Am 1. Mai tritt das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum in Kraft. Elf Bezirke schlagen parteiübergreifend Alarm: Mit ihrem Personal sei die Umsetzung des Verbots nicht zu schaffen. Der Senat lasse die Bezirke im Stich und nehme ein Scheitern des Zweckentfremdungsverbots in Kauf.
In einer gemeinsamen Erklärung warnen die zuständigen Stadträte aus elf Bezirken – nur Tempelhof-Schöneberg blieb abseits – vor einem Scheitern des Zweckentfremdungsverbots. Der Senat gesteht den Bezirken nur 17 Personalstellen für die neue Aufgabe zu: jedem Bezirk eine, den Innenstadtbezirken je zwei. „17 Stellen sind bei Weitem nicht ausreichend“, sagt der Pankower Stadtrat Torsten Kühne (CDU). Vor der Aufhebung des alten Zweckentfremdungsverbots im Jahr 2002 waren berlinweit 173 Beamte mit der Überwachung beschäftigt. Hinzu kommt, dass die 17 Stellen bis Ende 2015 befristet sind.
Der Friedrichshain-Kreuzberger Stadtrat Knut Mildner-Spindler (Linke) erwartet wegen der vielen Ferienwohnungen Widerspruchsverfahren und juristische Auseinandersetzungen. „Wer die Verfahren führen soll, ist gänzlich unklar“, so Mildner-Spindler.
Innerhalb von drei Monaten muss jede Zweckentfremdung gemeldet werden. Die Bezirke erwarten wäschekorbweise Genehmigungsanträge. Glücklicherweise greift die automatische Genehmigung, wenn ein Antrag innerhalb von 14 Wochen nicht bearbeitet wurde, erst ab 2016. Dann sind die befristeten Stellen aber schon wieder ausgelaufen. „Hier fährt etwas voll Karacho gegen die Wand“, meint Mittes Stadtrat Stephan von Dassel (Grüne).
Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung verweist auf 55 weitere Stellen, die den bezirklichen Bauämtern zugesprochen wurden. Diese Mitarbeiter sind aber vor allem mit Baugenehmigungen befasst, um den Wohnungsbau zu beschleunigen. „Befremdlich“ finden die Bezirke den Hinweis des Senates, dass dank des Internets die Zweckentfremdung heute leichter zu verfolgen sei. „Bescheide auf der Basis von Internetrecherchen oder ‚Google Street View‘ dürften – zur Freude von Antragstellern und Rechtsanwälten – wohl kaum gerichtsfest sein“, wenden die Stadträte ein.
Die Senatsverwaltung empfiehlt den Bezirken, die Aufgabe zu zentralisieren, also die 17 Mitarbeiter bei einem Bezirk zusammenzufassen. So könnte die Zweckentfremdung in ganz Berlin effektiver verhindert werden. Grundsätzlich sehen das die meisten Bezirke auch so. „Wir sperren uns nicht gegen eine Zentralisierung“, sagt Stephan von Dassel. „Aber unter diesen Bedingungen ist das ein Himmelfahrtskommando für die ganze Stadt.“
Jens Sethmann
Mehr Informationen zum Thema "Zweckentfremdung von Wohnraum" (Mai 2016):
MieterMagazin 5/14
Die Bezirksverwaltungen befürchten, dass sie der Antragsflut nicht Herr werden, die durch das neue Zweckentfremdungsverbot ausgelöst wird
Foto: Sabine Münch
07.05.2016