Leitsätze:
1. Eine Wohnungsbaugenossenschaft darf von ihren Mietern neben dem Genossenschaftsanteil auch die Leistung einer Mietkaution verlangen. § 551 Absatz 1 BGB steht dem nicht entgegen.
2. Weder der genossenschaftliche Gleichbehandlungsgrundsatz noch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verbieten, dass die Genossenschaft die Mietkaution nur von einkommensschwachen Mietern verlangt.
AG Kiel vom 11.8.2011 – 108 C 24/11 –
Urteilstext
Tatbestand:
Die Klägerin verlangt die Leistung einer Mietkaution.
Die Klägerin ist eine Genossenschaft, die Wohnraum vermietet.
Zur Vorlage bei der Grundsicherungsbehörde Kiel erteilte die Klägerin ein „Wohnungsangebot“ (Anlage K1; Bl. 61 d.A.). Auf den Inhalt der Anlage K1 wird Bezug genommen. Dieses „Wohnungsangebot“ enthält keine Angabe zu einer Mietsicherheit, aber weist aus, dass bis zum Vertragsschluss Genossenschaftsanteile sowie eine Aufnahmegebühr zu entrichten sind.
Der Beklagte zeichnete Genossenschaftsanteile und zahlte hierfür 480 EUR zuzüglich einer Aufnahmegebühr von EUR 50,-.
Unter dem 20.07.2010 wurde der Betreuerin des Beklagten ein Mietvertragsentwurf übersandt.
Alsdann wurde ein Dauernutzungsvertrag über eine Wohnung in der D. straße 11a, 24113 Kiel unterzeichnet. In § 5 heißt es: „Als Mietsicherheit wird ein Betrag in Höhe von EUR 642,- hinterlegt.“ Die Betreuerin unterzeichnete am 03.08.2010. Die Klägerin unterzeichnete am 16.08.2010. Durch Bescheid vom 24.08.2010 übernahm die Landeshauptstadt Kiel die Mietsicherheit über EUR 642,-.
Der Beklagte ist grundsicherungsbedürftig. Die Landeshauptstadt Kiel erklärte sich nicht bereit, sowohl Genossenschaftsanteile als auch Mietsicherheit zu übernehmen. Hierzu führte sich eine außergerichtliche Korrespondenz mit der Klägerin.
Die Klägerin beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin eine Mietsicherheit in Höhe von EUR 642,- zu leisten, wobei ihm nachgelassen wird, diese wahlweise entweder durch die Zahlung eines Barbetrages, durch Verpfändung von Forderungen, die in das Bundesschuldbuch oder Landesschuldbuch eines Landes eingetragen sind, die Übergabe von Wertpapieren in Höhe dieses Wertes, die Verpfändung beweglicher Sachen oder durch Gestellung eines tauglichen Bürgen zu leisten
und
den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von EUR 101,40 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über EZB seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Der Beklagte meint, das Begehren der Klägerin verstoße gegen § 551 BGB sowie gegen das AGG.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist in dem Hauptanspruch zuzüglich Zinsen begründet, hinsichtlich der Rechtsanwaltskosten zuzüglich Zinsen indes nicht.
I.) Zum Klageantrag
Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Leistung einer Mietsicherheit in Höhe von EUR 642,- aus § 5 des Dauernutzungsvertrags (Anlage K 1) in Verbindung mit §§ 551, 232 BGB.
Der Beklagte hat im Rahmen des § 232 BGB die freie Wahl, auf welche Art er die Sicherheit leistet. Die Klägerin hat diese Wahlmöglichkeiten in ihren zuletzt gestellten Klageantrag aufgenommen. Im Wege der Auslegung hat das Gericht diesen Antrag in den Urteilstenor auf das Erforderliche beschränkt, weil sich die Art der Sicherheitsleistung aus § 232 BGB ergibt.
Dem Klageanspruch steht nicht entgegen, dass der Beklagte bereits Genossenschaftsanteile zeichnete und hierfür Mitgliedsbeiträge entrichtete. Auch steht dem Klageanspruch nicht entgegen, dass die Klägerin nur von bestimmten Gruppen neben den Genossenschaftsanteilen zusätzlich eine Mietsicherheit verlangt.
Im einzelnen:
Es entspricht der ganz herrschenden Meinung, dass § 551 BGB nicht entgegensteht, wenn der Mieter verpflichtet ist, genossenschaftsrechtlich einen Anteil und mietrechtlich eine Kaution zu entrichten (LG Regensburg NZM 2010, 360; Feßler/Roth, WuM 2010, 67; Roth, NZM 2008, 356: Palandt, 70. Aufl., § 551 BGB, Rn. 2; Schmidt-Futterer, 10. Aufl., § 551 BGB, Rn. 87; Sternel, Mietrecht aktuell, 4. Aufl., III, Rn. 168; a.A.: AG Saarbrücken BeckRS 2008, 2047). Es ist strikt zwischen genossenschaftsrechtlichen und mietrechtlichen Erklärungen der Parteien zu trennen. Aufgabe des Genossenschaftsanteils ist es nicht, Ansprüche der Klägerin zu sichern, mag der Genossenschaftsanteil letztlich auch faktisch einer derartigen Sicherung dienen können.
