Leitsätze:
a) Bei der Beurteilung des Vorliegens eines Mangels der Mietsache ist, wenn Parteiabreden zur Beschaffenheit der Mietsache fehlen, jedenfalls die Einhaltung der maßgeblichen technischen Normen geschuldet. Dabei ist nach der Verkehrsanschauung grundsätzlich der bei Errichtung des Gebäudes geltende Maßstab anzulegen (Bestätigung von BGH, Urteile vom 6. Oktober 2004 VIII ZR 355/03, NJW 2005, 218 unter II 1; vom 17. Juni 2009 – VIII ZR 131/08, NJW 2009, 2441 Rn. 9 f.; vom 7. Juli 2010 – VIII ZR 85/09, NJW 2010, 3088 Rn. 12 f.; vom 1. Juni 2012 – V ZR 195/11, NJW 2012, 2725 Rn. 10).
b) Nimmt der Vermieter bauliche Veränderungen an einem älteren Gebäude vor, so kann der Mieter, sofern nicht etwas anderes vereinbart ist, nur dann erwarten, dass der Tritt- und Luftschallschutz anschließend den höheren Anforderungen der zurzeit der baulichen Veränderungen geltenden DIN-Normen genügt, wenn die Maßnahmen von der Intensität des Eingriffs in die Gebäudesubstanz her mit einem Neubau oder einer grundlegenden Veränderung des Gebäudes vergleichbar sind (Bestätigung der Senatsurteile vom 6. Oktober 2004 – VIII ZR 355/03, aaO; vom 17. Juni 2009 – VIII ZR 131/08, aaO Rn. 12).
c) Zu der Frage, ob eine erhebliche Minderung der Tauglichkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch vorliegt, wenn der Tritt- oder Luftschallschutz einer Mietwohnung die Mindestwerte der anzuwendenden DIN-Normen um nicht mehr als ein Dezibel unterschreitet.
BGH vom 5.6.2013 – VIII ZR 287/12 –
Langfassung: www.bundesgerichtshof.de [PDF, 15 Seiten]
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Der Mieter wohnte seit 1985 in einem Gebäude, dass 1952 wieder neu aufgebaut wurde. 2003 ließ der Vermieter in der darüber gelegenen Dachgeschosswohnung Bauarbeiten durchführen, durch die dann zwei Wohnungen entstanden. Auf einer Fläche von 21 Quadratmetern wurde der Estrich entfernt und erneuert. Auf Flächen von 96 beziehungsweise 59 Quadratmetern wurde der Estrich lediglich abgeschliffen und verspachtelt, um die Verlegung eines neuen Bodenbelages zu ermöglichen. Der Mieter bemängelte in der Folgezeit eine unzureichende Schallisolierung seiner Wohnung zu den beiden Dachgeschosswohnungen und minderte die Miete um 20 Prozent.
Dies sah der BGH anders: Hätten Mieter und Vermieter keine konkrete Vereinbarung zum Schallschutz getroffen, gelte der Schallschutz als vertragsgemäß, der den technischen Normen entspreche, die bei Errichtung des Gebäudes galten. Ein Mangel im Schallschutz liege dann nicht vor. Baue der Vermieter allerdings das Haus komplett um, stocke er das Haus zum Beispiel um eine Dachgeschosswohnung auf, müsse er hierfür die aktuellen, zum Zeitpunkt der Aufstockung geltenden DIN-Normen einhalten.
Vorliegend habe der Vermieter aber lediglich kleinere Umbauarbeiten durchgeführt, aus einer Dachgeschosswohnung zwei Wohnungen gemacht und Estrich lediglich auf 12 Prozent der Grundfläche entfernt und erneuert. Diese Maßnahmen seien von der Intensität des Eingriffs in die Gebäudesubstanz her mit einem Neubau oder einer grundlegenden Veränderung des Gebäudes nicht vergleichbar. Der Mieter könne deshalb nicht erwarten, dass die Baumaßnahme so ausgeführt werde, dass der Schallschutz anschließend den höheren Anforderungen der zurzeit der Durchführung der Arbeiten geltenden DIN-Normen genüge.
Jedoch ergab die Messung auch auf Grundlage der alten DIN 4109, Ausgabe 1944, eine Überschreitung der maßgeblichen Werte, allerdings nur um ein Dezibel. Hieraus folge – so der BGH – aber nicht, dass die Wohnung des Mieters insoweit einen Mangel aufweise, der ihre Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch aufhebe oder zumindest (erheblich) mindere. Denn nach der in der Rechtsprechung einhellig vertretenen Auffassung komme einer Überschreitung eines Schallschutzgrenzwertes um lediglich ein Dezibel im Regelfall schon deshalb keine entscheidende Bedeutung zu, weil nach allgemeinen Erkenntnissen der Akustik eine Änderung des Schallpegels in dieser Größenordnung für das menschliche Ohr kaum wahrnehmbar sei.
08.05.2017