Leitsätze:
1. Zur Zulässigkeit der Schätzung der ortüblichen Vergleichsmiete gemäß § 287 ZPO im Rahmen eines Mieterhöhungsverfahrens, wenn zur Einordnung der Wohnung in die Mietspiegelspannen eines qualifizierten Mietspiegels eine Orientierungshilfe als Schätzgrundlage zur Verfügung steht.
2. Bei Vorliegen eines qualifizierten Mietspiegels ist in der Regel ein Sachverständigengutachten zur Spanneneinordnung nicht einzuholen. [nichtamtlicher Leitsatz]
3. Auch wenn der Orientierungshilfe die Vermutungswirkung nach § 558 d Abs. 3 BGB nicht zukommt, hindert dies ihre Heranziehung als Schätzgrundlage des § 287 ZPO nicht. [nichtamtlicher Leitsatz]
BGH v. 20.4.2005 – VIII ZR 110/04 –
Langfassung: www.bundesgerichtshof.de [PDF, 12 Seiten]
Urteilstext
Aus den Gründen:
„… Ein Sachverständigengutachten würde einen erheblichen Aufwand verursachen, der nur dazu diente, die Wohnung in die Mietspiegelspanne … einzuordnen. Ein solcher Aufwand ist jedenfalls dann nicht gerechtfertigt, wenn zusätzlich zu dem qualifizierten Mietspiegel, der nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen erstellt und von der Gemeinde oder von Interessenvertretern der Vermieter und Mieter anerkannt worden ist (§ 558 d Abs. 1 BGB), eine Orientierungshilfe für die Spanneneinordnung zur Verfügung steht. Bei der Orientierungshilfe für die Spanneneinordnung handelt es sich um Aussagen, die vom umfassenden Sachverstand der an der Mietspiegelerstellung beteiligten Experten getragen werden … . Sie berücksichtigt die bisherigen Erkenntnisse sowohl der Praxis als auch der Rechtsprechung … . Wenn … auch bei Vorliegen eines qualifizierten Mietspiegels in der Regel ein Sachverständigengutachten zur Spanneneinordnung einzuholen wäre, würde die in § 558 d Abs. 3 BGB enthaltene Vermutung ihre verfahrensvereinfachende Funktion weitgehend verlieren.
Die Verwendung eines qualifizierten Mietspiegels nebst Schätzung der Spanneneinordnung durch das Gericht gemäß § 287 ZPO garantiert im Interesse beider Parteien eine rasche Entscheidung und vermindert die Entstehung von Gutachterkosten, die im Falle eines Teilunterliegens den Erhöhungsbetrag leicht erheblich schmälern oder sogar aufzehren können …
Die gerichtliche Verwendung eines geeigneten Mietspiegels ohne Heranziehung eines Sachverständigen ist verfassungsrechtlich unbedenklich. Der Vorzug von Mietspiegeln besteht vor allem darin, dass ordnungsgemäß aufgestellte Mietspiegel in der Regel auf einer erheblich breiteren Tatsachenbasis beruhen, als sie ein gerichtlich bestellter Sachverständiger mit einem Kosten- und Zeitaufwand ermitteln könnte, der zum Streitwert des gerichtlichen Verfahrens in einem noch angemessenen Verhältnis stünde. …“
28.02.2013