Streitgegenständlich ist die Forderung der Klägerin auf Leistung einer Mietsicherheit. Ob die Klägerin berechtigt war, in einer bestimmten Höhe Genossenschaftsanteile zu fordern, ist für diese Frage nicht entscheidungserheblich.
Das Vorgehen der Klägerin verstößt weder gegen einen genossenschaftsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz noch gegen Vorschriften des AGG.
Die Klägerin verlangt von bestimmten Personengruppen (vgl. Anlage K9; Bl. 35 d.A.) zusätzlich zur Zahlung eines Genossenschaftsanteils die Leistung einer Mietsicherheit.
Hierin liegt aber nicht eine Benachteilung Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität im Sinne von § 1 AGG. Die von der Klägerin benannte Personengruppe ist insbesondere nicht als Benachteilung aus Gründen einer Behinderung zu verstehen. Vielmehr entnimmt das Gericht der Anlage K9, dass es um eine finanzielle Absicherung geht, die Klägerin also Zweifel hat, dass die Personengruppe stets die potentiellen Ansprüche der Klägerin wird ausgleichen können. Hierbei handelt es sich im übrigen um einen sachlich gerechtfertigen Grund für eine Unterscheidung. Gerade aus diesem letzten Gedanken heraus ist auch nicht von einer genossenschaftsrechtlichen Ungleichbehandlung auszugehen, sondern es besteht vielmehr eine ausreichende sachliche Rechtsfertigung.
Auch die Ausführungen aus dem Schriftsatz vom 10.08.2011 stehen nicht entgegen. Streitgegenstand ist die Mietsicherheit, sind aber nicht die Genossenschaftsanteile. Das „Wohnungsangebot“ ist als invitatio ad offerendum zu qualifizieren und begründet keine Pflichtverletzung der Klägerin im vorvertraglichen Bereich. Denn der Beklagte war nicht verpflichtet, den Mietvertragsentwurf, der die Angabe der Mietsicherheit enthielt, durch die Betreuerin unterzeichnen zu lassen. Bei einem etwaigen Schadensersatzanspruch „wegen Pflichtverletzung bei Abgabe des „Wohnungsangebots“ überwiegt deshalb ein Mitverschulden (§ 254 BGB) des Beklagten in der Form der freiwilligen Unterzeichnung des Mietvertragsentwurfs.
Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von Rechtsanwaltskosten. Denn die außergerichtliche anwaltliche Beauftragung war schadensrechtlich nicht erforderlich. Schon die außergerichtliche Aufforderung der Klägerin vom 04.05.2011 erfolgte „letztmalig“. Es ergibt sich auch nicht, weshalb eine außergerichtliche anwaltliche Vertretung zweckmäßig – also mit Aussicht auf Erfolg – hätte sein sollen. Dies gilt umso mehr, als die Klägerin ausführlich in der Sache gegenüber der Landeshauptstadt Kiel als gegenüber dem Kieler Mieterverein argumentierte.
II.) Nebenentscheidungen
1.) Kosten des Rechtsstreits
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Danach hat jede Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, soweit sie unterlegen ist. Dies gilt auch, wenn eine Partei nur mit Nebenforderungen unterlegen ist.
2.) Vorläufige Vollstreckbarkeit
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 11, § 711 S. 1, 2 ZPO, soweit die Klägerin vollstreckt, und aus § 713 ZPO, soweit der Beklagte vollstreckt.
3.) Keine Zulassung der Berufung
Die Berufung wird nicht zugelassen. Nach § 511 Abs. 4 S. 1 ZPO hat das erstinstanzliche Gericht die Berufung zuzulassen, wenn eine Partei mit nicht mehr als EUR 600,- aus diesem Urteil beschwert (Nr. 2) und wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung im weiteren Sinne hat.
So liegt es hier aber nicht. Denn die klagende Partei ist aus diesem Urteil mit mehr als EUR 600,- beschwert.
Die Entscheidung über die Nichtzulassung der Berufung ist keine Entscheidung darüber, ob eine Berufung zulässig sein kann. Über die Zulässigkeit einer Berufung (Wertberufung, Zulassungsberufung; vgl. § 511 Abs. 2 ZPO) entscheidet allein ein Berufungsgericht.
4.) Erteilung einer Rechtsbehelfsbelehrung
Die Erteilung der nachfolgenden Rechtsbehelfsbelehrung beruht auf der Rechtsschutzgarantie und dem Anspruch auf wirkungsvollen Rechtsschutz (vgl. auch § 232 ZPO in der Fassung des Referentenentwurfs des Bundesministeriums der Justiz vom 15.06.2011).
10.05.2017