Leitsatz:
Bei der Begründung eines Mieterhöhungsverlangens mit einem qualifizierten Mietspiegel ist dieser der Mieterhöhung beizufügen. Die Mitteilung des maßgeblichen Mietspiegelfeldes reicht nicht aus. Fehlt die Beifügung des Mietspiegels, ist die Mieterhöhung formal unwirksam.
LG Berlin, Urteil vom 23.11.06 – 62 S 154/06 –
Mitgeteilt von RA Friedrich-Wilhelm Lohmann
Urteilstext
Aus den Gründen:
I.
Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird zunächst auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen, § 540 Abs. 1 ZPO. Ergänzend wird folgendes ausgeführt:
Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz in der Hauptsache um die Erteilung der Zustimmung zu einer Erhöhung der Bruttokaltmiete durch die Beklagten. Das Amtsgericht hat die Klage insoweit mit Urteil vom 4.5.2006, welches dem Kläger am 8.5.2006 zugestellt worden ist, abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, das Mieterhöhungsverlangen vom 29.10.2003 sei zwar formell wirksam, jedoch in materieller Hinsicht fehlerhaft, da der Kläger nicht ausreichend dargetan habe, welche konkreten Betriebskosten zum Zeitpunkt der Abgabe des Zustimmungsverlangens angefallen seien.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner am 8.6.2006 eingelegten und am 10.8.2006 – nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist – begründeten Berufung. Nachdem den Beklagten die klägerische Berufungsbegründung am 17.8.2006 zugestellt worden ist, haben diese am 11.9.2006 Anschlussberufung eingelegt, mit welcher sie in eingeschränktem Umfang ihre erstinstanzlich wegen des Nichteintritts der innerprozessualen Bedingung – Stattgabe der Klage – nicht beschiedene Hilfswiderklage weiterverfolgen.
Der Kläger behauptet,
dem streitgegenständlichen Zustimmungsverlangen sei der Berliner Mietspiegel 2003 beigefügt gewesen. Dieser sei gleichzeitig mit dem streitgegenständlichen Schreiben, welches sich in einem gesonderten Umschlag befunden habe, eingeworfen worden. Zum Beweis für die Richtigkeit seiner Behauptung bezieht er sich auf die Vernehmung der Zeugen R. und B. Er trägt hierzu vor, einer der beiden Zeugen habe ihn seinerzeit beim Einwurf des Mieterhöhungsverlangens in den Briefschlitz der Wohnungseingangstür der Beklagten begleitet.
Er begehrt die Verurteilung der Beklagten, welche vorprozessual bereits einer Erhöhung der Bruttokaltmiete um monatlich 23,56 Euro zugestimmt hatten, zur Zustimmung zur Erhöhung der für die von ihnen genutzte Wohnung geschuldeten monatlichen Bruttokaltmiete um weitere 49,44 Euro auf 615 Euro brutto-kalt.
Die Beklagten begehren die Zurückweisung der Berufung. Mit ihrer Anschlussberufung verfolgen sie ihre Hilfswiderklage in eingeschränktem Umfang weiter. Mit dieser begehren die Beklagten nach Maßgabe des Antrags aus dem Schriftsatz vom 11.9.2006, auf welchen insoweit Bezug genommen wird, die Feststellung ihres Rechts zur Mietminderung für den Fall, dass sie zur Zustimmung zu einer Erhöhung der Miete verurteilt werden.
Der Kläger begehrt die Zurückweisung der Anschlussberufung.
Die Kammer hat Beweis erhoben nach Maßgabe des Beweisbeschlusses vom 2.11.2006 durch Vorlage des Zustimmungsverlangens im Original sowie Vernehmung der Beklagten als Partei. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 23.11.2006 verwiesen.
II.
Die Berufung ist statthaft und zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und – nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist – begründet worden (§§ 511, 513, 517, 519, 520 ZPO).
In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg.
