Leitsätze:
1. Der Mieter hält die Einwendungsausschlussfrist des § 556 Abs. 3 Satz 5 und 6 BGB nicht ein, wenn er gegen die Betriebskostenabrechnung nur ganz allgemein Widerspruch einlegt.
2. Der Vermieter ist nicht gehalten, dem Mieter die Möglichkeit weiterer Einwendungen dadurch offen zu halten, dass er noch vor Ablauf der Einwendungsfrist Klage auf Zahlung erhebt.
LG Berlin, Urteil vom 27.11.06 – 67 S 229/06 –
Mitgeteilt von RA Andreas Volkmann
Urteilstext
Aus den Entscheidungsgründen:
… d) Die Beklagten tragen Einwendungen gegen die Berechtigung der Kostenansätze vor, mit denen sie gemäß § 556 Abs. 3 Satz 5 und 6 BGB ausgeschlossen sind. Danach hat der Mieter dem Vermieter seine Einwendungen gegen die Abrechnung spätestens bis zum Ablauf des zwölften Monats nach Zugang der Abrechnung mitzuteilen. Nach Ablauf dieser Frist kann der Mieter Einwendungen nicht mehr geltend machen, es sei denn, der Mieter hat die verspätete Geltendmachung nicht zu vertreten. Der Mieter muss seine Einwendungen konkret vortragen. Er muss gegenüber dem Vermieter klar und eindeutig zum Ausdruck bringen, welche Punkte einer Nebenkostenabrechnung er für aufklärungsbedürftig oder gar für unberechtigt hält. Wie im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zum Ausdruck gekommen ist, sollte mit der Einführung eines Einwendungsausschlusses nach Ablauf einer Zeit von einem Jahr verhindert werden, dass der Mieter erst einige Jahre nach Erteilung der Abrechnung in einem Rechtsstreit mit Einwendungen wegen angeblich unrichtiger Angaben hervortritt und es wegen des Zeitablaufs zu besonders aufwendigen und oft unergiebigen Beweisaufnahmen kommt. Dies sei nicht nur für die Gerichte belastend, sondern auch für die Prozessparteien in hohem Maße unbefriedigend, wenn letztlich nach einer zeit- und kostenträchtigen Beweisaufnahme über lange zurückliegende Nebenkostenabrechnungen nach der Beweislast entschieden werden müsse (Stellungnahme des Bundesrates zu § 556 Abs. 3 Satz 5 und 6, Bundestags-Drucksache 14/4553 Anlage 2, abgedruckt bei Beuermann, Das neue Mietrecht 2001, Seit 119). Aus dieser gesetzgeberischen Intention folgt, dass es nicht genügt, wenn der Mieter gegen eine Abrechnung nur ganz allgemein Widerspruch einlegt. Er muss seine Einwendungen so konkret vortragen, dass der Vermieter darauf reagieren und seine Abrechnung dem Mieter zusätzlich erläutern oder sie unter Umständen auch korrigieren kann. Nur so wird das Ziel der Vorschrift erreicht, den sich anbahnenden Streit der Parteien des Mietvertrages über den Inhalt der Nebenkostenabrechnung innerhalb einer angemessenen Frist auf die wesentlichen Punkte zu konzentrieren und zu einer Klärung zu führen. Nach Ablauf der Jahresfrist kann der Mieter keine weiteren Einwendungen erheben, auf die er sich vorher nicht berufen hat.
e) Die Einwendungen der Beklagten im Lauf des Rechtsstreits betreffen im wesentlichen die Kosten der Beheizung, die auf die Mieter umgelegt werden. Es wird zum einen die Berechtigung der Kostenansätze bestritten, zum anderen wird der Vorwurf der Unwirtschaftlichkeit erhoben. Mit diesen Einwendungen sind die Beklagten ausgeschlossen, wie das Amtsgericht zutreffend ausgeführt hat. In den beiden Schreiben der Beklagten vom 17. Januar 2004 und 30. Dezember 2004 haben die Beklagten Einwendungen erhoben, die nicht die jetzt streitigen Punkte betreffen. Es findet sich kein Einwand in Bezug auf die mangelnde Berechtigung der angesetzten Kosten. Die Beklagten können sich nicht darauf berufen, dass ihnen die Form der Bereitstellung von Heizenergie durch ein von einem Unternehmen betriebenes Blockheizkraftwerk und die Aufteilung des Wärmepreises in Jahresgrundpreis, Arbeitspreis und Messpreis nicht bekannt gewesen sei. Sie selbst haben mit Schriftsatz vom 3. Mai 2006 den Wärmelieferungsvertrag eingereicht, den die Klägerin mit der Firma B… GmbH am 6. August 1998 geschlossen hat. Diesem Vertrag war für die Beklagten zu entnehmen, dass der Jahresgrundpreis für die Vorhaltung der Heizstation 25.300,00 DM zuzüglich Mehrwertsteuer, der Arbeitspreis für die gelieferte Wärmemenge 52,4 DM/MWh zuzüglich Mehrwertsteuer und der Jahresgrundpreis für das Vorhalten und Warten der erforderlichen Messeinrichtungen 1.200,00 DM zuzüglich Mehrwertsteuer betrug (§ 5). Diesem Vertrag konnten sie auch die Preisänderungsklauseln entnehmen.
