Leitsatz:
a) Ein mehrjähriger (berufsbedingter) Auslandsaufenthalt des Mieters kann ein berechtigtes Interesse an der Überlassung eines Teils des Wohnraums an einen Dritten begründen (Fortführung von BGH, Urteil vom 23.11.2005 – VIII ZR 4/05, NJW 2006, 1200).
b) Von einer Überlassung eines Teils des Wohnraums im Sinne des § 553 Abs. 1 BGB ist regelmäßig bereits dann auszugehen, wenn der Mieter den Gewahrsam an dem Wohnraum nicht vollständig aufgibt. Hierfür genügt es, wenn er ein Zimmer einer größeren Wohnung zurückbehält, um hierin Einrichtungsgegenstände zu lagern und/oder dieses gelegentlich zu Übernachtungszwecken (Urlaub, kurzzeitiger Aufenthalt) zu nutzen.
BGH vom 11.6.2014 – VIII ZR 349/13 –
Langfassung: www.bundesgerichtshof.de [PDF, 18 Seiten]
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Die Mieter hatten seit 2001 eine Dreizimmerwohnung des Vermieters in Hamburg angemietet. Seit 2010 halten sie sich berufsbedingt in Kanada auf. Mit Schreiben vom 19.8.2010 unterrichteten sie den Vermieter von ihrer Absicht, die Wohnung – mit Ausnahme eines von ihnen weiter genutzten Zimmers – ab dem 15.11.2010 voraussichtlich für zwei Jahre an eine namentlich benannte Interessentin unterzuvermieten, weil sie sich in dieser Zeit aus beruflichen Gründen regelmäßig im Ausland aufhalten würden. Der Vermieter verweigerte die Zustimmung zur Untervermietung. Mit rechtskräftigem Urteil des Amtsgerichts vom 4.10.2011 wurde er verurteilt, die Untervermietung der beiden vorderen Zimmer der Wohnung bis zum 31.12.2012 an die von den Mietern benannte Interessentin zu gestatten.
In einem weiteren Prozess nahmen die Mieter den Vermieter auf Zahlung entgangener Untermiete im Zeitraum vom 15.11.2010 bis 30.10.2011 in Höhe von insgesamt 7475 Euro nebst Zinsen in Anspruch. Der BGH gab dem statt.
Indem der Vermieter die Zustimmung zur Untervermietung verweigert habe, habe er schuldhaft eine mietvertragliche Pflicht verletzt und sei zum Ersatz des daraus entstandenen Schadens (Mietausfalls) verpflichtet.
Die Mieter hätten ein berechtigtes Interesse an der Untervermietung wegen ihres berufsbedingten Auslandsaufenthaltes gehabt. Dem Anspruch auf Gestattung der Untervermietung stünde auch nicht entgegen, dass die Mieter nur ein Zimmer der Dreizimmerwohnung von der Untervermietung ausnahmen und auch dieses während ihres Auslandaufenthalts nur gelegentlich zu Übernachtungszwecken nutzen wollten.
§ 553 Abs. 1 BGB stelle weder quantitative Vorgaben hinsichtlich des beim Mieter verbleibenden Anteils des Wohnraums (anders als § 21 WoBindG für den Sozialen Wohnungsbau) noch qualitative Anforderungen bezüglich seiner weiteren Nutzung durch den Mieter auf. Dass die Mieter mehr als die Hälfte des Wohnraums oder wenigstens einen signifikanten Anteil zur Eigennutzung zurückbehalten müssten, sei dieser Vorschrift nicht zu entnehmen. Insbesondere sei ein Mieter nicht verpflichtet, in der Wohnung seinen Lebensmittelpunkt zu begründen; wo er im herkömmlichen Sinn „wohne“, sei seinen persönlichen Vorstellungen und seiner freien Entscheidung überlassen.
Von einer „Überlassung eines Teils des Wohnraums an Dritte“ im Sinne des § 553 Abs. 1 BGB sei regelmäßig bereits dann auszugehen, wenn der Mieter den Gewahrsam an dem Wohnraum nicht vollständig aufgebe. Hierfür genüge es, wenn er ein Zimmer einer größeren Wohnung zurückbehält, um hierin Einrichtungsgegenstände zu lagern und/oder es gelegentlich zu Übernachtungszwecken zu nutzen.
Der Vermieter könne sich hinsichtlich der verweigerten Zustimmung zur Untervermietung nicht auf einen unverschuldeten Rechtsirrtum berufen. Dass die Frage, ob ein Mieter Anspruch auf Zustimmung zur Untervermietung habe, wenn er einen mehrjährigen Auslandsaufenthalt antrete, währenddessen er den ihm verbleibenden Teil des Wohnraums nur sporadisch nutzen werde, bislang noch nicht Gegenstand einer höchstrichterlichen Entscheidung gewesen sei, entlaste den Vermieter nicht von seiner rechtlichen Fehleinschätzung. Denn er hätte sich mit Rücksicht auf eine insoweit bestehende Rechtsunsicherheit nicht der Möglichkeit verschließen dürfen, dass er zur Erteilung der Erlaubnis verpflichtet war, und dürfe das Risiko einer Fehleinschätzung nicht den Mietern zuweisen.
15.05.2017