Pressemitteilung Nr. 6/02
Die Urteile des Oberverwaltungsgerichts Berlin, die Zweckentfremdungsverbotsverordnung ab dem 1. September 2000 als „außer Kraft getreten“ zu bezeichnen, löst beim Berliner Mieterverein e.V. große Besorgnis aus. Der Hauptgeschäftsführer des Berliner Mieterverein e.V. Hartmann Vetter:
Der Berliner Mieterverein e.V. fordert den Senat von Berlin auf, Rechtsmittel gegen diese Urteile einzulegen. Gleichzeitig ist eine Bundesratsinitiative für eine Modifizierung der Ermächtigungsgrundlage einzuleiten, damit eine neue Zweckentfremdungsverbotsverordnung, die auch stadtentwicklungspolitische Zielsetzungen ermöglicht, eine rechtlich zweifelsfreie Grundlage hat.
- Das OVG geht davon aus, dass im August 2000 der Berliner Wohnungsmarkt „insgesamt so deutlich und nachhaltig entspannt war, dass das Zweckentfremdungsverbot offensichtlich entbehrlich“ war.Das OVG verkennt mit dieser Feststellung jedoch, dass von einer „nachhaltigen“ Entspannung derzeit nicht die Rede sein kann. Diese ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts erst dann gegeben, wenn eine Entwicklung in dem Sinne abgeschlossen ist, dass das Ende der Mangellage auf dem Wohnungsmarkt deutlich in Erscheinung tritt (BVerwGE 59, 198). Es muss also eine Entwicklung abgeschlossen sein, d.h. es darf nicht nur ein vorübergehender Zustand betrachtet werden, sondern es müssen auch Entwicklungen betrachtet und beurteilt werden.
Die Entwicklung der letzten und die Prognose für die nächsten Jahre ergibt folgendes Bild:Der behauptete Leerstand von bis zu 130.000 WE in Berlin ist zu relativieren. Etwa 37.000 WE stehen dem Wohnungsmarkt aus unterschiedlichen Gründen faktisch nicht zur Verfügung. Nach Abzug der notwendigen Fluktuationsreserve von 3% verbleiben nur ca. 41.000 WE. Der Leerstand ist auf Teilmärkte und Regionen bezogen sehr unterschiedlich ausgeprägt. Er ist aus unterschiedlichen Gründen vor allem im Ostteil Berlins vorhanden. Eine pauschale Betrachtungsweise für die gesamte Stadt verbietet sich daher. In den 90er Jahren war zunehmender Leerstand zu verzeichnen. Diese Entwicklung hat sich umgekehrt. Es ist eine Trendwende festzustellen. Der Leerstand nimmt ab: Sich stabilisierende bzw. zunehmende Haushaltszahlen auf der einen Seite stehen einer stagnierenden bzw. zurückgehenden Wohnungszahl auf der anderen Seite gegenüber. Von einer abgeschlossenen Entwicklung im Sinne einer nachhaltigen Entspannung kann daher keine Rede sein. - Das OVG hat im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts darauf abgestellt, dass die Mangellage allein zahlenmäßig für die gesamte Gemeinde zu beurteilen sei. Stadtentwicklungspolitische Ziele könnten nicht durch die Zweckentfremdungsverbotsverordnung erreicht werden, dazu seien allein planungs- und baurechtliche Instrumente zu verwenden.Diese Instrumente (Baunutzungsverordnung und Bauordnung) sind aber nach den Erfahrungen des Berliner Mieterverein e.V. keine tauglichen Instrumente, da sie nicht einzelfallbezogen angewendet werden können und wie ein Textbebauungsplan in aller Regel politisch nicht durchsetzbar sind. Daher bleibt eine Zweckentfremdungsverbotsverordnung unverzichtbar.
- Vor allem bei preiswerten Altbauwohnungen, auf denen der Druck einer gewerblichen Nutzung angesichts immer noch hoher Gewerbemieten besonders lastet, sind die Mieten im gesamten zurückliegenden Zeitraum gestiegen, d.h. hier besteht eine besondere Mangellage.
- Unerwünschter Nebeneffekt dieses Urteils ist eine erhebliche Zunahme des Leerstandes bei Büroraum mit erheblichen Nachteilen für die Stadtentwicklung, da jetzt Wohnraum zu Gewerberaum ohne jede Beschränkung umgewidmet werden kann.
09.07.2014