Leitsatz:
Ist der Vermieter zur Durchführung von Schönheitsreparaturen verpflichtet, muss er einen neutralen beziehungsweise gedeckten Farbton wählen. Ein Anstrich in Hellblau verstößt gegen das Rücksichtnahmegebot und muss vom Mieter nicht hingenommen werden.
AG Mitte vom 8.8.2013 – 121 C 135/13 –
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Die im Mietvertrag enthaltene Schönheitsreparaturklausel war unwirksam. Die Mieter nahmen deshalb den Vermieter auf Renovierung in Anspruch.
Dieser beauftragte hierzu eine Malerfirma mit den Malerarbeiten. Für den Anstrich der Wände wählte er für die gesamte Wohnung die Farbe Iris 16 (hellblau). Da die Mieter auf einem weißen Anstrich beharrten, zog der vom Vermieter beauftragte Maler wieder ab. Der Vermieter weigerte sich auch nach nochmaliger Aufforderung, den Anstrich in Weiß auszuführen und begründete seinen Standpunkt wie folgt: Er schulde in Erfüllung der gesetzlich festgelegten Instandhaltungspflicht gegenüber den Mietern lediglich Malerarbeiten mittlerer Art und Güte. Dem sei er mit der Beauftragung einer Malerfirma zur Ausführung der Renovierungsarbeiten in Hellblau nachgekommen. Dem Erhalt der Mietsache sei damit Genüge getan. Die Grenze des normalen Geschmacks sei damit nicht in untragbarer Weise überschritten worden. An Vorgaben der Mieter sei er nicht gebunden.
Auch umgekehrt müssten sich die Mieter vom Vermieter die Farb- oder Tapetenwahl nicht vorschreiben lassen, wenn ihnen die Pflicht zur Durchführung der Schönheitsreparaturen wirksam übertragen worden wäre.
Die Mieter beauftragten daher ihrerseits einen Maler, der die Wohnung in Weiß strich und ihnen hierfür 1018 Euro in Rechnung stellte. Diesen Betrag verrechneten die Mieter mit der laufenden Miete. Das AG Mitte gab den Mietern Recht.
Insbesondere seien die Mieter durch die Verweigerung der Ausführung der Schönheitsreparaturen in Hellblau nicht in Annahmeverzug gekommen, §§ 293 ff. BGB. Die Mieter durften nämlich dieses Angebot verweigern. Der Vermieter sei nicht berechtigt, die Schönheitsreparaturen in eigenwilliger Weise auszuführen, etwa durch die Farbgebung oder die Auswahl von Tapetenmustern; hierin läge ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot aus § 241 Absatz 2 BGB.
In Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall habe der Vermieter mit dem Beharren auf der Durchführung des Anstriches in Hellblau gegen das Rücksichtnahmegebot verstoßen. Bei dem gemieteten Wohnraum handele es sich um den Lebensmittelpunkt des Mieters, den er durch Einrichtung und Gestaltung seinem ganz persönlichen Wohlbefinden anpassen können müsse. Die Farbgestaltung der Wände trage dazu in nicht unerheblichem Maße bei.
Zwar sei dem Vermieter zuzugeben, dass die Mieter kein grundsätzliches Recht auf die Bestimmung einer Farbe hätten. Der Vermieter sei insoweit – genau wie die Mieter im umgekehrten Fall bei Vertragsende – aber gehalten, einen neutralen beziehungsweise gedeckten Farbton zu wählen, damit die Farbwahl der Wände nicht von vornherein zu einer Unverträglichkeit mit den denkbaren Farben von Einrichtungsgegenständen (Möbeln, Gardinen, Teppichen, Bildern etcetera) führe. Dies sei aber bei der Farbe Hellblau offensichtlich der Fall.
Anmerkung: Das LG Berlin (vom 4.10.2013 – 65 S 190/12 -) geht in dieser Frage sogar noch weiter, indem es ausführt: „… Der Vermieter muss auf die berechtigten Interessen des Mieters Rücksicht nehmen. Wenn dieser also fragt, in welcher Farbe die Gestaltung erfolgen soll und erkennbar Wünsche diesbezüglich hat, muss der Vermieter dieses berücksichtigen, insbesondere Angaben zur Farbe und Art der vorgesehenen Arbeiten machen …“.
Urteilstext
Sachverhalt:
I. Die Bekl. mieteten von der Kl. aufgrund des Mietvertrages vom 1.6.2003 als Erstbezug eine 3-Zimmer-Wohnung in dem Anwesen H.-straße 5, Berlin, 6. Etage/DG, für die eine Bruttowarmmiete in Höhe von 1.337,94 € im Monat zu zahlen ist. Wände und Decken waren in weiß gestrichen. Die im Mietvertrag enthaltene Schönheitsreparaturklausel ist unwirksam. Aufgrund dessen verurteilte das Amtsgericht Mitte die Kl., die Wände und Decken der Mietwohnung zu malern. Die Kl. beauftragte daher Ende 2012 eine Malerfirma mit den Malerarbeiten. Für den Anstrich der Wände wählte die Kl. für die gesamte Wohnung die Farbe Iris 16 (hellblau).
