Leitsatz:
Dem Anspruch des Vermieters auf Zahlung eines Kostenvorschusses für die Durchführung von fälligen Schönheitsreparaturen steht auch bei einer 90-jährigen pflegebedürftigen – ans Bett gefesselten – Mieterin nicht in jedem Fall der Einwand unzulässiger Rechtsausübung gemäß § 242 BGB entgegen.
LG Berlin, Urteil vom 23.3.06 – 62 S 351/05 –
Mitgeteilt von RAin Imke Oevermann
Urteilstext
Aus den Gründen:
… Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Vorschusszahlung zur Durchführung von Schönheitsreparaturen in der von der Beklagten gemieteten Wohnung, mit Ausnahme des so genannten „Kinderzimmers“, in welchem die Beklagte ganz überwiegend aufhältig ist.
Die Verpflichtung zur Durchführung von Schönheitsreparaturen ist gemäß § 2 Ziffer 4 des Mietvertrags der Parteien vom 3.10.1968 wirksam auf die Beklagte abgewälzt worden.
Entsprechend den zutreffenden Ausführungen des Amtsgerichts ist ferner im Hinblick auf die gutachterliche Stellungnahme des Sachverständigen K. vom 17.1.1995 davon auszugehen, dass bereits seit 1994 Renovierungsbedarf besteht, so dass die Schönheitsreparaturen auch fällig sind. Da die Beklagte sich nach einer entsprechenden Dekorationsaufforderung durch die Klägerin mit Schreiben vom 4.5.2005 mit der Erfüllung ihrer Verpflichtung in Verzug befindet, ist die Klägerin berechtigt, die Zahlung eines Vorschusses in Höhe der erforderlichen Renovierungskosten zu verlangen, um ihren Anspruch im Wege der Ersatzvornahme durchzusetzen (vgl. Langenberg in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 8. A., 2003, § 538 Rn 236 m.w.N.; vgl. auch BGH GE 2005, 662).
Entgegen den Ausführungen des Amtsgerichts stellt die Geltendmachung des Anspruchs keine unzulässige Rechtsausübung dar, so dass der Anspruch nicht gemäß § 242 BGB ausgeschlossen ist. Denn unter Abwägung der beiderseitigen Interessen auch im Hinblick auf das hohe Alter und den Gesundheitszustand der Beklagten ist es dieser durchaus zumutbar, dass sämtliche Räume mit Ausnahme des „Kinderzimmers“, in welchem sich die Beklagte ständig bettlägerig aufhält, renoviert werden. Dies ergibt sich aus der Tatsache, dass die Beklagte nach dem Vortrag ihres Betreuers ohnehin an das Bett gefesselt und vollständig pflegebedürftig ist. Es kann daher davon ausgegangen werden, dass sie durch das Geschehen in den Räumen, in welchen sie sich nicht aufhält, nur am Rande betroffen ist. Zwar ist eine gewisse Beeinträchtigung durch Gerüche und Lärm nicht auszuschließen, jedoch überwiegt insoweit das Interesse der K!ägerin an der Herrichtung der mittlerweile völlig verwohnten Wohnung gegenüber diesen eher geringfügigen Beeinträchtigungen der Beklagten. Hinzu kommt, dass es mittelfristig auch dem Gesundheitszustand der Beklagten eher zuträglich ist, wenn wenigstens der überwiegende Teil der Wohnung sich wieder in einem gepflegten Zustand befindet. Da aber die von der Beklagten eingebrachten Einbauten (Wandteppich und Unterdecke im Wohnzimmer) zum vertragsgemäßen Gebrauch gehören bzw. mit Zustimmung der Klägerin erfolgt sind, besteht ein Anspruch auf Rückbau erst zum Ende des Mietverhältnisses. Ein solcher vorzeitiger Rückbau ist nicht Teil der Schönheitsreparaturen. Dementsprechend kann die Klägerin auch insoweit keinen Vorschuss zur Durchführung der diesbezüglichen Arbeiten fordern, so dass die Positionen 1.3 und 1.4 der Kostenberechnung des Sachverständigen R. entfallen. Allerdings bleibt ein Anspruch der Klägerin auf Ersatz der Kosten laut Positionen 2.1 und 2.4 der Kostenberechnung R. auch bezüglich der Wände im Wohnzimmer bestehen. Es ist nicht ersichtlich, dass diese Arbeiten von vornherein sinnlos sind, auch wenn nach Tapezieren und Streichen der Wände der Wandteppich der Beklagten erneut anzubringen ist. Etwas anderes gilt allerdings für den von der Beklagten auf dem Fußboden eingebrachten Teppich bzw. PVC. Diese sind allem Anschein nach nur lose verlegt, so dass die Dielen gestrichen werden können, was auch zu den Schönheitsreparaturen gehört. Die Klägerin ist jedoch gehalten, wenn die Beklagte dies fordert, den Teppich- und PVC-Boden nach dem Streichen der Dielen wieder anzubringen.
