Leitsätze:
1. Sichert der Vermieter bei Vertragsabschluss dem Mieter auf dessen ausdrückliche Nachfrage nach der Angemessenheit der Höhe der Betriebskostenvorauszahlungen diese zu, schafft er einen Vertrauenstatbestand.
2. Bei den darauffolgenden Betriebskostenabrechnungen sind die Nachforderungen des Vermieters durch die Zusage über die Angemessenheit der Höhe der Vorauszahlungen begrenzt.
3. Dabei ist in der Regel ein Überschreiten der vereinbarten Betriebskostenvorauszahlungen bis zu 15 Prozent noch als angemessen zu erachten.
LG Berlin, Urteil vom 1.4.03 – 63 S 387/01 –
Mitgeteilt von RA Johann Heinrich Lüth
Urteilstext
Aus den Entscheidungsgründen:
… Ungeachtet ihrer formellen Wirksamkeit im Übrigen wäre ein Anspruch auf Nachzahlung aus den Betriebskostenabrechnungen 1997 und 1998 jeweils nur in Höhe von 144,- DM gerechtfertigt. Denn der Kläger muss sich an die von der Mitarbeiterin seiner Hausverwaltung gegebene Zusage hinsichtlich der kostendeckenden Höhe der konkret im Mietvertrag vom 27.8.1996 vereinbarten Betriebskostenvorauszahlungen in Höhe von monatlich 80,- DM festhalten lassen. Die Berufung beanstandet dabei grundsätzlich zu Recht, dass ein Vermieter eine Nachforderung von Betriebskosten selbst dann geltend machen kann, wenn die sich aus der Abrechnung ergebende Nachforderung die vereinbarten Vorauszahlungen wesentlich übersteigt (vgl. OLG Stuttgart – 8 REMiet 6/81 – GE 1982, 895). Denn es existiert kein allgemeiner Rechtssatz, wonach der Mieter auf Grund der Vereinbarung von Betriebskostenvorauszahlungen darauf vertrauen darf, dass diese in etwa die tatsächlichen Kosten decken. § 4 Abs. 1 MHG verbietet lediglich die Vereinbarung unangemessen hoher Vorauszahlungen. Vorliegend wurden beispielhaft mit der Betriebskostenabrechnung 1998 auf die Beklagte entfallende Gesamtkosten in Höhe von 2491,41 DM berechnet, die für die 65,77 Quadratmeter große Wohnung einem Betrag von 3,16 DM pro Quadratmeter monatlich entsprechen. Die vereinbarte monatliche Betriebskostenvorauszahlung in Höhe von 80,- DM entspricht demgegenüber lediglich einem Betrag von 1,22 DM pro Quadratmeter, so dass sich eine Nachforderung in Höhe von 1531,41 DM ergab. Entsprechend ähnliche Werte ergeben sich für die nicht eingereichte Betriebskostenabrechnung 1997 in Anbetracht des Nachforderungsbetrages von 1569,92 DM. Gleichwohl führt die vorgenannte Überschreitung der tatsächlichen Betriebskosten gegenüber den vereinbarten Vorschüssen grundsätzlich nicht zu einer Unwirksamkeit des Nachforderungsanspruchs. Im vorliegenden Fall greift indes eine Ausnahme zu den vorgenannten Grundsätzen des Rechtsentscheids des OLG Stuttgart ein, weil der Beklagten auf ausdrückliche Nachfrage nach der Angemessenheit der Höhe der Vorauszahlungen bei Vertragsschluss von der als Vertreterin beauftragten Mitarbeiterin der Hausverwaltung des Klägers bestätigt wurde, dass die Betriebskostenvorauszahlungen der Höhe nach auf einer auf Erfahrungswerten ermittelten Grundlage basierten.
Die Beweisaufnahme vor der Kammer hat die dahingehende Behauptung der Beklagten bestätigt. Der Zeuge L… hat glaubhaft bekundet, dass er bei der Vertragsunterzeichnung darauf gedrungen habe, eine Auskunft über das voraussichtliche Ausreichen der vereinbarten Betriebskostenvorauszahlungen zu erhalten. Dabei habe er in der Weise die Relevanz dieser Frage für die Beklagte bekräftigt, dass die Grenze der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Beklagten bei der im Mietvertrag zu Grunde gelegten Miete erreicht sei. Die Mitarbeiterin der Hausverwaltung, die Zeugin D…, habe ihnen daraufhin positiv zu verstehen gegeben, dass die Betriebskostenvorauszahlungen auf Grund von vorhandenen Erfahrungswerten berechnet worden seien. Solche Erfahrungswerte seien vorhanden, weil es sich um einen ehemals sozialgebundenen Wohnungsbau handele. Im Übrigen habe sie einige handschriftliche Änderungen des Vertrages vor der Unterzeichnung vorgenommen. Demgegenüber hat die Zeugin D… bekundet, sie sei in der Personalabteilung des Klägers beschäftigt und würde nur vereinzelt Mietverträge abschließen. Sie könne sich an den Inhalt und den Umfang der konkreten Verhandlung mit der Beklagten und dem Zeugen L… nicht mehr erinnern. In der Regel würde sie jedoch keine Verhandlungen über Mietverträge führen, sondern lediglich vorgefertigte Mietverträge mit den Parteien unterzeichnen. Auf Nachfrage hat die Zeugin ferner bekundet, sie schaue sich vor der Unterzeichnung schon den Inhalt des Mietvertrages an.