Das Amtsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf weitergehende Zustimmung zu der begehrten Mieterhöhung, da es an einem wirksamen Mieterhöhungsverlangen i.S.d. § 558 a Abs. 1, 3 BGB fehlt. Die Klage ist aus diesem Grund bereits unzulässig.
Gemäß § 558 a Abs. 1 BGB ist das Erhöhungsverlangen dem Mieter in Textform zu erklären und zu begründen. Die Begründung soll dem Mieter die Möglichkeit geben, die sachliche Berechtigung des Erhöhungsverlangens zu überprüfen und auf diese Weise überflüssige Prozesse zu vermeiden (BGH vom 26. Oktober 2005 – VIII ZR 41/05, NJW-RR 2006, 227 m.w.Nachw.). Um diesen Zweck des Begründungserfordernisses zu erreichen, muss der Vermieter Tatsachen vortragen – zu Baujahr, Lage, Beschaffenheit der Wohnung etc. -, die den Mieter in die Lage versetzen, die Behauptung des Vermieters, die derzeit geschuldete Miete sei niedriger als die ortsübliche Miete, zu überprüfen. Nur so kann er innerhalb der Überlegungsfrist entscheiden, ob er dem Begehren zustimmt. Begründet der Vermieter das Mieterhöhungsbegehren mit einem Mietspiegel (§ 558 a Abs. 2 Nr. 1 BGB), so muss der Vermieter die Wohnung in den Mietspiegel einordnen (Flintrop, in: Hannemann/Wiegner, Wohnraummietrecht, § 35 Rn 65). Dabei genügt es, wenn sich die verlangte Miete innerhalb der Spanne des einschlägigen Rasterfeldes bewegt; die Einordnung innerhalb der Spanne muss der Vermieter mithin nicht weiter begründen (Jauernig-Teichmann, BGB, § 558 a Rdbem. a); Gramlich, Mietrecht, § 558 a Rdziff. 2). Darüber hinaus muss er, wenn eine Bruttokaltmiete geschuldet ist, zur Herstellung der Vergleichbarkeit bei einem auf Nettomieten beruhenden Mietspiegel den dort ausgewiesenen Betrag um die tatsächlichen Betriebskosten erhöhen (grundlegend BGH aaO.).
Bei dem von dem Kläger zur Begründung seines Mieterhöhungsverlangens herangezogenen Berliner Mietspiegel 2003 handelt es sich um einen qualifizierten Mietspiegel i.S.d. § 558 d Abs. 1 BGB. Hierfür enthält § 558 a Abs. 3 BGB ein zusätzliches Begründungserfordernis: Enthält ein qualifizierter Mietspiegel Angaben für die Wohnung, so hat der Vermieter in seinem Mieterhöhungsverlangen diese Angaben auch dann mitzuteilen, wenn er die Mieterhöhung auf ein anderes Begründungsmittel nach Absatz 2 stützt. Ein Verstoß gegen diese Vorschrift macht das Erhöhungsverlangen formell unwirksam. (LG München I NJW 2002, 2885; Schmidt-Futterer/Börstinghaus, MietR, § 558 a Rn 167; Jauernig-Teichmann, BGB, § 558 a Rdbem. a); Artz, in: Münchner Kommentar zum BGB, § 558 a Rn 36).
