Für den Präsidenten der internationalen Mietervereinigung (IUT) ist Mieterschutz ein universelles Thema.
MieterMagazin: Es ist schwer vorstellbar, dass man so unterschiedliche Mitgliedsstaaten wie Kenia, Israel oder Australien unter einen Hut bekommt. Gibt es da überhaupt Gemeinsamkeiten?
Sven Bergenstråhle: Der IUT kann und will ja nicht die einzelnen Mitgliedsstaaten repräsentieren. Aber wir spielen eine wichtige Rolle, was das Verbreiten von Informationen über das Thema Wohnungen und Mietwohnungsmarkt betrifft. Es geht um den Erfahrungsaustausch. Wir glauben, dass jede nationale Organisation von den Erfolgen und Rückschlägen der anderen lernen kann – trotz aller Unterschiede. In begrenztem Maß leisten wir außerdem Unterstützung beim Aufbau einer nationalen Organisation. Wohnen ist ein fundamentales Recht, ein Grundbedürfnis, ganz egal, wo man lebt. Der Zugang zu erschwinglichem Wohnraum ist eine der wichtigsten Säulen in einer funktionierenden Demokratie. Das Recht eines jeden auf angemessenen Wohnraum, ein fairer und transparenter Mietwohnungsmarkt mit einem Mieterschutz und einem Interessenausgleich zwischen Mietern und Eigentümern – das sind universelle Themen.
MieterMagazin: Was haben Sie bisher erreicht?
Sven Bergenstråhle: Ein Erfolg ist, dass wir seit 2008 ein eigenes Büro in Brüssel haben, wo wir unsere Themen in die Europäische Union einbringen können. Das Büro unter der Leitung von Barbara Steenbergen hat sicher dazu beigetragen, dass wir mittlerweile als wichtige Interessengruppe anerkannt werden. Wir betreiben klassische Lobbyarbeit: Wir knüpfen Kontakte zu Entscheidungsträgern, arbeiten mit anderen Nichtregierungsorganisationen zusammen und nehmen an Konferenzen teil. In diesem Jahr hatten wir zum ersten Mal die Gelegenheit, mit einem EU-Kommissar über Mieterthemen zu diskutieren.
Aber wir haben auch mächtig Gegenwind – die Privateigentümer und neoliberalen Politiker sind nach wie vor stark. Diese Kräfte haben die Finanzkrise benutzt, um eine soziale Wohnungspolitik zu attackieren und die Privatisierung voranzutreiben.
Für viele Menschen hat sich die Lage verschärft, während die Banken und die Wohlhabenden ungeschoren davongekommen sind. Das hat aber auch dazu beigetragen, dass unsere Forderungen zunehmend unterstützt werden. Allmählich wird anerkannt, welche wichtige Rolle bezahlbarer Wohnraum für eine gut funktionierende Gesellschaft spielt. Trotzdem: Es liegt noch ein langer Weg vor uns.
MieterMagazin: Kontrovers diskutiert wird derzeit der Soziale Wohnungsbau. Worum geht es bei dieser Debatte?
Sven Bergenstråhle: In vielen Ländern steht der Soziale Wohnungsbau unter Beschuss. Das spiegelt sich auch in einigen Entscheidungen der EU-Kommission wider. Das Ziel der Privateigentümer ist es, den Sozialen Wohnungsbau auf einen winzigen Sektor zu beschränken, um mehr Geld zu verdienen. Er soll nur für die am meisten bedürftigen und ärmsten Menschen sein. Die Frage nach der Zielgruppe ist ganz entscheidend, es geht dabei nämlich um die soziale Mischung. Ich halte es für unklug, Ghettos von Bedürftigen zu schaffen, denn die soziale Zusammensetzung in einem Quartier hat großen Einfluss auf die künftigen Chancen der Menschen, die hier leben.
Aus diesem Grund haben einige Länder den Zugang erweitert und lassen auch Haushalte mit einem etwas höheren Einkommen in den Sozialen Wohnungsbau ziehen. Aber die Länder haben unterschiedliche Ansätze, um die soziale Mischung hinzubekommen – und das sollte die EU-Kommission auch akzeptieren. Sie begründet ihre Einmischung mit dem Wettbewerbsrecht.
Aber hat man davon jemals gehört, wenn es um die Subventionen für Eigentümer geht? In manchen Ländern sind diese Subventionen sehr hoch, vor allem in Form von Steuerersparnissen, von denen in erster Linie wohlhabende Haushalte profitieren. Daran sind nicht einmal irgendwelche Bedingungen geknüpft, was dann in stark nachgefragten Regionen zu höheren Mietpreisen führt. Wegen der Subventionen ist es zudem für Bauherrn profitabler, Eigentumswohnungen zu bauen. Dabei braucht ein gesunder Wohnungsmarkt bezahlbare Mietwohnungen.
Das Interview führte MieterMagazin-Mitarbeiterin Birgit Leiß
MieterMagazin 7+8/14
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Sven Bergenstråhle ist seit 2010 Präsident der International Union of Tenants (IUT) mit Sitz in Stockholm. Der 70-Jährige, der wie sein Vorgänger Schwede ist, ist schon seit vielen Jahren in der Mieterbewegung aktiv
Foto: IUT
03.09.2014