Leitsätze:
1. Der Mieter hat gemäß § 241 Abs. 2 BGB gegen seinen ehemaligen Vermieter Anspruch auf Ausstellung einer so genannten „Mietschuldenfreiheitsbescheinigung“.
2. Der Vermieter ist jedoch nicht verpflichtet, sich in seiner Erklärung auf das Bestehen oder Nichtbestehen von Rückständen der laufenden Miete zu beschränken. So darf der Vermieter in dieser Bescheinigung auch auf unstreitig noch ausstehende Prozess- und Gerichtskosten hinweisen.
AG Hohenschönhausen, Urteil vom 30.3.06 – 16 C 239/05 –
Mitgeteilt von RAin Karin Karg
Urteilstext
Aus dem Tatbestand:
Zwischen den Parteien bestand ein Mietverhältnis über eine Wohnung in Berlin-Hellersdorf. Dieses Mietverhältnis wurde durch die fristlose Kündigung der Beklagten als Vermieterin der Wohnung, die mit Schreiben vom 28.8.2003 wegen Mietrückständen erklärt wurde, beendet. Zwischen den Parteien waren verschiedene Rechtsstreitigkeiten wegen der Mietrückstände, der Räumung und der Schönheitsreparaturen bzw. Schadensersatzes bei Rückgabe der Mietsache anhängig. Am 18.11.2004 beglichen die Kläger die sich aus den Urteilen der Gerichte ergebenden Zahlungsrückstände bezogen auf die Miete und Schönheitsreparaturen mit einem Gesamtbetrag von 3.296,46 Euro gegenüber der Bevollmächtigten der Beklagten. Weiterhin offen sind ca. 8.000 Euro Prozesskosten zu Lasten der Kläger, die aus den vorangegangenen Gerichtsverfahren herrühren. Mit Schreiben vom 18.11.2004 erteilte die Beklagte der Klägerin zu 1. eine so genannte Mietschuldenfreiheitsbescheinigung, mit der bestätigt wird, dass keine Mietrückstände für den Mietzeitraum vom 1.10.2002 bis 18.11.2004 bestehen. Weiter heißt es dann noch in der Erklärung: „Wir weisen vorsorglich darauf hin, dass noch Prozess- und Gerichtskosten von ca. 8.000 Euro offen sind.“ Eine so genannte Mietschuldenfreiheitsbestätigung benötigen die Kläger zur Vorlage bei eventuellen künftigen Vermietern, da diese den Abschluss eines Mietvertrages häufig von der Vorlage einer solchen Bestätigung abhängig machen.
Die Kläger sind der Auffassung, dass der von der Beklagten der Erklärung über die Mietschuldenfreiheit hinzugefügte Nachsatz bezüglich der offenen Prozess- und Gerichtskosten unzulässig sei und sie diskriminiere und benachteilige. Sie meinen, ihnen stehe eine uneingeschränkte Mietschuldenfreiheitsbestätigung seitens der Klägerin als Nachpflicht aus dem Mietverhältnis zu.
Die Kläger beantragen, die Beklagte zu verurteilen, an sie eine schriftliche Erklärung mit folgendem Wortlaut abzugeben: „Es bestehen aus dem Mietverhältnis über die Wohnung, Wohnungsnummer… in Berlin, seitens der Miete r… und … keine Mietrückstände.“, wobei die Beklagte es zu unterlassen hat, in diese Erklärung Äußerungen auf weitere Zahlungsverpflichtungen der Kläger gegenüber der Beklagten aus dem beendeten Mietverhältnis aufzunehmen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Sie ist der Auffassung, die Kläger hätten von vornherein keinen Anspruch auf Erteilung einer Mietschuldenfreiheitsbestätigung. Darüber hinaus sei es aber auch keineswegs unzulässig, in die Bestätigung der Mietschuldenfreiheit einen Zusatz aufzunehmen, der wahrheitsgemäß auf das Bestehen weiterer – erheblicher – offener Forderungen ihrerseits gegen die Beklagten hinweist, denn andernfalls würde durch ihre Erklärung bei Vorlage gegenüber einem anderen Vermieter der Eindruck erweckt, die Kläger seien solvent, woran sie nicht mitzuwirken bereit sei. …
Aus den Entscheidungsgründen:
I. Die Klage ist zulässig. Sie ist ersichtlich auf die Vornahme einer vertretbaren Handlung, nämlich die Erstellung einer schriftlichen Erklärung der Beklagten. Nur eine solche Erklärung würde dem Rechtschutzbegehren der Kläger auch gerecht, da eine gemäß § 894 ZPO fingierte Erklärung von vornherein das Rechtsschutzinteresse der Kläger verfehlen würde, da ein gerichtlich erstrittener Titel zur Vorlage bei einem eventuellen Vermieter wenig geeignet sein dürfte.
