Berliner Tauben haben einen schweren Stand: Als „Ratten der Lüfte“ verschrien wird den Tieren nachgesagt, dass sie die Stadt verdrecken, Krankheiten übertragen, Bauwerke zerstören. Wer sich jedoch professionell um sie kümmert, der weiß: Alles Vorurteile! Tauben sind nicht gefährlicher als Amsel, Drossel, Fink und Star. Um ihre Schwärme jedoch nicht allzu groß werden zu lassen und Belästigungen zu vermeiden, müssen „wilde“ Brutplätze verschlossen und auch der eigenen Balkon aufgeräumt werden.
Die Tiermedizinerin Almut Malone, die sich seit vielen Jahren in ihrer Charlottenburger Wildvogelstation auch um kranke und verletzte Tauben kümmert, bemüht sich vehement, mit den Vorurteilen aufzuräumen. „Dazu muss man erst einmal wissen, dass Stadttauben keine Wildvögel, sondern verwilderte Haustiere sind“, erklärt sie. Einst wurden Felsentauben domestiziert, um sie als Nahrungsquelle und später auch als Brieftauben zu nutzen. Unmittelbar nach Kriegsende zogen erste große Schwärme verwilderter Vögel durchs zerbombte Berlin. Ihre Schläge waren zerstört, die Besitzer konnten kaum für sich selber, geschweige denn für die Tauben sorgen – und in den Ruinen fanden die Vögel ideale Nistgelegenheiten.
Nistplätze unter U-Bahn-Schwellen
Denn auch wenn ihnen das natürliche Brutverhalten abgezüchtet worden war – Haustauben brüten bis zu sieben Mal im Jahr -, ist eines erhalten geblieben: Wie ihre wilden Vorfahren suchen sie höhlenartige Nistplätze – loses Mauerwerk, Nischen, Hohlräume. „Sie quetschen sich in jedes Loch“, weiß Almut Mallone und erzählt von der Sanierung der U-Bahnstrecke zwischen Prinzenstraße und Schlesischem Tor. Unter jeder zweiten Gleisschwelle wurde ein Nest entdeckt. „Die darüber hinweg donnernden Züge haben sie nicht im Geringsten gestört.“
Jetzt ist die BVG dabei, Hohlräume im Viadukt zu verschließen, um Tauben die Nistplätze zu nehmen. Am Kottbusser Tor ist den Tieren dafür ein Ersatz geschaffen worden. Hier entstand ein Taubenschlag mit etwa 60 Boxen. Der wird – wie inzwischen auch etliche andere in der Stadt – regelmäßig gereinigt, kontrolliert, und Taubeneier werden durch Imitate ersetzt. So lässt sich ihre Zahl tierschutzgerecht und auch nachhaltig reduzieren – und mit artgerechtem Futter bleiben die Körnerfresser außerdem gesünder.
„Sie einfach nicht zu füttern, wäre die falsche Lösung für das Problem“, so Almut Malone. Dabei verhungern nämlich nicht nur die Jungen qualvoll in ihren Nestern, die Tauben behelfen sich mit Ersatznahrung: Reste von Imbissständen beispielsweise. Davon werden sie krank. Außerdem hinterlassen sie die nassen Exkremente, die Brückenpfeiler und Mauern verschmieren. Bekommen sie dagegen Körner beziehungsweise Taubenfutter, ist der Kot trocken und krümelig.
Dass Tauben die Stadt verdrecken und Bausubstanz zersetzen, ist schlichtweg übertrieben oder gänzlich falsch: 27 Tonnen Trockenkot produzieren Berliner Tauben pro Jahr – die Hunde dieser Stadt hinterlassen 55 Tonnen. Allerdings täglich. Und nach einer Untersuchung der Technischen Universität Darmstadt, die über acht Jahre die Wirkung von Taubenkot auf unterschiedliche Baumaterialien testete, richten die Ausscheidungen keinerlei Schäden an. Lediglich einige Bleche können eher rosten, wird der Dreck nicht entfernt.
Weil Tauben in der Stadt zwar für viele ein Ärgernis, aber kein Risiko darstellen, ist auch das Füttern nicht verboten. Die Tierschützerin warnt dennoch: „Wer füttert, lockt einen Fressschwarm an.“ In den Wohngebieten ist so Ärger vorprogrammiert.
Um sie von Häusern fern zu halten, rät Almut Malone: Mögliche Brutplätze mit feinmaschigen Metallgittern verschließen und die Balkone beräumen. Keine leeren Kisten, leeren Blumentöpfe, oder Regale stehen lassen. „Und liegen da doch mal Eier, sollten die nacheinander abgekocht wieder hingelegt oder gegen Imitate ausgetauscht werden. Die Tauben verschwinden dann von ganz allein wieder.“
Rosemarie Mieder
MieterMagazin 11/13
Tauben füttern ist nicht verboten, aber mancher Stadtbewohner fühlt sich durch angelockte Vögel belästigt
Foto: Sabine Münch
Rat und Tat
Wohnqualität beeinträchtigt?
Nach einem Urteil des Landgerichts Berlin (19. Dezember 2000, Az: 63 S 6/00) ist es mietrechtlich hinzunehmen, dass sich Tauben in Altbauten aufhalten und gelegentlich auch dort nisten. Wenn sie da allerdings vermehrt auftreten, etwa weil ein Dachboden für sie zugänglich ist, das Fenster einer leeren Wohnung offen steht oder Nischen in Dachvorsprüngen das Brüten ermöglichen, dann kann das die Wohnqualität mindern, weil die Vögel Balkone und Fensterbretter verkoten und weil ihr Gurren belästigende Ausmaße annimmt.
rm
20.12.2022