Leitsatz:
Die gesetzliche Neuregelung in § 67c GenG rechtfertigt es nicht, auf eine vor ihrem Inkrafttreten vom Insolvenzverwalter ausgesprochene Kündigung der Mitgliedschaft des Schuldners in einer Wohnungsgenossenschaft entgegen der bisherigen Rechtsprechung das insolvenzrechtliche Kündigungsverbot für gemieteten Wohnraum entsprechend anzuwenden.
BGH vom 18.9.2014 – IX ZR 276/13 –
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Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Zum 19. Juli 2013 war ein neuer § 67 c Genossenschaftsgesetz (GenG) in Kraft getreten (BGBl. 2013, S. 2385), mit folgendem Wortlaut: „§ 67 c Kündigungsausschluss bei Wohnungsgenossenschaften
(1) Die Kündigung der Mitgliedschaft in einer Wohnungsgenossenschaft durch den Gläubiger (§ 66) oder den Insolvenzverwalter (§ 66a) ist ausgeschlossen, wenn
1. die Mitgliedschaft Voraussetzung für die Nutzung der Wohnung des Mitglieds ist und
2. das Geschäftsguthaben des Mitglieds höchstens das Vierfache des auf einen Monat entfallenden Nutzungsentgelts ohne die als Pauschale oder Vorauszahlung ausgewiesenen Betriebskosten oder höchstens 2000 Euro beträgt.
(2) Übersteigt das Geschäftsguthaben des Mitglieds den Betrag nach Absatz 1 Nummer 2, ist die Kündigung der Mitgliedschaft nach Absatz 1 auch dann ausgeschlossen, wenn es durch Kündigung einzelner Geschäftsanteile nach § 67b auf einen nach Absatz 1 Nummer 2 zulässigen Betrag vermindert werden kann.“
Vor Inkrafttreten dieser neuen Vorschrift galt, dass der Insolvenzverwalter beziehungsweise Treuhänder die Mitgliedschaft des in Insolvenz gefallenen Mieters in einer Wohnungsgenossenschaft kündigen konnte. Das insolvenzrechtliche Kündigungsverbot für gemieteten Wohnraum (vgl. § 109 InsO) war auf diesen Fall nicht entsprechend anwendbar (BGH vom 19.3.2009 – IX ZR 58/08; BGH vom 17.9.2009 – IX ZR 63/09 –). Nach Kündigung der Mitgliedschaft wäre der Genossenschaft ohne Weiteres ihrerseits die Kündigung der Wohnung nach § 573 Abs. 1 BGB möglich gewesen (vgl. BGH vom 10.9. 2003 – VIII ZR 22/03). Die Einführung des neuen § 67 c GenG führt nunmehr dazu, dass die oben genannten BGH-Urteile ihren Schrecken für Mieter (teilweise) verloren haben.
Aus der Entscheidung des BGH vom 18.9.2014 geht allerdings hervor, dass der neue § 67 c GenG nur für Kündigungen des Insolvenzverwalters gilt, die nach dem Inkrafttreten der Vorschrift am 19.7.2013 zugehen. Im entschiedenen Fall war die Kündigung ein Jahr zuvor zugegangen, so dass eine Anwendung des § 67 c GenG ausschied.
29.06.2017