Wenn sich über 500 Delegierte aus 320 Mietervereinen gegen Ende des Monats Mai südlich des Weißwurstäquators treffen, hoffen sie auf schönes Wetter und Biergartenatmosphäre. Aus der Hoffnung wurde nichts. Für die kalten Außentemperaturen wurden die Delegierten des diesjährigen Deutschen Mietertags in München allerdings durch ein mediales und politisches Umfeld entschädigt, das nichts mehr von der sozialen Kälte der vergangenen Jahre spüren ließ.
Münchens Bürgermeister Christian Ude lieferte denn auch gleich zu Beginn die Erklärung für den Atmosphärenwechsel, der „ohne einen doppelten Wahltermin schwerlich zu erklären wäre.“ Kanzlerkandidat Peer Steinbrück (SPD) sekundierte unter Beifall: „Manchmal habe ich das Gefühl, dass das lückenhafte Kurzzeitgedächtnis der größte Unterstützer der Bundesregierung ist.“ Dem Mieterbund wird der Gedächtnisverlust recht sein, wenn er dazu führt, dass ehemals strikt abgelehnte Forderungen wie die Begrenzung von Mieterhöhungsmöglichkeiten auf 15 Prozent nun offizielle Regierungspolitik sind und selbst die bayrische Staatsministerin für Justiz und Verbraucherschutz Beate Merk einräumte, dass „man über Regelungen bei Neuvermietungen reden müsse“. Ja, es ist Wahlkampf, und manche politische Stimme klingt wärmer und mieterfreundlicher.
Einig waren sich alle Redner des Mietertags über eine bedrohliche Situation bei der Mietpreisentwicklung in vielen Großstädten. Die Ursachen für diese Situation sah Christian Ude vor allem in der Kombination von großem Geld- und Bevölkerungszuwachs. Neben dem weltweit vagabundierenden Kapital vor und nach der Finanzkrise habe „die Flucht in die Sachwerte zur Folge, dass in begehrten Städten die Immobilienpreise regelrecht explodieren.“ Franz-Georg Rips, Präsident des Deutschen Mieterbundes, fand für seine Begrüßungsforderung nach „mehr bezahlbaren Wohnungen und einem sozial gerechten Mietrecht“ schon mehr offene Türen vor als in allen Vorjahren zusammen.
In dieser durch die öffentliche Veranstaltung vorgewärmten Atmosphäre ließ sich denn auch das riesige Antragspaket des Deutschen Mietertags kämpferisch, diszipliniert und in kollegialer Stimmung abarbeiten. Die deutliche Erhöhung des Sozialen Wohnungsbauvolumenss und die Diskussion über den Aufbau einer neuen Wohnungsgemeinwirtschaft in Deutschland wurden ebenso einhellig beschlossen wie jene Mietrechtsänderungen, für die man derzeit erstaunlich offene Ohren findet. Dem zunächst gefassten Beschluss einer wirksamen Begrenzung der Wiedervermietungsmieten bei 10 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete wurde durch das Plenum anschließend die noch radikalere Herabsenkung auf 5 Prozent zur Seite gestellt. Wie zu erwarten, hat die jüngste Entwicklung nicht nur Politikerköpfe, sondern auch den Kampfgeist der Organisation aufgeheizt.
ah
MieterMagazin 7+8/13
Deutscher Mietertag in München: Vor einer Wahl sind Politiker-Reden freundlicher
Foto: Bernd Bohlen
16.08.2013