Als am 7.1.2013 die Handwerker in der Wohnung erschienen, verweigerten die Bekl. die Ausführung der Schönheitsreparaturen. Mit Fax-Schreiben vom selben Tag verlangten die Bekl. von der Kl. einen Anstrich in weiß. Die Kl. bot zwar die Fortführung der Schönheitsreparaturen in hellblau an, weigerte sich jedoch, den Anstrich in weiß auszuführen. Mit Schreiben vom 7.1.2013 kündigten die Bekl. die Verrechnung der laufenden Miete mit den Kosten für die Renovierung der Wohnung in weiß an. Daraufhin engagierten die Bekl. einen Malermeister mit der Ausführung des Anstrichs. Die Kosten der Malerarbeiten beliefen sich ausweislich der Rechnung vom 28.1.2013 auf 1.018,84 €. Mit Faxschreiben vom gleichen Tag kündigte der Bekl.vertreter die Verrechnung der vorgenannten Kosten mit der Miete für den Monat Februar an. Am 29.1.2013 überwiesen die Bekl. 319,10 € als Restmietzins für den Monat Februar an die Kl. mit dem Verwendungszweck „WG Nr. 17/Miete/Februar 2013 abzüglich verrechnete Renovierungskosten gem. Schreiben vom 28.1.2013“.
Die Kl. meint, dass eine Aufrechnungslage nicht gegeben sei. Die Bekl. hätten die Durchführung der Arbeiten durch die Kl. zu Unrecht verweigert. Sie schulde in Erfüllung der gesetzlich festgelegten Instandhaltungspflicht gegenüber den Mietern lediglich Malerarbeiten mittlerer Art und Güte. Dem sei sie mit der Beauftragung einer Malerfirma zur Ausführung der Renovierungsarbeiten in hellblau nachgekommen. Dem Erhalt der Mietsache sei damit Genüge getan. Die Grenze des normalen Geschmacks sei damit nicht in untragbarer Weise überschritten worden. An Vorgaben der Bekl. sei sie nicht gebunden. Auch umgekehrt müssten sich die Bekl. von der Kl. die Farb- oder Tapetenwahl nicht vorschreiben lassen, wenn ihnen die Pflicht zur Durchführung der Schönheitsreparaturen wirksam übertragen worden wäre.
Die Kl. verlangt nun Mietzahlung in Höhe des Aufrechnungsbetrages. …
Aus den Gründen:
II. Die Klage ist unbegründet.
Der Kl. steht gegen die Bekl. kein Anspruch aus dem Mietvertrag über die Februar 2013 in Hohe von 1.018,84 € gemäß § 535 Satz 2 BGB zu. Denn der Anspruch ist in gleicher Höhe durch Aufrechnung erloschen, § 389 BGB.
Den Bekl. steht gegen die Kl. ein Aufwendungsersatzanspruch in Höhe von 1.018,84 € gemäß § 536 a Abs. 2 Nr. 1 BGB zu. Die Kl. ist mit dem ausschließlichen Angebot zur Durchführung der Schönheitsreparaturen in hellblau mit der Erfüllung ihrer aufgrund des Urteils des Amtsgerichts Mitte vom 3. Juli 2011 zum Aktenzeichen 14 C 153/11 bestehenden Leistungspflicht in Verzug gekommen. Insbesondere sind die Bekl. durch die Verweigerung der Ausführung der Schönheitsreparaturen in hellblau nicht in Annahmeverzug gekommen, §§ 293 ff. BGB. Die Bekl. durften nämlich dieses Angebot verweigern.
Der Mieter hat bei bestehender Renovierungsverpflichtung des Vermieters einen Anspruch auf Herstellung des Anfangszustandes. Was die Ausführung der Schönheitsreparaturen selbst betrifft, muss der Vermieter fachgerecht renovieren. Er darf sich auf dezente Anstriche und/oder Tapeten beschränken, mithin auf eine Dekoration, die umgekehrt vom Mieter bei wirksamer Abwälzung der Schönheitsreparaturen erwartet wird, wenn er zum Mietende renoviert. Er ist aber nicht berechtigt, die Schönheitsreparaturen in eigenwilliger Weise auszuführen, etwa durch die Farbgebung oder die Auswahl von Tapetenmustern; hierin läge ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot aus § 241 Abs. 2 BGB (Schmidt-Futterer-Langenberg, Mietrecht, 10. Aufl. 2011, § 538 Rz. 204).
In Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall hat die Kl. mit dem Beharren auf der Durchführung des Anstriches in hellblau gegen das Rücksichtnahmegebot verstoßen. Denn die Kl. hat mit ihrer Farbwahl gerade keinen dezenten Anstrich gewählt. Bei dem gemieteten Wohnraum handelt es sich um den Lebensmittelpunkt des Mieters, den er durch Einrichtung und Gestaltung seinem ganz persönlichen Wohlbefinden anpassen können muss. Die Farbgestaltung der Wände trägt dazu in nicht unerheblichem Maße bei. Zwar ist der Kl. zuzugeben, dass die Bekl. kein grundsätzliches Recht auf die Bestimmung einer Farbe haben. Die Kl. ist insoweit – genau wie die Bekl. im umgekehrten Fall – aber gehalten, einen neutralen bzw. gedeckten Farbton zu wählen, damit die Farbwahl der Wände nicht von vornherein zu einer Unverträglichkeit mit den denkbaren Farben von Einrichtungsgegenständen (Möbeln, Gardinen, Teppichen, Bildern etc.) führt.
Dies ist aber bei der Farbe Hellblau offensichtlich der Fall.
Eine derartige Verpflichtung läuft auch den erkennbaren Interessen der Kl. nicht zuwider. Denn ein neutraler Farbton entspricht der üblichen Erwartung an den Anstrich einer Wohnung und erleichtert regelmäßig ihre Weitervermietung. Warum die Kl. ausgerechnet die Farbe Hellblau gewählt hat, erschließt sich beim besten Willen nicht. Denn bei der vor dem Bezug der Bekl. erfolgten Renovierung hatte sie sich noch für einen weißen Anstrich entschieden. Bei einer Begehung der Wohnung am 13.3.2011 hatte sie zudem sehen können, dass die Bekl. bevorzugt andere Farben gewählt hatten. …
06.02.2016