ea) Die Beklagten können nicht geltend machen, dass sie mit ihren Einwendungen zum Ausdruck gebracht haben, dass sie mit den Abrechnungen nicht einverstanden seien. Es geht nicht darum, ob auf Seiten der Klägerin eine schützenswerte Rechtsposition entstanden sei und sie deshalb auf den Bestand der Nebenkostenabrechnungen vertrauen konnte. Es kommt auch nicht darauf an, ob eine sachliche Auseinandersetzung unterblieben sei, weil die Klägerin mehrere Jahre untätig geblieben sei. Eine sachliche Auseinandersetzung ist deswegen unterblieben, weil die Beklagten die zahlreichen Einwände, die sie jetzt im Rahmen des Rechtsstreits vortragen, nicht schon bei ihren damaligen Einsprüchen vorgetragen haben. Ein Vertrauenstatbestand entsteht zugunsten der Klägerin dadurch, dass sie nicht damit rechnen muss, dass die Beklagten mit neuen Einwendungen hervortreten. Aufgrund der Vorschrift des § 556 Abs. 3 Satz 5 und 6 BGB waren sie gehalten, alle Einwendungen vorzutragen, die ihnen erheblich erschienen. Das Vertrauen der Beklagten in Bezug auf ihre Einwendungen wird von Gesetzes wegen nur für diejenigen Einwendungen geschützt, die sie fristgemäß vorgetragen haben.
eb) Die Beklagten können sich nicht darauf berufen, dass dem Zahlungsverlangen der Klägerin der Einwand der Verwirkung entgegenstehe, weil sie die Forderungen aus den Abrechnungen erst nach Ablauf der Einwendungsfrist geltend gemacht hätten. Die Verjährungsfrist für Ansprüche aus Nebenkostenabrechnungen beträgt gemäß § 195 BGB drei Jahre. Sie beginnt gemäß § 199 Abs. 1 BGB am Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist. Eine schleichende Verkürzung dieser Verjährungsfrist durch die Einwendungsfrist des Mieters findet nicht statt. Der Vermietet kann durchaus abwarten, welche Einwendungen der Mieter innerhalb der Frist erheben wird, zu diesen Stellung nehmen, die Abrechnung nachträglich erläutern, sie gegebenenfalls ändern und darauf warten, dass der Mieter dann freiwillig zahlt. Er kann auch warten, ob der Mieter innerhalb der Frist weitere Einwendungen erhebt, zum Beispiel, nachdem er in die Unterlagen des Vermieters Einsicht genommen hat. Erst wenn nach dem Ablauf der Frist eine Einigung über die strittigen Punkte nicht herbeigeführt worden ist, kann der Vermieter seinen Anspruch gerichtlich geltend machen. Er kann dann sicher sein, dass mit Erfolg vor Gericht nur noch über die Punkte gestritten wird, die schon im Vorfeld des Prozesses streitig waren, und er nicht damit rechnen muss, dass noch ganz andere Punkte vorgetragen werden. Ein Vermieter ist nicht gehalten, dem Mieter die Möglichkeit weiterer Einwendungen dadurch offen zu halten, dass er vor Ablauf der Einwendungsfrist eine Klage auf Zahlung erhebt. …
ef) Je nach der Schwierigkeit der Materie muss der Mieter sich sachkundig machen, um begründete Einwendungen erheben zu können. Dazu ist erforderlich, dass er in die Unterlagen des Vermieters Einsicht nimmt. Was den Vorwurf der Unwirtschaftlichkeit anbetrifft, ist dieser Einwand für den Mieter sowohl vor dem Prozess als auch innerhalb des Prozesses nicht leicht zu führen. Um seinen Vorwurf sachlich begründen zu können, muss er sich die notwendigen Informationen beschaffen, notfalls mit Hilfe des Erfahrungswissens von Mieterorganisationen. Welchen Aufwand ein Mieter vor dem Beginn des Rechtsstreits treiben muss, um sich diesen Einwand zu erhalten, kann vorliegend dahinstehen. Denn hier haben die Beklagten nicht einmal ansatzweise vorgerichtlich geltend gemacht, dass ihnen die Heizkosten im Vergleich zu anderen mit Nahwärme versorgten Objekten aIs überhöht erscheinen. …
23.02.2013