Leitsätze:
1. Ist dem Mieter ein ausdrückliches Recht auf Anbringung und Benutzung der Parabolantenne nicht eingeräumt worden, sondern wurde die Benutzung in der Vergangenheit lediglich vom Vermieter geduldet, kann diese in der Duldung liegende Gestaltung vom Vermieter jederzeit widerrufen werden, wenn ihm für den Widerruf ein wichtiger Grund zur Seite steht. Ein solcher wichtiger Grund liegt beispielsweise in der Sanierung des Dachstuhls.
2. Ergibt die Abwägung der widerstreitenden Interessen von Mieter und Vermieter, dass dem Mieter grundsätzlich ein Anspruch auf Wiederanbringung der Parabolantenne zusteht, so hat er dem Vermieter das Bestehen einer Haftpflichtversicherung nachzuweisen, bevor er die erneute Montage der Parabolantenne verlangen kann.
AG Schöneberg, Urteil vom 7.12.04 – 9 C 185/04 –
Mitgeteilt von RA Cornelius Krakau
Urteilstext
Aus dem Tatbestand:
Der Kläger macht gegen die Beklagte einen Anspruch auf Installierung einer Parabolantenne geltend.
Der Kläger ist italienischer Staatsangehöriger. Er ist seit 1978 Mieter der Wohnung G.- Straße, Parterre rechts. Die Beklagte ist im Wege der Rechtsnachfolge in das Mietverhältnis eingetragen, da in der Zwischenzeit eine Aufteilung des Hauses in Wohnungseigentum erfolgte.
In § 13 des Mietvertrages heißt es: „Die Anbringung und Benutzung von Außenantennen bedarf der Zustimmung des Vermieters in Verbindung mit dem Abschluss eines Antennenvertrages. Falls eine Gemeinschaftsantenne vorhanden ist oder errichtet wird, verpflichtet sich der Mieter, die Kosten der Anlage sowie die Unterhaltskosten unter Einschluss von Zinsen und Tilgung anteilig zu tragen.“
Seit Anfang der neunziger Jahre stand auf dem Flachdach des Hauses eine Parabolantenne, die es dem Kläger ermöglichte, die Kanäle RAI 1-3, Rede 4, Italia 1 und Canale 5 zu empfangen.
Der Kläger ist Eigentümer dieser Parabolantenne.
Anlässlich der Sanierung des Daches auf Grund von Feuchtigkeitsschäden ließ die Beklagte im Dezember 2003 die Parabolantenne abmontieren.
Eine erneute Montage lehnte die Wohnungseigentümergemeinschaft und die Beklagte im Hinblick auf eine Gefährdung der Bausubstanz ab.
Eine Haftpflichtversicherung für etwaige von der Parabolantenne verursachte Schäden liegt seitens des Klägers nicht vor.
Über das von der Beklagten zur Verfügung gestellte Kabelfernsehen ist der Empfang der Programme RAI 1, RAI 2 und RAI 3 möglich, sofern der Mieter zusätzlich eine D-Box erwirbt.
Der Kläger behauptet, er habe sich Anfang der neunziger Jahre mit dem damaligen
Vermieter darauf geeinigt, zusammen mit anderen italienischen Mietern des Hauses auf dem Dach eine Parabolantenne anzubringen und mit den einzelnen Wohnungen zu verbinden.
Der Gesamtpreis von 6000,00 DM für die Installation sei von den Mietern gezahlt worden. Bei Auszug eines Mieters sei jeweils dessen Anteil auf die verbleibenden übertragen worden. Bis am Ende der Kläger den letzten verbleibenden Miteigentümer ausgezahlt habe.
Die Installation der Parabolantenne sei vom damaligen Vermieter durchgeführt worden.
Der Kläger meint, diese Vereinbarung mit dem Vermieter habe von dem neuen Vermieter nicht widerrufen werden können, zumal hierbei auch das grundgesetzlich geschützte Informationsinteresse des Klägers zu berücksichtigen sei.
Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, auf dem Dach und am Gebäude des Hauses G.-Straße in Berlin eine Satellitenempfangsanlage so zu installieren, dass in der Wohnung des Klägers im Hause G.-Straße Parterre rechts die Programme RAI 1, RAI 2, RAI 3, Rede 4, ltalia 1 und Canale 5 empfangen werden können.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte behauptet, die nicht fachgerechte Installation der Parabolantenne habe zu einer Beschädigung der Dachhaut geführt und sei daher ursächlich für Feuchtigkeitseintritte im Hause gewesen.
Die Beklagte meint, dem Informationsbedürfnis des Klägers sei schon durch die Möglichkeit, die Programme RAI 1, RAI 2 und RAI 3 zu empfangen, genüge getan.