Darüber hinaus ist die Beklagte der geltend gemachten Höhe des Vorschussanspruches ihrerseits substantiiert durch Vorlage des Kostenangebotes des Malermeisters H. vom 27.7.2005 entgegengetreten. Nachdem die Klägerin im Termin am 2.3.2006 ihr Einverständnis damit erklärt hat, bei der Berechnung des Kostenvorschusses die Einheitspreise laut Angebot H. zu Grunde zu legen, wird dieses Angebot im Wege der Schätzung (§ 287 ZPO) zu Grunde gelegt.
Es ergeben sich demnach unter Abzug der Kosten für das Kinderzimmer, den Abriss der Einbauten der Beklagten sowie der anteiligen Kosten für das nicht vorhandene Bad laut Schriftsatz der Klägerin vom 3.2.2006 folgende Beträge:
1. | Abrissarbeiten | qm | Einheitspreis Euro | Preis Euro |
1.1 | Abriss Tapete (221 qm – 47,76 qm – 14,92 qm) |
158,33 | 2,20 | 348,33 |
1.2 | Zulage | 71,71 | 1,00 | 71,71 |
1.5 | Abriss Teppich/PVC | 67,34 | 4,00 | 269,36 |
1.6 | Zulage | 33,67 | 1,50 | 50,51 |
Summe: | ——————– 739,91 |
|||
2. | Maler- und Tapezierarbeiten | |||
2.1 | Tapezierarbeiten | 217,34 | 4,40 | 956,30 |
2.2 | Untergrund | incl. | ||
2.3 | Decke/Risse | 18,50 | 8,50 | 157,25 |
2.4 | Wände streichen | 217,34 | 3,55 | 771,56 |
2.5 | Decken streichen | 74,01 | 3,55 | 262,74 |
2.6 | Stuckanstrich | 24,22 | 6,50 | 157,43 |
Summe: | ——————– 2.305,28 |
|||
3. | Fenster/Türen | |||
3.1 | Fenster 3-seitig | 35,19 (11,73 x 3) | 17,50 | 615,83 |
3.2 | Fenster 1-seitig | 4,55 | 17,50 | 79,63 |
3.3 | Fensterbänke | 8,30 | 9,00 | 74,70 |
3.4 | Innentüren | 25,64 (12,82 x 2) | 16,00 | 410,24 |
3.5 | WE-Tür | 2,86 | 16,00 | 45,76 |
3.6 | Abbl. Kammer | 6,60 | 6,00 | 39,60 |
Summe: | ——————– 1.265,76 |
|||
4. | Fußböden | |||
4.1 | Dielen | 74,01 | 9,00 | 666,09 |
4.2 | Fußleisten | 68,38 | 2,70 | 184,63 |
Summe: | ——————– 850,72 |
|||
gesamt: zzgl. 16 % MwSt.: |
5.161,67 825,87 |
|||
Summe: | ——————– 5.987, 54 |
Die Berufung ist daher begründet, soweit die Klägerin die Zahlung eines Kostenvorschusses in Höhe von 5987,54 Euro für die Durchführung von Schönheitsreparaturen in der Wohnung der Beklagen begehrt.
Der Zinsanspruch folgt aus § 291 BGB.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Die Revision zum Bundesgerichtshof wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.
06.02.2016