Das Haus Enckestraße 4/4 a in Kreuzberg soll an einen neuen Eigentümer mieterfrei übergeben werden. Der alte Eigentümer tut sein „Bestes“.
In dem Haus wohnt seit 2004 die Mieterin Tanja Stoffenberger, ihr Nachbar Angelo Valtchev schon seit den 80er Jahren. Seit längerem schon kämpfen sie darum, nicht aus ihren Wohnungen ausziehen zu müssen – mit Anwälten und einer minutiösen Dokumentation von unschönen Vorfällen in ihrem Haus.
Das Haus soll laut Bebauungsplan abgerissen werden. Der Projektentwickler „Münchner Grund“ hat im vergangenen Herbst das Grundstück vorgemerkt – endgültig kaufen will er es, wenn es mieterfrei ist.
Nun ist das Haus aber nicht mieterfrei: Von 23 Wohnungen sind noch sieben bewohnt. Viele haben sich durch Abfindungszahlungen zum Auszug überreden lassen, doch wer jetzt noch dort wohnt, will nicht weg. Und das gefällt dem jetzigen Eigentümer, der Firma „Bel Invest“ so gar nicht.
Nachdem die Abfindungsgespräche mit den verbliebenen sieben Haushalten gescheitert waren, wurden ihnen juristische Schritte angekündigt. Seit Mai 2014 geht es Schlag auf Schlag. Im Wochenrhythmus – so die Aussagen der Mieter – erhielten sie Post: mal vom Eigentümer, mal von dessen Anwalt. Im Juni sei ihnen eine Kündigung zu Ende Februar 2015 zugegangen mit der Begründung, dass der Eigentümer an einer „angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks“ gehindert sei.
Ende Juni, so erzählen die Mieter weiter, seien die leerstehenden Wohnungen schon für den Abriss vorbereitet worden: Schlösser wurden herausgerissen, genauso wie Badewannen, Fensterklinken und Rohre aus den Wänden. Schließlich sei begonnen worden, Hof und Garten zu räumen, erst das Naturschutzamt habe die Bautrupps – mit Vogelschutz begründet – vorerst stoppen können. Die Flure sind seit Wochen nicht mehr gereinigt worden. Der eigene Augenschein bestätigt: Das Haus verwahrlost.
Die Mieter berichten, dass durch die Arbeiten in den leerstehenden Wohnungen die Wasserleitungen beschädigt wurden mit der Folge, dass noch bewohnte Wohnungen Wasserschäden erlitten. Zwischendurch ist das Wasser eine Woche lang in den Wohnungen von Stoffenberger und Valtchev komplett abgestellt gewesen. Valtchev resümiert: „Wir sind entnervt.“
Werner Oehlert von der Beratungsgesellschaft ASUM kann das verstehen: Der Eigentümer mache den Leuten in dem Haus das Leben so schwer wie möglich, auch wenn alles immer gerade noch so im rechtlich zulässigen Rahmen bleibe.
Was sagt die andere Seite dazu? Man sei grundsätzlich bereit, mit den Mietern eine Lösung zu finden, lässt der Anwalt im Auftrag mitteilen: „Allerdings ist Ziel nicht, dass die Mieter dort wohnen bleiben, sondern ausziehen.“ Auf die unzumutbaren Abrissarbeiten im Haus angesprochen: „Inakzeptable Methoden sind uns nicht bekannt, alles erfolgt unter Beachtung der gesetzlichen Vorschriften.“ Den Mietern seien großzügige Abfindungen für die Aufhebung der Mietverträge angeboten worden. „Sollte es zu keiner Einigung kommen, wird eben der Rechtsweg beschritten.“
Um das Schlimmste zu verhindern, klinkt sich nun regelmäßig die Wohnungsaufsichtsbehörde ein und stellt sicher, dass die Wohnungen bewohnbar bleiben. „Aber die Zustände sind richtig schlimm“, weiß Christa Haverbeck, Leiterin der Sanierungsverwaltungsstelle im Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg. Ein Abrissantrag für das Haus sei bislang in ihrer Behörde nicht eingegangen. Insofern könne man zurzeit für die Mieter nicht mehr tun, als die Wohnungsaufsicht einzuschalten.
Wiebke Schönherr
MieterMagazin 11/14
Stehen den Investoren-Plänen im Weg: Tanja Stoffenberger und Angelo Valtchev
Foto: Wiebke Schönherr
11.11.2014