Die Angaben des qualifizierten Mietspiegels sind stets mitzuteilen, nicht nur dann, wenn der Vermieter sich anderer Begründungsmittel bedient (ebenso Jauernig-Teichmann, BGB, § 558 a Rdbem. a); Gramlich, aaO.; a.A. wohl Schmidt-Futterer/Börstinghaus, aaO., Rn 157; Flintrop, in: Hannemann/Wiegner, Wohnraummietrecht, § 35 Rn 84;). Dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut des Gesetzes („auch dann, wenn“). Zudem wird durch die Mitteilung der maßgeblichen Angaben die Vermutungswirkung des § 558 d Abs. 3 BGB ausgelöst (Artz, in: Münchner Kommentar zum BGB, aaO.). Vorliegend hat der Kläger lediglich in dem Mieterhöhungsverlangen mitgeteilt, die streitgegenständliche Wohnung sei in das Rasterfeld J 1 des Berliner Mietspiegels 2003 einzuordnen. Jedwede weitere Angaben – in Bezug auf die Einordnung der Wohnung in den Mietspiegel – fehlen. Weder wird die Spanne des Rasterfeldes angegeben, noch die maßgeblichen Tatsachen dazu vorgetragen, warum gerade das Rasterfeld J 1 einschlägig sein soll. Dies genügt dem Begründungserfordernis nicht. Es kann dahinstehen, ob nicht ohnehin weitere Angaben zu Lage und Beschaffenheit der Wohnung, Baujahr des Hauses etc. erforderlich gewesen wären. Jedenfalls aber hätte der Kläger die Spannenwerte des in Bezug genommenen Rasterfeldes angeben müssen (vgl. insoweit auch Schmidt-Futterer/Börstinghaus, aaO., § 558 a Rn 165). Denn dies ist die Mindestangabe, die der qualifizierte Mietspiegel enthält und die den Beklagten jedenfalls die Prüfung ermöglicht hätte, ob die geforderte Miete sich im Rahmen der ortsüblichen Vergleichsmiete hält. Diesen Mangel hätte der Kläger nur dadurch heilen können, dass er dem Erhöhungsverlangen den Mietspiegel beifügt (krit. Schmidt-Futterer/Börstinghaus, aaO., Rn 44). Zwar ist dies, wenn der Mietspiegel allgemein – kostenlos – zugänglich ist, regelmäßig nicht erforderlich; es reicht die Bezugnahme (LG Berlin MM 2001, 151; WuM 1990, 519; GE 1991, 521; a.A. AG Charlottenburg GE 1992, 1103). Dies gilt jedoch dann nicht, wenn es sich um einen qualifizierten Mietspiegel handelt, denn dann gilt eben vorrangig § 558 a Abs. 3 BGB.
Der Kläger hat den erforderlichen Nachweis, dass der Berliner Mietspiegel 2003 dem streitgegenständlichen Erhöhungsverlangen beigefügt war, nicht geführt. Aus dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme folgt nicht zur Überzeugung der Kammer, dass der Kläger neben dem Schreiben vom 29.10.2003 zugleich auch ein Exemplar des Mietspiegels in den Briefschlitz der Wohnung der Beklagten geworfen hat. Der Beklagte zu 2) konnte im Rahmen seiner Parteivernehmung hierzu keinerlei Angaben machen, da er bereits zum damaligen Zeitpunkt die streitgegenständliche Wohnung nicht mehr bewohnte. Aber auch die Beklagte zu 1) hat die klägerische Behauptung nicht bestätigt. Nach ihren Angaben hat sie den Mietspiegel nicht erhalten. Erst vom Mieterverein habe sie sich ein Exemplar desselben beschafft. Selbst wenn nicht gänzlich auszuschließen ist, dass die Beklagte den Mietspiegel möglicherweise versehentlich als Werbung entsorgt hat, ohne ihn zur Kenntnis zu nehmen, so vermag dies gleichwohl die Überzeugung der Kammer, dass es sich tatsächlich so zugetragen hat und der Kläger den Mietspiegel mit dem Schreiben zugestellt hat, nicht zu stützen. Denn beweispflichtig für den Zugang des ordnungsgemäß begründeten Zustimmungsverlangens ist der Kläger. Er muss den positiven Nachweis hierfür führen. Verbleibende Zweifel gehen daher zu seinen Lasten.
