Geschockt blickten Anwohner Anfang Februar auf ein Trümmerfeld: Über 40 Bäume waren in der Wohnanlage zwischen Belforter und Metzer Straße gefällt worden. Der Kahlschlag ist ein Etappensieg für den Grundstückseigentümer, der hier einen Luxus-Neubaublock samt Tiefgarage errichten will. Nicht nur die Bäume, auch die Altmieter sind dabei im Weg.
Als 2010 die Pläne des Investors Rainer Bahr bekannt wurden, war die Empörung im Bezirk Pankow groß. Die Wohnanlage gilt als gelungenes Beispiel eines DDR-Wohnungsbaus der 1960er Jahre. Zwischen den drei Zeilenbauten mit insgesamt 110 Wohnungen sind großzügige Grünflächen angelegt. Die Mieten sind günstig. Wer sich selber eine Gasetagenheizung eingebaut hat, zahlt drei bis vier Euro pro Quadratmeter – und das unweit vom Kollwitzplatz.
Die Firma „Econcept“ , die bereits die Luxuswohnanlage „Palais Kolle Belle“ gebaut hat, will die bislang offene Seite zur Straßburger Straße hin mit einem siebengeschossigen Neubauriegel schließen. Dafür müssen zwei Aufgänge mit 20 Wohnungen abgerissen werden. 150 hochpreisige Wohnungen sind geplant, die bestehenden Gebäude sollen mit Aufzügen und Dachgeschossaufstockungen schicker gemacht werden.
Im Bezirk sorgt das Vorhaben seit Jahren für Aufregung. Doch obwohl sich Polit-Prominenz wie Wolfgang Thierse und Gregor Gysi einmischte und obwohl das Bezirksamt 2011 eine Erhaltungsverordnung für das Quartier erlassen hatte, musste man klein beigeben. Nachdem der Investor mit Schadensersatzforderungen in zweistelliger Millionenhöhe gedroht hatte und das Landgericht entschied, dass diese auch gerechtfertigt wären, wurde die Erhaltungsverordnung im Mai 2013 wieder aufgehoben. Für den Bezirk, der sich den Mieterschutz auf die Fahnen geschrieben hat, ist dies eine harsche Niederlage.
Daran ändert auch wenig, dass nun Mieterschutzregelungen ausgehandelt wurden. Diese sehen unter anderem Mietminderungen von bis zu 50 Prozent während der gesamten Bauzeit vor. Sieben Jahre lang sollen die Altmieter zudem vor modernisierungsbedingten Mieterhöhungen geschützt sein. Ähnliche Angebote hatte der Investor von Anfang an gemacht. Den vom Abriss bedrohten Mietern hilft das ohnehin herzlich wenig. Wer sich nicht auf Auszugsprämien einließ, erhielt bereits die Kündigung.
Rechtsanwältin Carola Handwerg, die zwei betroffene Mieter vertritt, hält die Kündigungen für nicht zulässig: „Bei den bisher ergangenen Urteilen des Bundesgerichtshofs zu Abrisskündigungen handelte es sich um marode, sanierungsbedürftige Häuser. Die Eigentümer dort konnten nachweisen, dass ein Abriss und Neubau rentabler ist als eine Sanierung.“ Das sei hier nicht der Fall: „Hier werden preiswerte, gut sanierte Wohnungen abgerissen, um hochpreisige Eigentumswohnungen durch Neubau zu schaffen“, sagt die Anwältin.
Birgit Leiß
MieterMagazin 4/14
Die Bäume sind weg – die Altmieter auch: Kahlschlag in der Straßburger Straße
Foto: Nils Richter
23.04.2014