II. Die Klage ist indes nicht begründet.
1. Den Klägern fehlt es nicht bereits an einem grundsätzlichen Anspruch auf Erteilung einer schriftlichen Bestätigung über das Nichtbestehen von Zahlungsrückständen aus dem Mietverhältnis. Vielmehr ist die Beklagte den Klägern als ihren (ehemaligen) Mietern als Nebenpflicht aus derer Mietverhältnis im Sinne des § 241 Abs. 2 BGB, die auch nach Beendigung des Mietverhältnisses noch fortwirkt, grundsätzlich zur Ausstellung einer Erklärung über das Fehlen von Zahlungsrückständen aus dem Mietverhältnis verpflichtet, denn eine solche Erklärung dient einerseits dem nachvollziehbaren Interesse der Kläger als Mieter, einem künftigen Vermieter die eigene Zahlungsfähigkeit nachzuweisen, andererseits kann sie von der Beklagten als Vermieterin ohne größeren Aufwand erteilt werden.
2. Die Beklagte ist jedoch nicht verpflichtet, sich in ihrer Erklärung auf das Bestehen bzw. Nichtbestehen von Rückständen auf die eigentlich laufende Miete zu beschränken. Vielmehr hat die Beklagte in zulässiger und keineswegs treuwidriger Weise in ihre Erklärung gegenüber der Klägerin zu 1. einen Hinweis auf weitere Zahlungsverpflichtungen der Kläger ihr gegenüber aufgenommen.
Zweck der entsprechenden Bestätigung des Vermieters ist es, gegenüber einem künftigen neuen Vermieter nach dem Erkenntnishorizont des Vorvermieters Auskunft über die Zahlungsfähigkeit der Mieter zu geben. Für deren Zahlungsfähigkeit kommt es nicht allein darauf an, ob die laufend zu zahlenden Mieten aktuell ausgeglichen sind. Etwas anderes kann auch nicht etwa aus der in der Praxis häufig verwendeten Bezeichnung als „Mietschuldenfreiheitsbestätigung“ abgeleitet werden. Zum einen lässt sich aus einer weit verbreiteten Bezeichnung noch keine Rechtspflicht herleiten, zum anderen beruht diese Bezeichnung ersichtlich allein darauf, dass regelmäßig die Zahlung der laufenden Mieten Hauptgegenstand der Erklärung ist.
Bestehen jedoch unstreitig weitere erhebliche Verbindlichkeiten aus einem anderen Rechtsgrund im Zusammenhang mit dem Mietverhältnis, sei es auf Grund von Nachforderungen aus Betriebskostenabrechnungen, sei es wie hier aus vorangegangenen Prozessen im Zusammenhang mit dem Mietverhältnis, berührt dieser Umstand die Zahlungsfähigkeit der Mieter, so dass es sich bei einem Hinweis auf derartige Verbindlichkeiten um einen von dem Zweck der Erklärung gedeckten legitimen Zusatz handelt.
Die Beklagte kann daher nicht zu einer isolierten Erklärung nur hinsichtlich der Rückstände auf laufende Mieten verpflichtet werden.
III. Das Gericht hat gemäß § 511 Abs. 4 ZPO die Berufung gegen das Urteil zugelassen, da es im Hinblick auf die weit verbreitete Praxis in Berlin, den Abschluss eines Mietvertrages von der Vorlage einer so genannten Mietschuldenfreiheitsbescheinigung abhängig zu machen, von grundsätzlicher Bedeutung erscheint, ob der Mieter eine isolierte Erklärung allein zu den laufenden Mieten bzw. Nutzungsentgelten vom Vermieter verlangen kann und insoweit Entscheidungen des Landgerichts hier nicht ersichtlich sind.
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10.05.2016