Um zu sehen, ob die Betriebskosten stimmen, würde sie sich die Vorverträge ansehen. In diesem Fall habe dies eine Betriebskostenvorauszahlung der Vormieter in Höhe von 70,- DM monatlich ergeben. Im Ergebnis geht die Kammer von der Richtigkeit der Aussage des Zeugen L… aus, der mit hinreichender Bestimmtheit unter Hinweis auf die Erheblichkeit der Höhe der Betriebskostenvorauszahlungen nach deren Angemessenheit gefragt hat. Die von ihm wiedergegebene Antwort der Vertreterin des Klägers, dass der Höhe der angesetzten Betriebskostenvorauszahlungen Erfahrungswerte zu Grunde liegen würden, ist geeignet, einen Vertrauenstatbestand bei der Beklagten zu erwecken, dass sie jedenfalls nicht Nachzahlungen in einer unüblichen Höhe zu leisten haben würde. Der Zeuge L… hat die Verhandlung bei der Hausverwaltung detailreich wiedergegeben und mit dem Erreichen der Leistungsgrenze der Beklagten auch einen nachvollziehbaren Grund für eine Nachfrage bezüglich der Betriebskosten aufgezeigt. Obwohl er nunmehr mit der Beklagten verheiratet ist, bestehen angesichts der Straferwartung einer falschen Aussage keine konkreten Anhaltspunkte, dass er mit seiner Aussage eine Partei wahrheitswidrig begünstigen wollte. Solche weiteren konkreten Anhaltspunkte sind indes erforderlich, da aus seiner Rechtsstellung zur Beklagten allein nicht auf eine falsche Aussage zu schließen ist. Die Aussage des Zeugen L… ist ferner nicht durch die Bekundungen der Zeugin D… als widerlegt oder erschüttert anzusehen. Ihre Aussage ist insoweit nicht frei von Widersprüchen, als sie einerseits keinen Verhandlungsspielraum bezüglich des Abschlusses von Mietverträgen gehabt und diese nur pro forma unterzeichnet haben will. Andererseits hat sie auf Nachfrage hin ihre Aussage dahingehend ergänzt, dass sie selbst den Inhalt der Verträge vor der Unterzeichnung einschließlich der Höhe der Betriebskostenvorschüsse anhand von Vorverträgen, die sie sich hierzu beiziehe, prüfe. Des weiteren konnte sie sich an den Inhalt der konkreten Verhandlung mit der Beklagten nicht erinnern und lediglich generell, aber nicht für diesen Einzelfall angeben, dass sie Vertragsverhandlungen nicht führe. Im Ergebnis konnte die Zeugin somit – anders als der Zeuge L… – nicht mit der erforderlichen Bestimmtheit den Inhalt des konkreten Gesprächs wiedergeben.
Die Zusage der Angemessenheit der vereinbarten Betriebskostenvorauszahlungen führt indes nicht dazu, dass die vereinbarte Nettokaltmiete nebst Vorauszahlungen als Bruttokaltmiete inklusive der Betriebskosten zu behandeln wäre. Denn die Zusage verändert auch unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben nicht die vereinbarte Mietzinsstruktur, so dass über die Betriebskosten weiter abzurechnen war. Lediglich der Höhe nach ist eine Nachforderung aus der Betriebskostenabrechnung begrenzt durch die Zusage über die Angemessenheit der Höhe der Betriebskostenvorauszahlungen. Soweit die Beklagte danach darauf vertrauen durfte, nicht mit unangemessenen Nachforderungen belastet zu werden, geht die Kammer davon aus, dass in der Regel ein Überschreiten der tatsächlichen Betriebskosten gegenüber den vereinbarten Betriebskostenvorauszahlungen um 15 Prozent als noch angemessen zu erachten ist. Danach begrenzt sich der Nachforderungsanspruch des Klägers aus den Betriebskostenabrechnungen für die Jahre 1997 und 1998 auf weitere 144,- DM, da die Beklagte jeweils 960,- DM Betriebskostenvorauszahlungen pro Jahr geleistet hat. Nach Abzug der vom Kläger bezüglich der Betriebskostenabrechnung 1997 vorgenommenen Verrechnung mit einem Guthaben aus der Heizkostenabrechnung 97/98 in Höhe von 28,74 DM verbliebe ein Betrag von 115,26 DM offen. Eine Nachforderung für das Jahr 1998 besteht nicht, da der Kläger diesbezüglich mit einem Guthaben aus der Heizkostenabrechnung 98/99 in Höhe von 245,99 DM die Aufrechnung vorgenommen hat. …
15.03.2013