. Für eine darüber hinausgehende Gebrauchsbeeinträchtigung fehlt es an substantiiertem Vortrag des Klägers.
Die Minderung ist – anders als der Kläger meint – nach ständiger Rechtsprechung der Kammer von der Nettokaltmiete vorzunehmen, da der Mangel durch Lärmbeeinträchtigung keinen Einfluss auf die abzurechnenden Betriebskosten hat. …
Der Kläger und Herr G. waren nach dem oben Gesagten auch berechtigt, den Mietzins für März 1999 zu mindern. Die Rückforderung ist – anders als die Beklagten meinen – nicht wegen vorbehaltloser Zahlung ausgeschlossen, da der Kläger und sein Mitmieter diesen Mietzins unstreitig bereits bei Vertragsschluss gezahlt haben. Zu diesem Zeitpunkt war der Mangel aber noch nicht bekannt. Es liegt nahe, dass daher kein Ausschluss gemäß § 814 BGB angenommen werden kann. Sie konnten aber nicht mit einem Anspruch auf Rückzahlung des um 50 % geminderten hälftigen Mietzinses für März 1999 aufrechnen, sondern lediglich mit einem um 40 % der Nettokaltmiete geminderten Betrag. Dieser beläuft sich auf 228,91 DM (1144,56 DM : 2 x 40 %). Eine wirksame Aufrechnung ist nur in dieser Höhe möglich. Daher ist der zu viel verrechnete Betrag von 57,23 DM von dem Kautionsrückforderungsanspruch abzuziehen, der damit noch in Höhe von 228,91 DM besteht. …
… Der Kläger hat ferner Anspruch gemäß §§ 819 Abs. 2, 818 Abs. 4, 291 BGB auf die hilfsweise zur Begründung seines Kautionsrückzahlungsanspruchs verlangte zusätzliche Verzinsung der Kautionssumme mit 4 % bzw. weiteren 54,30 DM. Denn die in § 19 des Mietvertrages getroffene Kautionsvereinbarung war von Anfang an unwirksam. Die Vereinbarung, dass die Kaution auf einmal zu zahlen war, verstieß gegen § 550 b Abs. 1 Satz 3, Abs. 3 BGB a.F. (vgl. LG Berlin, MM 2001, 495 m.w.N.; GE 2001, 1468). Sie war daher unwirksam, was neben dem Rückzahlungsanspruch zu einer Verzinsung wie bei Rechtshängigkeit führt.
Soweit der Kläger zur Begründung seines Kautionsrückzahlungsanspruchs in Höhe von 362,70 DM hilfsweise die Erstattung der Kosten für die Zwischenablesung des Zählers in Höhe von 34,22 DM und anteilige Maklerkosten von insgesamt gezahlten Maklergebühren von 2000 DM geltend macht, sind diese aus culpa in contrahendo (cic) begründet. Das ergibt sich aus dem Umstand, dass der Kläger und der Mitmieter G. berechtigterweise die fristlose Kündigung des Mietverhältnisses erklärt haben. Denn die Berechtigung zur fristlosen Kündigung beruhte auf einem Anfangsmangel, nämlich der Existenz der beiden Gaststätten im Erdgeschoss und den von diesen ausgehenden Lärmbeeinträchtigungen. Den Vermieter trifft – jedenfalls wenn er den Mangel kennt – wovon hier auf Grund der Beschwerde einer anderen Mieterin vom 16.11.1998 auszugehen war, eine Verpflichtung zum Hinweis auf solche Umstände, die der Mieter bei Vertragsschluss nicht kennt und die für seine Entscheidung von Bedeutung sind (vgl. Eisenschmid in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 7. Auflage, § 535, 536 Rn. 133). Dies trifft bei zwei, starke Lärmbelästigungen entwickelnden, Gaststätten zu, denn insoweit war damit zu rechnen, dass derartige Beeinträchtigungen wieder vorkommen würden. Die Vermieter können sich auch nicht darauf berufen, dass der Kläger und sein Mitmieter die Wohnung in Kenntnis der Gaststätten gemietet haben und damit selbst eine eventuelle Beeinträchtigung hätten erkennen können. Zum einen waren die Gaststätten wegen der Renovierungsarbeiten nicht sogleich erkennbar und zweitens kann bei Besichtigung der Wohnung eine erhebliche Lärmbelästigung zwischen 22 Uhr und 3 Uhr in der Regel nicht festgestellt werden. Der Vortrag der Beklagten zur Verantwortung des Maklers ist unsubstantiiert und entbindet auch nicht von den entsprechenden Hinweispflichten. Der Kläger hat daher Anspruch auf Erstattung der Kosten, die angefallen sind, weil er und der Mitmieter G. die Wohnung wegen der nicht mitgeteilten Beeinträchtigungen durch die Gaststätten fristlos gekündigt haben. Insoweit ist der Anspruch auf Erstattung der Kosten der Zwischenablesung von 34,22 DM und eines Teilbetrages der Maklerkosten von 45,27 DM berechtigt. Die Maklerkosten sind angefallen, was der Kläger durch Vorlage der Rechnung vom 29.1. 1999 belegt hat.
