„Hallöööchen, Frau Nachbarin“, orgelte Helmut Krafczyk* und ließ sich deutlich angesäuselt durch das weit geöffnete Fenster ins Schlafzimmer von Susanne L. plumpsen. Triumphierend schwenkte er eine Flasche Jägermeister. „Ick hab‘ noch Licht bei Ihnen jesehn, da dacht‘ ick mir, könnten wa doch glatt mein‘ Jeburtstag zusamm‘ feiern, wa? Dit is aba auch praktisch mit dem Baugerüst hier, nä, so schön luftig, kommen Se doch mit raus, denn können wa zusammen den Sternenhimmel angucken.“ Krafczyk strahlte über beide Backen.
Seine Nachbarin, die vor dem Schlafengehen noch gemütlich gelesen hatte, fing an zu schreien und prügelte unter Schock mit dem Buch auf den Eindringling ein, bis der sich auf das Gerüst zurückzog. Auch bei geschlossenem Fenster krakeelte Krafczyk draußen weiter. Sie rief die Polizei und am nächsten Morgen ihren Vermieter an, der gegenüber Helmut Krafczyk die fristlose Kündigung aussprach und die Wohnungsräumung beantragte. Der protestierte vor Gericht: Es habe sich doch nur um einen harmlosen Streich gehandelt. Und überhaupt – in Bayern gehöre das „Fensterln“ doch sogar regelrecht zur kulturellen Praxis.
Wie hätten Sie entschieden?
Das Gericht sah die Kündigung als wirksam an: Neben der strafrechtlichen Relevanz (Hausfriedensbruch, gegebenenfalls auch sexuelle Belästigung) gehöre das Eindringen in fremde Wohnungen jenseits des Weißwurst-Äquators nicht zum kulturellen Brauchtum. Krafczyks Verhalten und die anschließende Verharmlosung als „Streich“ seien als eindeutige und schwerwiegende Pflichtverletzung im Rahmen seines Mietvertrags zu werten.
Elke Koepping
AG Frankfurt/Main vom 30. November 1999 – 33 C 2982/99-67 –
* Name von der Redaktion geändert
MieterMagazin 7+8/13
Illustration: Julia Gandras
16.08.2013