Leitsatz:
Der Vermieter kann von einem Mieter, der einen Schlüssel verloren hat, keinen fiktiven Schadensersatz für den Austausch der Schließanlage verlangen, wenn er die Schließanlage tatsächlich noch nicht ausgetauscht hat.
BGH v. 5.3.2014 – VIII ZR 205/13 –
Langfassung: www.bundesgerichtshof.de [PDF, 10 Seiten]
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Der Mieter gab nur einen von zwei erhaltenen Wohnungsschlüsseln zurück. Nachdem der Vermieter die Hausverwaltung der Wohnungseigentümergemeinschaft darüber informiert hatte, dass der Mieter den Verbleib des zweiten Schlüssels nicht darlegen könne, verlangte diese vom Vermieter die Zahlung eines Kostenvorschusses in Höhe von 1468 Euro für den aus Sicherheitsgründen für notwendig erachteten Austausch der Schließanlage. Sie kündigte an, den Austausch der Schließanlage nach Zahlungseingang zu beauftragen. Der Vermieter behielt die Kaution des Mieters von 500 Euro ein und verlangte vom Mieter Zahlung von 968 Euro an die Wohnungseigentümergemeinschaft. Die Schließanlage wurde bislang nicht ausgetauscht. Während die Vorinstanzen der Klage des Vermieters stattgaben, urteilte der BGH zugunsten des Mieters.
Ein Vermieter könne von einem Mieter, der einen Schlüssel verloren hat, keinen fiktiven Schadensersatz verlangen, wenn er die Schließanlage tatsächlich nicht ausgetauscht hat.
Zwar könne ein Geschädigter den für die Beseitigung eines Sachschadens erforderlichen Aufwand im Hinblick auf § 249 Absatz 2 Satz 1 BGB grundsätzlich auch fiktiv abrechnen (strittige Rechtsprechung; vgl. BGH, Urteil vom 23. März 1976 – VI ZR 41/74, BGHZ 66, 239, 241 [zur Beschädigung eines Kfz]). Dies setze aber voraus, dass ein erstattungsfähiger Vermögensschaden entstanden sei. Eine Sache oder Sachgesamtheit sei nur dann beschädigt, wenn ihre Sachsubstanz verletzt sei. Der Verlust eines Schlüssels führe aber bei der gebotenen wertenden Betrachtung nicht zu einer – über die Einbuße des verlorenen Schlüssels hinausgehenden – Beeinträchtigung der Sachsubstanz der Schließanlage.
Es dürfe nicht die Verletzung der Sachsubstanz und die Beeinträchtigung der Sicherungsfunktion der Schließanlage vermengt werden. Während im ersten Fall schon aufgrund der schadensrechtlichen Differenzhypothese vom Vorliegen eines Sachschadens auszugehen sei, bedürfe es bei der Beeinträchtigung der Sicherungsfunktion einer wertenden Betrachtung unter Einbeziehung der Verkehrsauffassung, ob sich das wegen einer Missbrauchsgefahr bestehende Sicherheitsrisiko zu einem Vermögensschaden verfestigt habe. Das rein abstrakte Gefährdungspotenzial stelle regelmäßig keinen erstattungsfähigen Vermögensschaden dar. Ein ersatzfähiger Schaden entstehe vielmehr erst dann, wenn sich der Geschädigte aus objektiver Sicht unter den konkret gegebenen Einzelfallumständen zur Beseitigung einer fortbestehenden Missbrauchsgefahr veranlasst sehen dürfe, die Schließanlage zu ersetzen, und diesen Austausch auch tatsächlich vornehme. Nur in einem solchen Fall habe sich das Gefährdungspotenzial in einer Vermögenseinbuße realisiert.
Aus der BGH-Entscheidung ergibt sich – obwohl hier nicht streitgegenständlich -, dass auch bei erfolgtem Austausch der Schließanlage nicht in jedem Fall eine Haftung des Mieters in Frage kommt. Weitere Voraussetzung für einen Schadensersatzanspruch des Vermieters ist ein Verschulden des Mieters am Schlüsselverlust und eine tatsächlich bestehende Missbrauchsgefahr. So muss der Mieter beispielsweise keinen Ersatz leisten, wenn ihm der Schlüssel gestohlen wurde oder wenn der Schlüssel in einen Fluss gefallen ist beziehungsweise wenn der verlorene Schlüssel keinem Haus, keiner Wohnung usw. zugeordnet werden kann. In diesen Fällen ist ein Missbrauch des Schlüssels ausgeschlossen.
Im Übrigen: Eine Formularklausel im Mietvertrag, wonach der Vermieter berechtigt ist, bei Verlust eines Schlüssels die Schließanlage auszuwechseln, ist gemäß § 307 BGB unwirksam.
10.05.2017