Aus den Entscheidungsgründen:
… II. Die Klage ist unbegründet. Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein vertraglicher Anspruch gemäß § 535 BGB auf eine erneute Installation der Parabolantenne zu.
1. Das Anbringen einer Außenantenne gilt gemäß § 13 des Mietvertrages als Sondernutzung, auf die der Mieter ohne besondere Vereinbarung mit seinem Vermieter keinen Anspruch hat. Von einer zwischen den Parteien vereinbarten Erstreckung des Mietgebrauchs insoweit kann nicht ausgegangen werden. Eine ausdrückliche Gestaltung seitens der Beklagten liegt nicht feststellbar vor.
Soweit der Kläger behauptet, der vorherige Vermieter habe dem Kläger die Anbringung und Benutzung der Parabolantenne ausdrücklich gestattet, bzw. die Installation selbst durchgeführt, mit der Folge, dass die Beklagte an diese Gestattung gemäß § 571 BGB gebunden wäre, ist das Vorbringen des Klägers unsubstantiiert, da weder der genaue Inhalt der Einigung noch der konkrete Zeitpunkt der Einigung und der Anbringung der Parabolantenne angegeben wird.
2. Ist den Klägern danach ein ausdrückliches vertragliches Recht auf Anbringung und Benutzung der Parabolantenne nicht eingeräumt worden, sondern wurde die Benutzung in der Vergangenheit sowohl von dem Rechtsvorgänger der Beklagten als auch von dieser selbst lediglich geduldet (von einer Duldung zumindest durch den Rechtsvorgänger der Beklagten ist nach den Grundsätzen des Anscheinsbeweises auszugehen, da es unwahrscheinlich erscheint, wenn sich ein Vermieter über Jahre hinweg in Unkenntnis über das Vorhandensein einer Parabolantenne auf dem Dach seines Hauses befindet), konnte diese in der Duldung begründet liegende Gestaltung von der Beklagten jederzeit widerrufen werden (vgl. Urteil des LG Wuppertal vom 15. September 1995, Az: 10 S 23/95). Diesen Widerruf nahm die Beklagte mit Schriftsatz vom 22.8.2002 vor. Selbst wenn man den Widerruf der in der Duldung über längere Zeit liegenden Gestattung nur aus sachgerechten Gründen zulassen wollte (vgl. LG Wuppertal a.a.O.), führt dies vorliegend nicht zu einer anderen Beurteilung, da die Sanierung des Dachstuhls eine vorherige Demontage der Parabolantenne notwendig machte.
3. Der endgültige Widerruf der Duldung war auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht ausgeschlossen.
Die Wohnung stellt für den Mieter den Mittelpunkt seiner privaten Existenz dar und er ist auf ihren Gebrauch zur Befriedigung elementarer Lebensbedürfnisse, zur Freiheitssicherung und Entfaltung seiner Persönlichkeit angewiesen. Deshalb darf der Vermieter nach Treu und Glauben nicht ohne triftigen, sachbezogenen Grund dem Mieter Einrichtungen versagen, die diesem das Leben in der Mietwohnung angenehmer gestalten könnten, durch die er als Vermieter nur unerheblich beeinträchtigt und durch die die Mietsache nicht verschlechtert wird (vgl. Rechtsentscheid des OLG Karlsruhe vom 24. August 1993, Az: 3 REMiet 2/93 in: WM 1993, 525, 526).
Bei der Abwägung, ob es die Grundsätze von Treu und Glauben (§ 242 BGB) der Beklagten im vorliegenden Fall gebieten, die von ihr demontierte Parabolantenne erneut auf dem Flachdach des Hauses zu installieren, ist zu beachten, dass bei der Auslegung der Rechte und Pflichten von Mietern und Vermietern, insbesondere bei der Konkretisierung von Generalklauseln wie der Grundsätze von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB, die jeweils betroffenen Grundrechte berücksichtigt werden müssen, damit in dieser Weise ihr wertsetzender Gehalt für die Rechtsordnung auch auf der Ebene der Rechtsanwendung zur Geltung kommt (BVerfGE 7, 198, 205 ff., ständige Rechtsprechung).
Bei der notwendigen Abwägung sind hiernach auf Seiten des Klägers das sich aus Artikel 5 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 GG ergebende Grundrecht auf Informationsfreiheit sowie auf Seiten der Beklagten, die als Vermieterin und Hausverwalterin zugleich die Interessen der Wohnungseigentümergemeinschaft wahrnimmt das für sie streitende Grundrecht aus Artikel 14 Abs. 1 GG zu berücksichtigen.
