Die Vermögen sind in Deutschland so ungleich verteilt wie in keinem anderen Land der Europäischen Union. Das reichste Zehntel der Bevölkerung verfügt über ein Vermögen von durchschnittlich 217.000 Euro. 28 Prozent haben kein Vermögen, fast jeder zehnte volljährige Erwachsene ist überschuldet. Die Armutsquote, die Personen mit weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens erfasst, beträgt im bundesweiten Durchschnitt über 15 Prozent. In Berlin gelten 21,2 Prozent der Bevölkerung als arm.
Die Bilanz des ersten Jahresgutachtens des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbandes zur Entwicklung des sozialen Zusammenhalts in Deutschland ist ernüchternd: „Trotz positiver Wirtschaftsentwicklung besteht in Deutschland ein ungebrochener Trend zur Verfestigung von Armut und Ausgrenzung. Die soziale Spreizung hat zugenommen, Armut hat sich verfestigt, Arbeitslosigkeit stagniert auf hohem Niveau.“ Immer größere Bevölkerungsgruppen geraten ins soziale Abseits. „Deutschland war noch nie so tief gespalten wie heute“, stellt Prof. Dr. Rolf Rosenbrock, Vorsitzender des Paritätischen Gesamtverbandes, fest.
Ein Indikator dieser Spaltung ist die steigende Zahl der Obdachlosen und Wohnungslosen. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) geht von 22.000 Obdachlosen aus, die tatsächliche Zahl dürfte weit höher liegen. Bis 2016 prognostiziert die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAG) eine Zunahme der Wohnungslosigkeit um circa 30 Prozent. Sie fordert deshalb eine nationale Strategie zur Überwindung von Wohnungsnot und Armut. Im Rahmen einer koordinierten Wohnungsnotfallhilfe sollen umfassende Maßnahmen zur Verhinderung von Wohnungsverlusten, zur Beseitigung von Straßenobdachlosigkeit und zum Aufbau einer flächendeckenden Wohnungsnotfall-Berichterstattung erfolgen. Die BAG schlägt eine interministerielle Arbeitsgruppe vor, die Eckpunkte eines Nationalen Rahmenplans erarbeiten soll. Auch in den Bundesländern, Städten und Landkreisen sollen detaillierte Wohnungsnotfall-Rahmenpläne aufgestellt werden. Das zuständige Bundesministerium sieht allerdings keinen Handlungsbedarf: „Aktuell ist nicht geplant, eigens und begrenzt allein zum Thema ‚Wohnungslosigkeit‘ eine gesonderte interministerielle Arbeitsgruppe einzurichten“, so ein Sprecher.
Die Zahl der Berliner Obdachlosen und Wohnungslosen wird zurzeit auf 11.000 geschätzt. Verlässliche Zahlen gibt es nicht. Winfried Uhrig, Vorsitzender der BAG: „Nur wenn man weiß, wie viele Menschen wo und warum ihre Wohnungen verlieren, kann entsprechend effektiv gehandelt werden.“
Rainer Bratfisch
MieterMagazin 6/14
Die Zahl der Wohnungslosen wird auf 11.000 in Berlin geschätzt
Foto: Nils Richter
28.09.2022