Aus der eingeklagten Berufungssumme folgt, dass der Kläger tatsächlich den ursprünglichen Kautionsrückzahlungsanspruch in Höhe von 364,70 DM geltend macht, so dass auch insoweit der hilfsweise erklärte Anspruch auf Ersatz der Maklerkosten in Höhe eines weiteren Teilbetrags von 2 DM durchgreift.
Der Kläger hat gegen die Beklagten gemäß § 538 Abs. 1 1. Fall BGB a.F. einen Anspruch auf Ersatz der Umzugskosten. Denn auch insoweit liegt – wie oben dargestellt – ein Anfangsmangel vor. Denn die beiden Gaststätten existierten und waren bei Vertragsschluss nur nicht in Betrieb. Eine Wiederaufnahme des Betriebes war nach Beendigung der Bauarbeiten möglich. Es ist nicht substantiiert dargetan worden, dass die Beklagten von einer wirksamen Kündigung der Gaststättenverträge ausgehen durften. Die fristlose Kündigung des Klägers und des Mitmieters G. war gemäß § 542 BGB wirksam. Denn im Schreiben vom 3.5.1999 lag ein Abhilfeverlangen mit angemessener Fristsetzung.
Der Kläger kann Ersatz für die von ihm und dem Mitmieter in Eigenleistung erbrachte Arbeit verlangen (vgl. BGHZ 131, 220 zum Einsatz von eigener Arbeitskraft). Entscheidend ist demnach nicht, ob durch die eigene Arbeitsleistung ein Gewinn bringender anderweitiger Einsatz der Arbeitskraft unterblieben ist, sondern ob die Arbeitsleistung einen Geldwert, d.h. einen Marktwert hat und bei wertender Betrachtung von Schadensersatz nicht auszugrenzen ist.
Die Kammer hält den – unter Hinweis auf den im Wege der Schätzung – geltend gemachten Zeitaufwand von 99 Stunden für angemessen, § 287 ZPO. Die Ausführungen des Klägers zum Umfang des Hausstandes und dem Transport zu der neuen Wohnung sowie dem dort erfolgten Wiederaufbau von Möbelstücken und dem Auspacken und Einräumen der Gegenstände ist substantiiert und nachvollziehbar. Jedoch billigt die Kammer in ständiger Rechtsprechung bei Maßnahmen, die der Mieter selbst durchführt, nur einen Stundensatz von 15 DM je Stunde zu, so dass der Anspruch des Klägers nur in Höhe von 1485 DM Erfolg hat.
Soweit die Beklagten meinen, ein Umzugsunternehmen wäre kostengünstiger gewesen, ist der Vortrag unsubstantiiert. Der Kläger hat vielmehr durch Vorlage eines Angebots der Firma Z. vom 12.3.2002 vorgetragen, dass der Umzug nunmehr 1389,10 Euro kosten würde, wobei eine übergroße Preissteigerung zwischen Juli 1999 und März 2002 von den Beklagten nicht substantiiert vorgetragen wurde.
Soweit der Kläger insoweit 2475 DM verlangt hat, besteht der weitere Zahlungsanspruch in Höhe von 990 DM jedoch aus der im Termin am 13.5.2002 erklärten hilfsweisen Stützung der Ansprüche auf Ersatz der Maklerkosten.
Der Kläger hat auch gemäß § 538 Abs. 1 BGB Anspruch auf Ersatz der geltend gemachten Anwaltskosten, denn diese sind eine adäquate Schadensfolge. Zwar besteht zwischen den Parteien Streit über den Ansatz der Geschäftsgebühr, weswegen grundsätzlich gemäß § 12 BRAGO ein Gutachten der Rechtsanwaltskammer einzuholen wäre. Die streitige Frage, ob hier eine 7,5/10-Geschäftsgebühr oder eine 8/10-Geschäftsgebühr anzusetzen ist, ist jedoch für den geltend gemachten Schadensersatzanspruch ohne Belang, da bei korrekter Berechnung des Streitwertes der Minderung nach dem 42-fachen monatlichen Minderungsbetrag (§ 9 ZPO) ein Ersatzanspruch besteht, der mindestens die verlangten 610,53 DM umfasst, auch wenn lediglich eine 7,5/10 Gebühr angesetzt wird.
Anmerkung der Redaktion:
Die in der Entscheidung zitierten Paragraphen entsprechen der bis zum 31.8.2001 geltenden Rechtslage.
09.05.2017