Bundesbauministerin Barbara Hendricks schloss im Juli mit der Bau- und Wohnungswirtschaft, Gewerkschaften, Bauberufsverbänden und dem Deutschen Mieterbund das „Bündnis für bezahlbares Wohnen und Bauen“ ab. Diese überfällige Neuorientierung der Wohnungspolitik hintertreibt die Bundesregierung jedoch selbst, indem sie bundeseigene Wohnungen gegen Höchstgebot verkauft und somit der Spekulation preisgibt.
„Insbesondere in Ballungsräumen fehlt es an bezahlbarem Wohnraum. Wir brauchen mehr Neubau, eine starke soziale Wohnraumförderung und eine bessere Unterstützung einkommensschwächerer Haushalte bei den Wohnkosten“, erklärte Barbara Hendricks zum Auftakt des Wohnbaubündnisses. Dessen Ziel ist es, den Neubau und den Sozialen Wohnungsbau zu beleben, bezahlbare Mieten zu ermöglichen, die energetische Sanierung und den altersgerechten Umbau zu meistern und dabei die Baukosten im Zaum zu halten. Die Bündnispartner wollen dazu bis zum Herbst 2015 gemeinsam Lösungen erarbeiten.
In der Praxis ist dieser löbliche Sinneswandel aber im eigenen Beritt noch nicht angekommen: Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) verkauft weiterhin bundeseigene Grundstücke und Häuser an den Höchstbietenden und öffnet somit der Mieterverdrängung durch Spekulanten Tür und Tor.
Im aktuellen Verkaufsprospekt der BImA befinden sich mehrere Berliner Mietshäuser. So werden die drei Altbauten Großgörschenstraße 25-27/Katzlerstraße 10/11 in Schöneberg mit 48 Wohnungen meistbietend versteigert. Die Mieter machen mit Protesttransparenten auf ihre Lage aufmerksam: „Wer mit Häusern spekuliert, hat soziale Verantwortung nicht kapiert!“ Mit dem Verkauf zum Höchstgebot steigt der Verwertungsdruck. Hier lässt schon der Mindestpreis von 7,1 Millionen Euro eine Refinanzierung des Kaufs über reguläre Mieterhöhungen in den Bestandsmietverträgen nicht zu. Investoren werden also versuchen, auf anderen Wegen auf ihre Kosten zu kommen, etwa durch Luxusmodernisierungen, Eigentumsumwandlung oder Neuvermietung.
Das Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg hat kürzlich das Gebiet um die Großgörschenstraße unter Milieuschutz gestellt, so dass übermäßig teure Modernisierungen dort nicht genehmigt werden müssen. Das ist auch ein Signal an die möglichen Käufer der Häuser: Hier sind dem Renditestreben Grenzen gesetzt. Zuvor hatte auch die städtische Wohnungsbaugesellschaft Gewobag ein Kaufangebot für die Großgörschen- und Katzlerstraße abgegeben – jedoch ohne Erfolg.
Opposition: Verkaufspraxis ändern
Die BImA ist dem Bundesfinanzministerium unterstellt und sieht sich dazu verpflichtet, zum höchsten Gebot zu verkaufen. Linke und Grüne, aber auch Berliner Vertreter der SPD und CDU-Bezirksverordnete fordern, dieses Prinzip aufzugeben. „Genossenschaften oder kommunale Wohnungsbaugesellschaften müssen bundeseigene Immobilien erwerben können, auch wenn diese nicht das höchste Angebot abgeben, dafür aber niedrige Mieten und Pflege des Bestandes garantieren, fordert Heidrun Bluhm von der Linksfraktion im Bundestag. Die Grünen wollen das Haushaltsrecht so ändern, dass alle Kommunen bei Bedarf den ersten Zugriff auf die Bundesliegenschaften bekommen. Die Abstimmung über einen vorläufigen Verkaufsstopp hat die Regierungsmehrheit in die Zeit nach der Sommerpause verschoben. Für die Großgörschenstraße/Katzlerstraße ist es dann zu spät: Ende Juli war der Abgabeschluss für Kaufgebote. Kurz vorher haben die Mieter mit der Wohnungsbaugenossenschaft Bremer Höhe ein Angebot über 4,8 Millionen Euro abgegeben. Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben lehnte ab: Zu wenig.
Jens Sethmann
MieterMagazin 9/14
Der enorme Kaufpreis der Bundes-Immobilie in der Großgörschenstraße ist über reguläre Mieterhöhungen nicht zu erwirtschaften
Foto: Sabine Münch
Zum Thema
Bund auf dem Verkaufstrip
Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BimA) besitzt in Berlin rund 5000 Wohnungen. Bis 2018 will sie davon 1700 Wohnungen abstoßen. Neben den Wohnhäusern in der Großgörschen-/Katzlerstraße stehen zurzeit im Wedding sieben 60er-Jahre-Häuser in der Londoner Straße und Themsestraße mit zusammen 84 Wohnungen zum Verkauf. Daneben versteigert die BImA auch Baugrundstücke, auf denen zumindest teilweise Wohnungen errichtet werden sollen, darunter Flächen an der Breiten Straße, Niederwallstraße, Stallschreiberstraße und Otto-Braun-Straße in Mitte. Die Vergabe nach dem Höchstpreisverfahren macht Überlegungen, hier auch preisgünstige Wohnungen zu bauen, schon im Ansatz zunichte.
js
19.06.2023