Pressemitteilung Nr. 11/13
Der Berliner Mieterverein sieht in dem jüngst veröffentlichten Vorentwurf der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt für einen dringend erforderlichen Stadtentwicklungsplan Wohnen eine grobe Vernachlässigung aktueller Ziele der Wohnungs- und Stadtentwicklungspolitik. „Ohne die Berücksichtigung der differenzierten Nachfrage nach Wohnraum ist der StEP Wohnen nicht mehr als ein Bilderbuch möglicher Neubauflächenpotenziale“, erklärt BMV-Geschäftsführer Reiner Wild. Beim Berliner Senat sind offenbar die Probleme des Berliner Wohnungsmarktes noch nicht angekommen. Denn der StEP Wohnen gibt keine Antworten darauf, wie und wo das Wohnen der Haushalte mit mittleren und niedrigen Einkommen gesichert werden kann.
Dabei hat sich als zentrales Problem auf dem Berliner Wohnungsmarkt in den letzten Jahren herausgestellt, dass es aufgrund der Einkommensstruktur der Berliner Haushalte aber auch der Zuwanderer vorrangig an preiswerten Wohnraum mangelt. Dies wurde immer wieder auch in den Wohnungsmarktmonitorberichten der Investitionsbank Berlin bestätigt. „Ohne massive öffentliche Förderung sind daher den Investitionen der Wohnungswirtschaft in Neubau und Bestandsverbesserung enge Grenzen gesetzt“, erklärt Wild.
- Fast die Hälfte (46,7%) aller Haushalte verfügt nur über eine Haushaltsnettoeinkommen von unter 1.500 € im Monat
- Nur rund ein Fünftel (21,8%) aller Haushalte hat mehr als 2.600 € netto im Monat zur Verfügung
Baugenehmigungen neuer Wohngebäude in Berlin zwischen 2007 und 2012:
2007 2008 2009 2010 2011 2012 Gesamt |
Für Wohnungen in 1- und 2-Familien-Häusern 2.075 1.941 1.641 1.734 2.008 1.853 11.252 |
Für Wohnungen in Mehrfamilienhäusern 1.716 3.109 2.688 2.042 3.519 5.718 18.792 |
Quelle: Statistischer bericht FII1-m12712, Statistisches Amt Berlin Brandenburg, April 2013
- Aus ca. 50-60 % aller Baugenehmigungen werden Baufertigstellungen.
- Etwa 40-50 % aller Wohnungen in Mehrfamilienhäusern werden als Eigentumswohnungen errichtet.
- Das Mietniveau der vermietetem Neubauwohnungen liegt im Wesentlichen zwischen 10,50 und 13,50 €/qm nettokalt im Monat, bei mittleren Wohnungsgrößen von 90 – 100 qm Fläche.
- 85 % aller Berliner Wohnungen werden vermietet.
- Das durchschnittliche Mietniveau freifinanzierter Wohnungen lag laut Mietspiegel 2011 bei 5,21 €/qm/nettokalt.
- Der belegungsgebundene Wohnungsbestand wird von heute rund 270.000 (150.000 Sozialwohnungen und 120.000 belegungsgebundener Bestand im Oststeil) auf 135.000 Wohnungen im Jahre 2022 abgeschmolzen sein.
Der Senat bestätigt im ersten Entwurf zum StEP Wohnen, dass auch durch das anvisierte Neubauvolumen von rund 10.000 Wohnungen pro Jahr keine Mietdämpfungseffekte entstehen werden. Konkret sollen bis 2020 jährlich 11.500 Wohnungen, von 2021 bis 2025 jährlich 6.000 Wohnungen errichtet werden.
Ein zumindest rechnerisch allgemeiner Ausgleich zwischen Angebot und Nachfrage ist auch deshalb nicht zu erwarten, weil die höchste Nachfrage wegen der vermuteten Zuwanderung in den nächsten 5-7 Jahren entsteht, während ein erweitertes Angebot aus diversen Gründen erst zeitverzögert in 5-10 Jahren zur Verfügung stehen würde. Und dies, obwohl im Land Berlin im Vergleich zu anderen Städten noch ein hohes Maß an unbebauten, zu Wohnzwecken geeigneten Flächen im Grundsatz vorhanden ist.
