Auf den ersten Blick ist das Gebäude Bissingzeile 11 – unweit des Potsdamer Platzes – ein wahres Schmuckstück. 1895/96 erbaut, gehörte es einst zu einem Ensemble von 13 hochherrschaftlichen Häusern in einer Privatstraße. Doch auf den zweiten Blick liegt in dem“Kleinod städtischer Architektur“ einiges im Argen.
Das Haus, das der Wohnungsbaugesellschaft Degewo gehört, liegt mitten im Berliner Urstromtal und hat daher massive Probleme mit dem steigenden Grundwasserspiegel. Auf eine Unterkellerung wurde beim Bau bewusst verzichtet. Der Vorwurf einiger langjähriger Mieter: Ohne Druck über Mieterverein oder Anwalt macht die Degewo gar nichts.
Jahrelang lebte eine Familie im Erdgeschoss mit Schimmel und feuchten Wänden, sogar die Badewanne rostete durch.
„Nur weil wir die Miete gemindert und nicht locker gelassen haben, hat sich die Degewo dann irgendwann gerührt“, berichten die Mieter. Für die Sanierungsarbeiten musste die Wohnung komplett ausgeräumt werden, die Mieter sind in eine Umsetzwohnung gezogen. Dort erreichte sie vor einiger Zeit der Anruf eines aufgeregten Nachbarn. Die Bauarbeiter seien gerade dabei, die Holzdielen in ihrer Wohnung zu zersägen. Dabei stehen diese – wie das gesamte Haus – unter Denkmalschutz. Vereinbart worden war, dass der Bodenbelag nach der Trocknung wieder eingesetzt wird. Doch das wussten die Bauarbeiter offenbar gar nicht. Es handele sich nicht um Originaldielen, daher stünden sie nicht unter Denkmalschutz, heißt es bei der Degewo. Beim Denkmalschutzamt Mitte spricht man von einem „Grenzfall“.
Zumindest einige der Dielen stammen nicht aus der Zeit des Baujahrs, so Guido Schmitz, Leiter des Fachbereichs Denkmalschutz: „Wenn sie technisch nicht in Ordnung sind und ausgewechselt werden müssen, ist das hinnehmbar.“
Wenig denkmalgerecht wirkt indes die abenteuerliche Verlegung der neuen Wasserrohre über Putz. Die Degewo begründet das damit, dass einige Mieter den Zutritt zur Wohnung verweigern. Man musste daher teilweise „Provisorien“ im Treppenhaus verlegen, so Sprecher Lutz Ackermann. „Wir möchten lediglich, dass Termine vereinbart werden und nicht einfach an der Tür geklingelt wird“, sagt dazu ein Mieter. Ohnehin sei der Austausch der alten Bleirohre, der seit Anfang 2014 vorgeschrieben ist, erst durch Intervention der Mieter veranlasst worden. Auch diese Darstellung weist die Degewo zurück. „Das trifft nur auf einige Wohnungen mit nach außen nicht sichtbaren Rohren zu“, sagt er.
Rechtsberater Thomas Fischer-Lück, der einige Mieter aus dem Haus vertritt, hat jedenfalls den Eindruck, dass der Vermieter hier versucht, Kosten zu sparen. Statt das Feuchtigkeitsproblem grundlegend anzugehen, werde Flickschusterei betrieben.
Birgit Leiß
MieterMagazin 10/14
Es dauerte Jahre, bis die Degewo Feuchtigkeit im Fundament des Hauses Bissingzeile 11 stoppte
Foto: Nils Richter
30.10.2014