Auch künftig wird in 16 Großsiedlungen des Sozialen Wohnungsbaus bei der Vermietung auf den Wohnberechtigungsschein (WBS) verzichtet. Was eine bessere soziale Durchmischung bewirken soll, geht im Grunde auf Kosten der Wohnungssuchenden mit kleinerem Portmonee. Die Regelung sei angesichts der derzeitigen Wohnungsnot nicht mehr zeitgemäß, heißt es daher beim Berliner Mieterverein (BMV).
Weiterhin von Belegungsbindungen freigestellt bleiben rund 34 300 Sozialwohnungen in 16 Großsiedlungen, darunter die Heinrich-Zille-Siedlung in Mitte, die Heerstraße in Spandau und die Rollbergsiedlung in Neukölln. Das bedeutet, dass für den Bezug dieser Wohnungen kein WBS erforderlich ist. Eine Fehlbelegungsabgabe wird in Berlin ohnehin nicht mehr verlangt. Um das Sozialgefüge zu verbessern und eine Ghettobildung zu vermeiden, wolle man bewusst „Zuzugsanreize“ für einkommensstärkere Haushalte schaffen, so Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD). Doch ob solche Anreize angesichts eines leergefegten Wohnungsmarkts überhaupt noch angebracht sind, darf bezweifelt werden.
Zumindest die Sozialbauten in attraktiver Lage werden von Besserverdienenden längst nicht mehr verschmäht. Bestes Beispiel: das „Pallasseum“ in Schöneberg, wo in den letzten Jahren verstärkt einkommensstärkere Mieter zugezogen sind.
Es sei absurd, dass man die Wohnungen nicht für die Bedürftigen reserviere, kritisiert BMV-Geschäftsführer Reiner Wild. „In Konkurrenz zu gut verdienenden Haushalten werden sie zwangsläufig den Kürzeren ziehen, denn Vermieter entscheiden sich praktisch immer für den solventeren Bewerber.“ Ohnehin liegen mindestens 60 Prozent aller Berliner Haushalte innerhalb der Einkommensgrenzen des Wohnberechtigungsschein.
Birgit Leiß
MieterMagazin 10/13
„Pallasseum“: Innerstädtische Sozialwohnungen geraten zunehmend auch in das Blickfeld Besserverdienender
Foto: Paul Glaser
07.11.2013