Die Scharnweberstraße 111 in Reinickendorf war jahrelang eines jener „Roma-Häuser“, über das die Medien immer wieder berichteten – mit unzumutbaren Mängeln und extrem überbelegten Wohnungen. Heute ist die „Bunte 111“ eine Erfolgsgeschichte in Sachen Integration.
Als die städtische Wohnungsbaugesellschaft Gewobag den Altbau im Jahre 2013 kaufte, waren Haus und Wohnungen in katastrophalem Zustand. Etwa zwei Drittel der Mieter waren (und sind) Roma-Familien aus Rumänien. Zwischen den verschiedenen Bewohnergruppen gab es erhebliche Konflikte. „Uns war klar, dass wir das nicht einfach laufen lassen können und dass wir Partner brauchen“, sagt die Geschäftsführerin der Gewobag Mieterberatung, Kerstin Kirsch. Daher tat man sich in einem Modellprojekt mit der Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen sowie dem Bezirksamt Reinickendorf zusammen und holte noch den Verein „Phinove“ mit ins Boot. Der Verein unterstützt die Zuwanderer beim Ankommen im Berliner Alltag.
Als erster Schritt wurden im Erdgeschoss Gemeinschaftsräume eingerichtet. Sie stehen für nachbarschaftliche Aktivitäten zur Verfügung, zusätzlich hat Phinove hier ein Beratungsbüro. Als nächstes wurden die Wohnungen instandgesetzt und von den Familien selber – mit finanzieller Unterstützung durch das Wohnungsunternehmen – renoviert. Auf eine komplette Modernisierung hat man bewusst verzichtet, um die Mieten niedrig zu halten. Die Roma-Familien erhielten zudem erstmals richtige Mietverträge. Im Oktober 2014 bemalten dann die Kinder aus dem Haus zusammen mit internationalen Streetart-Künstlern Fassade und Hofdurchgänge – daher auch der Name „Bunte 111“.
Als nächstes steht nun die Verschönerung der Höfe an. Dazu ist die Gewobag eine Kooperation mit der Technischen Universität Cottbus-Senftenberg und dem Berliner Stadtplanungsbüro „UrbanPlus“ eingegangen. Bei einer Planungswerkstatt wurden die Ideen der Bewohner gesammelt. Die wichtigsten Ergebnisse: Kinder wie Erwachsene wünschen sich Blumen sowie Hochbeete mit Kräutern. Der vordere Hof soll sich in einen ruhigen, grünen Bereich verwandeln, der hintere Hof mit Spielgeräten den Kindern zur Verfügung stehen. Die Umgestaltung soll nach und nach zusammen mit den Bewohnern durchgeführt werden.
„Über gemeinsame Aktivitäten kann man den Prozess des Zusammenlebens am besten unterstützen“, meint Thomas Knorr-Siedow von UrbanPlus. Wichtig sei auch das Signal an die Bewohnerschaft, dass man sie ernst nehme. Mittlerweile hat sich das nachbarschaftliche Miteinander deutlich gebessert. Derzeit sind noch zwei Wohnungen frei. Diese werden aber nur an Bewerber vergeben, die sich in das Projekt einbringen wollen. Zuletzt ist eine Künstlerin eingezogen.
Birgit Leiß
29.05.2015