In zwei Gerichtsverfahren greifen Vermieter zurzeit den Berliner Mietspiegel an. In beiden Verfahren wurde Prof. Dr. Walter Krämer von der Technischen Universität Dortmund mit einer Bewertung beauftragt. Der Berliner Mieterverein übt deutliche Kritik an den nun bekannt gewordenen Ergebnissen des Gutachters.
Während der Mietspiegel 2009 Gegenstand eines Verfahrens vor dem Landgericht Berlin ist, wird vor dem Amtsgericht Charlottenburg über den Berliner Mietspiegel 2013 gestritten. In beiden Verfahren wollen die Vermieter erreichen, dass dem Berliner Mietspiegel seine Eigenschaft als qualifizierter Mietspiegel abgesprochen wird, um eine höhere Miete zu erzielen. Prof. Dr. Walter Krämer spielt den Vermietern mit seinen Gutachten in die Hände. Er zweifelt die Repräsentativität der dem Mietspiegel zugrunde liegenden Daten an, rügt das Verfahren der Wohnlagenzuordnung als systemwidrig und kritisiert das wissenschaftliche Verfahren.
Beim Berliner Mieterverein verursachen beide Gutachten nur Kopfschütteln. „Die Schlussfolgerungen von Krämer sind absurd“, so Mietervereinsgeschäftsführer Reiner Wild, „er hat beim Mietspiegel 2009 weder die Methodik der Erstellung der Berliner Wohnlagenkarte noch die Wohnlageneinstufung des streitgegenständliches Gebäudes systematisch untersucht.“ Stattdessen fallen beide Gutachten durch willkürliche individuelle Wertungen auf, die nichts mit der Erstellung eines Mietspiegels zu tun haben. So befremdet in dem Gutachten zum Mietspiegel 2009 der Hinweis des Professors auf ein Schuhgeschäft mit Schuhen nicht unter 300 Euro und seiner Schlussfolgerung, dass „man da doch das eine oder andere Graffiti an den Wänden gern in Kauf nimmt“.
Keine Auswirkungen für die aktuelle Praxis
Unterstützung erhält der Berliner Mieterverein von Dr. Michael Clar vom Forschungsinstitut F+B. Die Beklagtenseite hatte ihn in dem Verfahren vor dem Landgericht Berlin mit einer Stellungnahme zu dem Gutachten von Krämer beauftragt. Clar kommt zu dem Ergebnis, dass sich das Gutachten weder mit den wissenschaftlichen Grundlagen für die Erstellung eines qualifizierten Mietspiegels auseinandersetzt, noch die Voraussetzungen analysiert, die ein qualifizierter Mietspiegel erfüllen muss. „Der Nachweis, dass der Berliner Mietspiegel 2009 nicht die Voraussetzungen eines qualifizierten Mietspiegels erfüllt, ist mit dem Gutachten von Professor Krämer nicht erbracht“, so sein Fazit.
Für die Beratungspraxis bei Mieterhöhungen wird sich unabhängig vom Ausgang der Verfahren erst einmal nichts ändern. Erst wenn sich abzeichnen sollte, dass die Berliner Landgerichtskammern zunehmend der Mietenübersicht die Eigenschaft als qualifizierten Mietspiegel absprechen, hätte das Auswirkungen für die Mieter. Sie wären einem höheren Prozesskostenrisiko ausgesetzt, da die Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete mit dem Mietspiegel nicht mehr verbindlich wäre und die Gerichte Sachverständigengutachten zur Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete heranziehen würden. Doch bislang ist man zuversichtlich beim Berliner Mieterverein, dass es so weit nicht kommen wird. „Der Berliner Mietspiegel ist ein guter Mietspiegel. Der Aufwand, mit dem er von der Arbeitsgruppe Mietspiegel erstellt wird, übertrifft den aller anderen Mietspiegel in Deutschland“, so Reiner Wild.
Allerdings rechnet man beim Berliner Mieterverein damit, dass die Angriffe auf den Mietspiegel zunehmen werden. Grund ist die vom Bundesjustizministerium für 2015 geplante Mietpreisbremse, nach der die Wiedervermietungsmieten bei 10 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete gekappt werden sollen. Die Folge werden Auseinandersetzungen über die Berechnungsgrundlage sein.
Der Berliner Mieterverein regt daher eine bundesweit geltende Rechtsverordnung an. „Dadurch könnten verbindliche Standards für die Erstellung von Mietspiegeln gesetzt werden, die das Instrument stärken würden“, so Reiner Wild.
Wibke Werner
MieterMagazin 9/14
Um höhere Mieten zu erzielen, versuchen Vermieter immer wieder, die Qualität des Mietspiegels in Zweifel zu ziehen
Foto: Christian Muhrbeck
Rat und Tat
Deutsche Wohnen verweist auf das Professoren-Gutachten
Die Deutsche Wohnen nutzt das Gutachten von Prof. Dr. Walter Krämer bereits als Argument für die Begründung ihrer Mieterhöhungsverlangen mit Vergleichswohnungen. In einem Schreiben, das dem Berliner Mieterverein vorliegt, werden die Ergebnisse des Professors zitiert und die Mieter auf eine „sehr informative Zusammenfassung“ des Gutachtens in einer Fachzeitschrift verwiesen. Damit setzt die Deutsche Wohnen ihre Verweigerungshaltung gegen den Mietspiegel fort. Schon in der Vergangenheit hatte sie dessen Berechnungsverfahren nicht angewandt und von angedrohten Klageverfahren erst in letzter Minute abgesehen.
ww
30.09.2014