In Westend sollen 200 Wohnungen abgerissen werden, um einem „familiengerechten und lebendigen Stadtquartier“ mit 500 Wohnungen Platz zu machen. Für die Mieter ein Riesen-Schock, zumal einige erst vor Kurzem eingezogen sind und umfangreich in Laminat, Einbauküche und ähnliches investiert haben.
Die Siedlung am Dickens-, Scott- und Swiftweg war in den 1950er Jahren für britische Soldatenfamilien errichtet worden. Nach der Wende war sie für Bonner Bundesbedienstete vorgesehen und wurde dann nach mehreren Eigentümerwechseln 2007 an die Deutsche Wohnen verkauft. Beim Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf weiß man schon seit Längerem von den Abrissplänen, ein Architektenwettbewerb fand mit Beteiligung sämtlicher Fraktionen der Bezirksverordnetenversammlung statt. Doch man habe Vertraulichkeit vereinbart, um die Bewohner nicht zu beunruhigen.
Mitte April wurden die Bewohner dann auf einer Mieterversammlung über die Abrisspläne informiert. Noch liegt keine Baugenehmigung vor, auch muss zunächst ein Bebauungsplanverfahren durchgeführt werden. Frühestens 2017 sollen die Bagger anrollen. Geplant seien keine Luxuswohnungen, wie man bei der börsennotierten Deutsche Wohnen betont, sondern energieeffiziente Wohnungen im „mittleren Preissegment“. Es soll nur einen kleinen Anteil an Eigentumswohnungen geben. Den Mietern will man Ersatzwohnungen aus dem eigenen Bestand anbieten. Auch ein Wiedereinzug in die neue Siedlung sei möglich – allerdings zu deutlich höheren Mieten.
„Wir wollen uns nicht irgendwo unterbringen lassen“, empört sich ein Mieter. Die Wohnungen seien trotz etlicher Mängel aufgrund der Lage und der grünen, ruhigen Umgebung sehr attraktiv. Einen nennenswerten Leerstand gibt es nicht. „All die Mängel, die wir seit Jahren vorbringen, wie Schimmel, Feuchtigkeitsschäden und nicht vorhandener Wasserdruck, werden nun als Vorwand benutzt, um die Häuser abzureißen“, ärgert sich der Mieter. Bisher habe man die Verursachung dieser Mängel immer den Mietern unterstellt, um nicht tätig werden zu müssen.
Die Deutsche Wohnen hält die Häuser aufgrund der schlechten Bausubstanz für unsanierbar. Es gebe weder Schall- noch Wärmedämmung, einige Mängel wie die Wärmebrücken an den Balkonen könnten auch durch eine Grundsanierung nicht nachhaltig beseitigt werden. Der wirtschaftliche Aufwand stünde in keinem vernünftigen Verhältnis zum Ergebnis. Außerdem beabsichtige man, dringend benötigten neuen Wohnraum zu schaffen.
Ob die Deutsche Wohnen sich mit dieser Argumentation vor Gericht durchsetzen wird, ist fraglich. Bei einer Kündigung wegen mangelnder wirtschaftlicher Verwertung – auf die es in diesem Fall hinauslaufen würde – muss der Vermieter vor Gericht detailliert die Kosten offenlegen. „Er muss nachvollziehbar darlegen, warum sich eine Sanierung nicht rechnet“, erklärt Isabell Pohl, Rechtsberaterin beim Berliner Mieterverein: „Wir werden die Mieter gegebenenfalls unterstützen, auch vor Gericht.“
Birgit Leiß
MieterMagazin 6/14
Die Mieter schätzen die ruhige und grüne Lage der Siedlung im Westend
Foto: Sabine Münch
02.06.2014