Leitsatz:
Wer muss die Betriebskostennachforderungen bezahlen, wenn der Mieter in Insolvenz fällt und der Insolvenzverwalter die Wohnung freigibt?
AG Charlottenburg vom 24.11.2010 – 215 C 88/10 –
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Am 14. Oktober 2008 wurde die Verbraucherinsolvenz über das Vermögen des Mieters eröffnet und ein Treuhänder, also ein Insolvenzverwalter im Verbraucherinsolvenzverfahren, bestellt. Der Treuhänder schrieb am 6. November 2008 Folgendes an den Vermieter: „Gemäß § 109 Absatz 1 Satz 2 InsO erkläre ich hiermit, dass Ansprüche, die nach Ablauf der in § 109 Absatz 1 Satz 1 InsO genannten Frist (das ist – längstens – die gesetzliche Kündigungsfrist oder eine etwa kürzere vertragliche Frist) fällig werden, nicht im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden können!“
Mit Schreiben vom 29. September 2009 rechnete der Vermieter über die Heizkosten für das Jahr 2008 ab und errechnete eine Nachforderung zu Lasten des Mieters in Höhe von 593,53 Euro.
Zu Recht, wie das Amtsgericht entschied: Die Erklärung des Treuhänders bewirke, dass Ansprüche, die ab dem 1. März 2009 fällig wurden, nicht mehr im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden konnten. Daraus folge, dass diese Forderungen ohne Rücksicht auf das Insolvenzverfahren auf dem ordentlichen Rechtsweg dem Insolvenzschuldner (dem Mieter) gegenüber geltend gemacht werden können, sodass die Erklärung des Treuhänders damit die Freigabe dieser Forderungen nach sich ziehe. Die hier maßgeblichen Forderungen seien sämtlich nach dem 1. März 2009 fällig geworden. Die Heizkostenabrechnung datiere vom 29. September 2009, so dass die daraus resultierende Nachforderung erst ab Zustellung dieser Erklärung fällig werden konnte. Sämtliche streitgegenständlichen Forderungen seien daher von der Freigabeerklärung durch den Treuhänder erfasst.
Der insolvente Mieter musste also die knapp 600 Euro aus seinem pfändungsfreien Einkommen bestreiten.
Urteilstext
Zum Sachverhalt:
Mit Beschluss des Amtsgerichts Charlottenburg vom 14. Oktober 2008 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Beklagten eröffnet und Rechtsanwalt Dr. J.H. zum Insolvenzverwalter bestellt. Dieser teilte mit an die klägerische Hausverwaltung gerichtetem Schreiben vom 6. November 2008 Folgendes mit: „Gemäß § 109 Abs. 1 Satz 2 InsO erkläre ich hiermit, dass Ansprüche, die nach Ablauf der in § 109 Abs. 1 Satz 1 InsO genannten Frist (das ist – längstens – die gesetzliche Kündigungsfrist oder eine etwa kürzere vertragliche Frist) fällig werden, nicht im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden können!“.
Die Beklagte zahlt derzeit einen Mietzins von 628,98 Euro brutto/kalt zuzüglich eines Heizkostenvorschusses, der sich jedenfalls bis Oktober 2009 einschließlich auf 86,67 Euro monatlich belief. … Mit Schreiben vom 29. September 2009 rechnete die klägerische Hausverwaltung über die Heizkosten für das Jahr 2008 ab und errechnete eine Nachforderung zu Lasten der Beklagten in Höhe von 593,53 Euro. Die klägerische Hausverwaltung forderte die Bekl. zur Zahlung dieser Nachforderung innerhalb von 14 Tagen auf und erklärte weiterhin unter Bezugnahme auf § 560 BGB eine Anpassung der Vorauszahlungen ab 1.11.2009 auf 136, 67 Euro monatlich, also eine Erhöhung um 50 Euro. …
Aus den Gründen:
Die Klage ist zulässig und mit Ausnahme eines geringen Teils der Zinsforderung vollständig begründet. …
Das hiesige Verfahren ist auch nicht gemäß § 240 ZPO durch das am 14. Oktober 2008 über das Vermögen der hiesigen Beklagten eröffnete Insolvenzverfahren unterbrochen. Der vom Amtsgericht Charlottenburg im Eröffnungsbeschluss eingesetzte Insolvenzverwalter Rechtsanwalt Dr. H. hat mit Schreiben vom 6. November 2008 gegenüber der klägerischen Hausverwaltung unter Verweis auf § 109 Abs. 1 Satz 2 InsO erklärt, „dass Ansprüche, die nach Ablauf der in § 109 Abs. 1 Satz 2 InsO genannten Frist … fällig werden, nicht im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden können!“. Die dabei genannte Frist lehnt sich gemäß § 109 Abs. 1 Satz 2 InsO an die Frist zur ordentlichen Kündigung von – bei fehlender Vereinbarung einer kürzeren Frist – drei Monaten zum Monatsende an, so dass die Erklärung des Insolvenzverwalters vorliegend bewirkt, dass Ansprüche, die ab dem 1. März 2009 fällig wurden, nicht mehr im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden konnten. Daraus folgt, dass diese Forderungen ohne Rücksicht auf das Insolvenzverfahren auf dem ordentlichen Rechtsweg der Insolvenzschuldnerin gegenüber geltend gemacht werden können, sodass die Erklärung des Insolvenzverwalters damit die Freigabe dieser Forderungen nach sich zieht.
Die hier maßgeblichen Forderungen sind aber sämtlich nach dem 1. März 2009 fällig geworden. So stammt das Zustimmungsverlangen erst vom 25. November 2009, die verlangte Zustimmung soll zum 1. Februar 2010 erfolgen. Die Heizkostenabrechnung datiert vom 29. September 2009, so dass die daraus resultierende Nachforderung erst ab Zustellung dieser Erklärung fällig werden konnte. Schließlich sollte die darauf begründete Erhöhung der Vorschüsse zum 1. November 2009 erfolgen, streitgegenständlich sind sogar nur die Vorschusserhöhungen ab Januar 2010.
Sämtliche streitgegenständlichen Forderungen sind daher von der Freigabeerklärung durch den Insolvenzverwalter erfasst.
05.01.2018