Prenzlauer Berg ist fertig saniert – jedenfalls offiziell. Mit dem Kiez um den Helmholtzplatz wurde das letzte und größte der fünf Sanierungsgebiete des Ortsteils aus dem Sanierungsrecht entlassen. In zwei Jahrzehnten Stadterneuerung erlebte der Kiez Irrwege, Kurswechsel und Sackgassen.
Prenzlauer Berg galt einst als der größte Sanierungsbereich Europas. Das ist nun Geschichte. Nachdem die übrigen Stadtviertel seit 2009 nach und nach aus der Sanierung entlassen worden waren, folgte im Dezember 2014 das letzte. 21 Jahre lang stand das Gebiet zwischen Prenzlauer Allee, Danziger Straße, Schönhauser Allee und Wichertstraße unter Sanierungsrecht.
Der Kiez um den Helmholtzplatz war Anfang der 90er Jahre ein städtebauliches Notstandsgebiet. Die Bausubstanz der Häuser war stark vernachlässigt. 44 Prozent der Wohnungen hatten kein Bad, jede vierte Wohnung hatte eine Außentoilette und 84 Prozent wurden mit Kohle beheizt. Der Leerstand war beträchtlich. Die Dunckerstraße war eine Besetzerhochburg. In der wilden Zeit traten hier mehrere ungeklärte Dachstuhlbrände auf, mit denen offensichtlich eine „warme Räumung“ beabsichtigt war. Berüchtigt war auch der Hausbesitzer „Aki“ aus der Raumerstraße, der seine Mieter auf fast jede erdenkliche Weise schikanierte und wiederholt tätlich angriff.
Das Viertel wurde in den letzten 21 Jahren komplett umgewälzt. 82 Prozent der erneuerungsbedürftigen Wohnungen sind modernisiert und instandgesetzt worden. Die Einwohnerzahl stieg von 18.900 auf 22.700, auch durch den Neubau von 1270 Wohnungen. Eine abschließende Sozialstudie stellte 2012 fest, dass nur noch 13 Prozent der Bewohner von 1992 im Gebiet leben. Die durchschnittliche Nettokaltmiete belief sich 2012 auf 6,22 Euro pro Quadratmeter. Bei fast einem Fünftel der Wohnungen lag die Miete damals aber bereits über 8 Euro. Schon 29 Prozent aller Wohnungen waren bis 2012 in Eigentum umgewandelt. Sieben Prozent aller Bewohner sind selbstnutzende Eigentümer. Das Sanierungsziel, die soziale Mischung zu erhalten, ist damit verfehlt worden. Immerhin gibt es 2789 mietpreis- und belegungsgebundene Wohnungen, die durch die Modernisierungsförderung entstanden sind.
Geglückt ist die Gründung einer Mietergenossenschaft, die im Jahr 2000 die drei Wohnblocks der „Bremer Höhe“ mit rund 500 Wohnungen kaufen und anschließend nach den Bedürfnissen der Bewohner sanieren konnte.
Um im Stadtteil mehr familiengerechten Wohnraum zu schaffen, hat man bei der Sanierung kleine Wohnungen zusammengelegt. Der Anteil der Einzimmerwohnungen hat sich von rund 40 Prozent auf 19 Prozent halbiert. Für Single-Haushalte sind dadurch die bezahlbaren Wohnungen sehr knapp geworden. Mit dem Milieuschutz, der seit Juli 2014 gilt, reißt der Bezirk nun das Ruder herum: Wohnungszusammenlegungen werden nicht mehr genehmigt.
Kurzsichtige Schulschließung
Kurzsichtig war auch die Schließung der Struwwelpeter-Grundschule in der Senefelderstraße im Jahr 2000 – der Babyboom am Prenzlauer Berg war damals schon absehbar. Acht Jahre später kam die Erkenntnis, dass man in dem mittlerweile als Musikschule genutzten Gebäude dringend wieder eine Grundschule einrichten muss. Der Umbau kostete über 4,8 Millionen Euro. Bund und Land Berlin haben rund um den Helmholtzplatz insgesamt 264 Millionen Euro für die Sanierung von Schulen und Kitas, die Anlage von Grünflächen und Spielplätzen und die Erneuerung von Gehwegen und Straßen ausgegeben.
Jens Sethmann
Da war es nur noch eins
Das erste Gesamt-Berliner Stadterneuerungsprogramm ist fast abgeschlossen. Von den 22 Sanierungsgebieten, die zwischen 1993 und 1995 aufgestellt wurden, ist nur noch eins übrig: Das Gebiet Niederschöneweide wird voraussichtlich erst 2016 aus der Sanierung entlassen. Hier ist vor allem noch die künftige Nutzung großer Industriebrachen an der Spree ungeklärt. Im Jahr 2011 hat der Senat sieben neue Sanierungsgebiete festlegt.
js
05.03.2015