Leitsatz:
Zur Wirksamkeit des befristeten Verzichts des Mieters auf sein gesetzliches Kündigungsrechts in einem Wohnungsmietvertrag.
BGH v. 22.12.2003 – VIII ZR 81/03 –
Langfassung: www.bundesgerichtshof.de [PDF, 4 Seiten]
BGH schafft „kleinen Zeitmietvertrag“ – Kündigungsausschluss zulässig
Frank Maciejewski
Seit der Mietrechtsreform ist der Abschluss eines einfachen befristeten Mietvertrages über Wohnraum grundsätzlich unzulässig. Höchstrichterlich ungeklärt war aber bislang die Frage, ob bei einem unbefristeten Mietverhältnis das Kündigungsrecht des Mieters für einige Jahre ausgeschlossen werden kann. Nun wurde die Frage bejaht.
Der Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 22. Dezember 2003 – VIII ZR 81/03 – (MM 4/04, Seite 31) lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Der Vertrag war auf unbestimmte Zeit abgeschlossen, wobei das Mietverhältnis am 1. Januar 2002 beginnen sollte. In § 28 des Mietvertrags war durch handschriftlichen Zusatz vereinbart: „Die Mieter verzichten für die Dauer von 60 Monaten auf ihr gesetzliches Kündigungsrecht.“ Die Mieter kündigten jedoch alsbald. Der Vermieter pochte auf die Verzichtsklausel. Nachdem das Amtsgericht und das Landgericht Krefeld sich mit dem Fall befasst hatten, entschied der Bundesgerichtshof im Revisionsverfahren, dass die Kündigungsverzichtsklausel wirksam sei.Insbesondere verstoße die Vereinbarung nicht gegen § 573 c Absatz 4 BGB, wonach Vereinbarungen unwirksam sind, die zum Nachteil des Mieters von der dreimonatigen Kündigungsfrist des § 573 c Absatz 1 BGB abweichen. Durch den vereinbarten Kündigungsverzicht würden die einzuhaltenden Kündigungsfristen nicht verändert. Die Frage, mit welcher Frist das Mietverhältnis gekündigt werden könne, stelle sich vielmehr erst, wenn dem Kündigenden ein Kündigungsrecht zustehe; Letzteres solle aber durch einen von den Parteien vereinbarten Kündigungsverzicht für einen bestimmten Zeitraum ausgeschlossen werden. Darüber hinaus sei in der Begründung des Regierungsentwurfs zu § 575 BGB ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass die Parteien weiterhin einen unbefristeten Mietvertrag schließen und für einen vertraglich festgelegten Zeitraum auf das ordentliche Kündigungsrecht beiderseits verzichten könnten. Trotz der zur Begründung der Verkürzung der Fristen für eine Kündigung durch den Mieter angeführten „Mobilität“ und „Flexibilität“ habe der Gesetzgeber die Zulässigkeit der Vereinbarung eines Kündigungsverzichts anerkannt und auch in anderem Zusammenhang die Stärkung der Vertragsfreiheit betont. Die Vereinbarung eines befristeten Kündigungsausschlusses stelle auch keinen Verstoß gegen das Verbot des einfachen Zeitmietvertrages (§ 575 Absatz 4 BGB) dar. Dieses wolle eine automatische Beendigung des Wohnraummietverhältnisses allein durch Zeitablauf, ohne dass der Mieter Kündigungsschutz genieße, außerhalb der privilegierten Befristungsgründe verhindern. Die Regelung solle den Mieter vor dem Verlust der Wohnung, nicht aber vor einer längeren Bindung an den Vertrag schützen.Das Urteil lässt noch einige Fragen offen:
- Der BGH sieht in der im konkreten Fall getroffenen handschriftlichen Ergänzung zum Formularvertrag, die die Vereinbarung zum Kündigungsverzicht enthält, eine Individualvereinbarung. Er führt hierzu aber nicht Näheres aus. Allgemein lässt sich jedoch festhalten, dass auch handschriftliche Zusätze in Formularverträgen grundsätzlich unter die Anwendung des Rechts zur Regelung allgemeiner Geschäftsbedingungen (§§ 305 ff. BGB) fallen. Auch eine handschriftliche Formulierung ist dann eine formularvertragliche Vereinbarung, wenn der Vermieter ein Unternehmer im Sinne des § 310 Abs. 3 BGB i.V.m. § 14 BGB ist, also mehrere Wohnungen gewerblich vermietet (zum Unternehmerbegriff vgl. OLG Düsseldorf WM 03, 621) und nicht der Mieter die Klausel in den Vertrag eingeführt hat (zur handschriftlichen Formularklausel vgl. BGH NJW 99, 2180). Der BGH lässt offen, ob eine formularvertragliche Vereinbarung eines Kündigungsverzichts des Mieters ebenfalls wirksam wäre. Dies ist im Hinblick auf § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB nicht anzunehmen (vgl. OLG Celle MDR 90, 154; LG Karlsruhe WM 79, 192). Die höchstrichterliche Klärung dieser Frage steht jedoch noch aus. Zumindest ergibt sich aus der Entscheidung vom 22. Dezember 2003 nicht ausdrücklich, dass auch ein formularvertraglicher Kündigungsverzicht des Mieters wirksam ist (es sei denn, man erblickt in der Wendung, dass „die Anerkennung des vereinbarten Kündigungsverzichts nicht zu einer unzumutbaren Belastung des Mieters“ führe, einen entsprechenden Hinweis).
- In der Tatsache, dass nur der Mieter – nicht aber auch der Vermieter – auf sein Kündigungsrecht zeitweilig verzichtet, sieht der Bundesgerichtshof offensichtlich kein Problem. Irritierend ist es aber schon, dass der BGH zu einem derartigen asymmetrischen Kündigungsverzicht keine näheren Ausführungen macht. In der Rechtsprechung jedenfalls wurde bislang der einseitige formularvertragliche Kündigungsausschluss wegen Verstoßes gegen § 307 BGB als unwirksam angesehen (HansOLG ZMR 91, 476; LG Duisburg MM 02, 334). So bleibt ebenfalls offen, ob der BGH diese Sachlage anders bewertet, wenn der einseitige Kündigungsverzicht formularmäßig getroffen wird.
- Offensichtlich geht der BGH davon aus, dass der Vermieter während der Laufzeit des einseitigen Kündigungsverzichts des Mieters unter den Voraussetzungen des § 573 BGB kündigen kann. Dies mag überraschen, ist aber im Hinblick auf die sonstige Begründung des BGH in diesem Urteil vom 22. Dezember 2003 nur konsequent.
- Leider äußert sich der BGH nicht dazu, ab welcher Dauer ein befristeter Kündigungsverzicht für den Mieter unzumutbar und möglicherweise unwirksam ist (vgl. hierzu Derleder NZM 01, 649 und Hinz NZM 03, 659). Ein auf fünf Jahre befristeter Kündigungsausschluss ist nach dieser Entscheidung wirksam. Gilt das auch noch für einen zehnjährigen oder gar für einen zwanzigjährigen einseitigen Kündigungsausschluss? Das kommt sicherlich auf den jeweiligen Einzelfall an. Überlange Laufzeiten können aber nach § 138 Absatz 1 BGB insbesondere bei Verträgen mit jüngeren Mietern zur Unwirksamkeit des Kündigungsverzichts führen.
05.01.2018