Artikel 5 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 GG schützt das Recht eines Jeden, sich aus allgemein zugänglichen Quellen, zu denen insbesondere auch die Massenkommunikationsmittel wie Hörfunk und Fernsehsendungen gehören, ungehindert zu unterrichten. Eine Differenzierung zwischen in- und ausländischen Informationsquellen findet hierbei nicht statt (BVerfGE NJW 1994, 1147, 1147 ff.). Artikel 5 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 GG schützt hierbei auch die Freiheit der Auswahl zwischen mehreren Informationsquellen, so dass dem Gewährleistungsgehalt des Grundrechts nicht schon alleine dadurch genügt wird, dass dem Berechtigten der Zugang zu einem bestimmten ausländischen Fernsehprogramm eröffnet ist, wenn ihm zugleich die Möglichkeit des Zugangs zu anderen ausländischen Femsehprogrammen verwehrt bleibt.
Das Informationsbedürfnis des Klägers ist durch die über Kabel zu empfangenden italienischsprachigen Sender RAI 1, RAI 2 und RAI 3 nicht hinreichend befriedigt, da der Kläger in der mündlichen Verhandlung verlauten ließ, er habe ein Bedürfnis, „alle Berlusconi-Sender“ zu empfangen und damit unter anderem auch die Programme Rede 4 (richtig: Rete 4), Italia 1 und Canale 5.
Zwar würde das vorgenannte Informationsinteresse des Klägers noch schwerer wiegen, wenn ohne Parabolantenne nur einer oder gar kein italienischsprachiger Sender empfangen werden könnte, es darf jedoch keine inhaltliche Bewertung der Programmangebote der Sender dahingehend vorgenommen werden, ob die zur Verfügung stehenden Senderangebote das Informationsinteresse des Klägers befriedigen oder nicht.
Gegenüber dem Informationsinteresse der Beklagten fällt jedoch die durch die Parabolantenne bewirkte Beeinträchtigung der Vermieterrechte aus Art. 14 GG mehr ins Gewicht.
Eine erneute Installation der Parabolantenne auf dem Dach des Hauses ist in der Regel mit einem Eingriff in die Bausubstanz des Gebäudes verbunden (vgl. Beschluss des OLG Düsseldorf vom 13. Dezember 2000, Az: 3 Wx 265/00).
Auch wenn dies nicht zwangsläufig einen erheblichen Eingriff darstellen muss und auch nicht feststeht, ob die ursprüngliche Installation der Parabolantenne tatsächlich zu den Feuchtigkeitsschäden führte, die die Dachsanierung notwendig machten, führt eine erneute Installation zumindest zu einer Gefährdung des Gemeinschaftseigentums der Wohnungseigentümergemeinschaft, deren Interessen die Beklagte als Hausverwalterin und Vermieterin wahrnimmt.
Angesichts dieser Gefahrenlage führt die Tatsache, dass der Kläger für etwaige durch die Parabolantenne angerichtete Schäden jedenfalls zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung – noch – keine Haftpflichtversicherung abgeschlossen hatte, das Bestehen einer solchen Versicherung aber grundsätzlich Voraussetzung für einen Anspruch des Mieters auf Duldung einer derartigen Antenne ist (vgl. Rechtsentscheid des OLG Karlsruhe vom 24. August 1993, a.a.O.), zum Ausschluss des Klägeranspruches auf erneute Installation der Parabolantenne. Die Beklagte war auch nicht verpflichtet, den Kläger vorher aufzufordern, das Bestehen einer solchen Versicherung nachzuweisen, da die Demontage auf Grund der Dachsanierung in jedem Fall geboten war. Der Kläger hat der Beklagten demnach das Bestehen einer Haftpflichtversicherung nachzuweisen, bevor er die erneute Montage der Parabolantenne verlangen kann.
III. Schließlich ist der Anspruch des Klägers auch nicht begründet, weil er nicht dargelegt hat, dass er sein Informationsbedürfnis gerade nur durch die Satellitenempfangsanlage befriedigen kann. Sofern die gewünschten Programme auch durch Einsatz eines Decoders oder des Internet empfangen werden können, dürfen die Interessen des Klägers an seiner Informationsfreiheit nicht höher bewertet werden als das Eigentumsrecht des Vermieters (Berliner Verfassungsgerichtshof vom 29.8.01 in MieterMagazin 2002, S. 95).
IV. Ein etwaiger Schadensersatzanspruch des Klägers gemäß §§ 535, 280 I, 249 I BGB auf erneute Installation der Antenne im Wege der Naturalresitution scheidet schon deshalb aus, weil die Demontage der Antenne auf Grund der Dachsanierung erforderlich war und daher keine Verletzung des Mietvertrags vorliegt. …
09.06.2018