Die Kammer war nicht gehalten, den weiteren Beweisangeboten des Klägers nachzugehen. Auf den angetretenen Urkundsbeweis war nicht einzugehen, weil der Kläger zuvor selbst schon klargestellt hatte, dass der Mietspiegel nicht Bestandteil des eigentlichen Erhöhungsverlangens war. Stattdessen waren die Beklagten als Partei zu vernehmen. Zwar ist die Parteivernehmung nach § 445 ZPO subsidiär (§ 450 Abs. 2 ZPO), d.h., sie kommt erst dann in Betracht, wenn keine anderweitigen Beweismittel zur Verfügung stehen oder keinen Beweis erbracht haben (Zöller-Greger, ZPO, § 445 Rn 3). Das Gericht kann daher, wenn neue Beweismittel vorgebracht werden, die Ausführung des Beweisbeschlusses gemäß § 450 Abs. 2 ZPO aussetzen. Hierzu ist es jedoch jedenfalls dann keinesfalls verpflichtet, wenn das Beweismittel gemäß § 296 ZPO als verspätet zurückzuweisen ist (Zöller-Greger, ZPO, § 450 Rn 3) oder aber aus anderen Gründen untauglich ist. So liegt der Fall hier. Bereits im Termin am 2.11.2006 haben die Beklagten nach Erteilung des diesbezüglichen rechtlichen Hinweises (§ 139 Abs. 1 ZPO) bestritten, dass ihnen der Mietspiegel übersandt worden ist. Daraufhin hat die Kammer den Beweisbeschluss nach §§ 358, 450 Abs. 1 ZPO gefasst. Erst in der mündlichen Verhandlung vom 23.11.2006 hat der Kläger sodann zwei Zeugen benannt, von denen einer bei der Zustellung des Mieterhöhungsverlangens zugegen gewesen sein soll. Welcher Zeuge das war, konnte der Kläger nicht mehr sagen. Damit liegt aber ein unzulässiger Ausforschungsbeweis vor, dessen Erhebung nicht gestattet ist. Ein solcher ist dann gegeben, wenn durch die Befragung des Zeugen erst der eigentliche Parteivortrag ermittelt werden soll. Hier hätte es dem Kläger oblegen, zunächst – ggf. durch Nachfragen bei den Zeugen – seinen Vortrag zu konkretisieren. Zudem war der Beweisantritt verspätet. Seine Erhebung würde, da der Kläger die Zeugen nicht zum Termin gestellt hat und hinsichtlich des Zeugen B. auch keine ladungsfähige Anschrift benannt oder aus den Akten zu entnehmen ist, einen neuen Termin erforderlich machen und damit das Verfahren verzögern.
Da somit die Klage mangels formell ordnungsgemäßen Erhöhungsbegehrens insofern unzulässig war, bedurfte es eines Eingehens auf dessen materielle Begründetheit nicht. Ein wirksames neues Mieterhöhungsverlangen im Prozess hat der Kläger nicht abgegeben. Die Beklagten waren durch die von ihnen erteilte Teilzustimmung auch nicht gehindert, sich auf die Unwirksamkeit des Erhöhungsverlangens zu berufen. Denn eine über die hierdurch begründete Vertragsänderung (vgl. dazu Schmidt-Futterer/Börstinghaus, aaO., Rn 167) hinausgehende Bindungswirkung i.S.e. Einwendungsausschlusses ist damit nicht verbunden.
Über die Anschlussberufung war nicht zu entscheiden. Denn mit dieser verfolgen die Beklagten ihre Hilfswiderklage weiter, die nur für den Fall zur Entscheidung des Gerichts gestellt ist, dass die Berufung erfolgreich ist und der Klage in Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung – zumindest teilweise – stattgegeben wird. In erster Linie haben sie jedoch die Zurückweisung der Berufung beantragt. Damit stellt die Anschlussberufung der Beklagten aber eine – zulässige (BGH NJW 1984, 1240) – Hilfsanschlussberufung dar (vgl. Zöller-Gummer/Heßler, ZPO, § 524 Rn 17), deren innerprozessuale Bedingung vorliegend nicht eingetreten ist.
Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 97 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision zum Bundesgerichtshof wird zugelassen, da die hier entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat und höchstrichterlich bislang nicht geklärt ist.
15.05.2017