Was im Entwurf für den Stadtentwicklungsplan Wohnen noch fehlt
Aussagen zu einer vermehrten und verbesserten Nutzung des vorhandenen Gebäudebestandes sucht man vergeblich im Entwurf zum StEP Wohnen. So fehlen Informationen zu einer Aktivierung bislang leerstehender und am Wohnungsmarkt nicht angebotener Wohnungen. Es fehlen darüber hinaus Angaben zu den Wohnungsbaupotenzialen bei Umnutzung von leerstehenden Gewerbe- und Infrastrukturbauten sowie für Aufstockung und Ergänzung vorhandener Gebäude. Auch gibt der StEP-Wohnen-Entwurf keine Hinweise für zusätzliche Aktivierung von Wohnraum durch eine angemessenere Belegung und Wohnflächennutzung.
Ungeklärt ist auch, wie dem Missverhältnis zwischen Neubaupotenzialen in der inneren Stadt (36.000 Wohnungen ohne Baulückenschließung und Verdichtung laut Bericht) und der Nachfragepriorität der Wohnungssuchenden für die innere Stadt umgegangen werden soll.
Für die einzelnen Nachfragergruppen bzw. Lebensstilanforderungen gibt es konkrete planerische Ziele im Entwurf zum StEP Wohnen lediglich für Familien. Allerdings wird ein Bedarf nur quantifiziert für den Neubau von Ein-Familien-Häusern. Die Quote soll weiterhin rund 2.000 Wohneinheiten pro Jahr ausmachen. Ob und in welchem Umfang dieser Bedarf auch in bestehenden 1-Familien-Hausgebieten, in denen zumindest teilweise der Altersdurchschnitt sehr hoch ist, befriedigt werden kann, wird nicht erklärt.
Was will der Berliner Mieterverein?
1. Der StEP Wohnen braucht ein anderes Leitbild, das sich deutlicher an der besonderen Problematik des Berliner Wohnungsmarktes orientiert.
2. Der StEP Wohnen muss klarstellen, in welchen planerischen Gebieten welcher Anteil von preisgünstigem Wohnraum gesichert oder geschaffen werden soll.
3. Der StEP Wohnen muss die Potenziale für eine bessere Nutzung des vorhandenen Bestandes benennen. Dazu gehört die räumliche Zuordnung von Wohnungen, die durch ein Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum (leere Wohnungen, Ferienwohnungen, Abrisse) aktiviert werden können.
4. Der StEP Wohnen soll darlegen, in welchen Gebieten eine Ausweitung des städtischen Wohnungsbestandes sinnvoll erscheint.
5. Der StEP Wohnen soll Gebiete festlegen in denen die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung besonders gefährdet erscheint und deshalb mit besonderen städtebaulichen Instrumenten wie Erhaltungsverordnungen reagiert werden sollte.
6. Der StEP Wohnen sollte Gebiete bezeichnen, in denen eine (energetische) Sanierung nach den Regeln des Baugesetzbuches in Frage kommt.
7. Der StEP Wohnen sollte darlegen, wo bei Neubauquartieren ein Mindestanteil von preisgünstigen Wohnungen oder Sozialwohnungen erforderlich ist.
8. Der StEP Wohnen sollte Anforderungen an die städtebaulichen Qualitäten (Parzellierung der Grundstücke, Gewerbeanteil, Infrastrukturversorgung, öffentlicher Raum) für Neubauquartiere formulieren.
9. Der StEP Wohnen sollte die Bedingungen darlegen, mit denen alle Bezirksämter städtebauliche Vereinbarungen/Verträge mit den Investoren zur Sicherung eines Anteils preisgünstiger Wohnungen an Neubauvorhaben abschließen können.
„Wohnungsbau ist notwendig, aber er ist kein Allheilmittel“, erklärte Wild. Deshalb braucht es weiterer Instrumente, um die Probleme des Berliner Wohnungsmarktes zu lösen:
– Mietrechtsänderung (z.B. Kappung der Miethöhe bei Neuvermietung, Beschränkung der Mieterhöhungen nach Modernisierung)
– Vergabe öffentlicher Liegenschaften an Wohnungsbauinvestoren, dies sich den Zielen einer sozialen und nachhaltigen Stadtentwicklung unterwerfen.
– Wohnungstausch bei städtischen Wohnungsunternehmen ohne Mietsteigerungen
– Ausübung aller Belegungsrechte und Beendigung der Freistellungen
– Besetzungskontingente für Wohnungsämter/Belegungskoordinatoren
26.04.2017