Seit einem Jahr sind Vermieter und Immobilienmakler verpflichtet, potenzielle Mieter oder Käufer ungefragt mit einem Energieausweis über den energetischen Zustand eines Gebäudes zu informieren. In der Praxis wird dies – ein wichtiges Instrument der Energiewende – jedoch weder ernst genommen noch kontrolliert.
Nach einer Stichprobe der Mietervereine in Berlin, München, Hannover und Stuttgart haben 75 Prozent der Anbieter bei Wohnungsbesichtigungen den Testpersonen den Energieausweis nicht wie gesetzlich vorgeschrieben unaufgefordert vorgelegt. Selbst auf Nachfrage machten 50 Prozent der Vermieter beziehungsweise Makler keinerlei Angaben zur Energieeffizienz ihrer Objekte. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) bestätigt dieses katastrophale Ergebnis. Lediglich 14 Prozent der Immobilienanzeigen privater Vermieter und Verkäufer enthalten die gesetzlich vorgeschriebenen Informationen.
Das Energieeinsparungsgesetz (EnEG) und die Energieeinsparverordnung (EnEV) mit denen nach mehrjähriger Verspätung und einer Klagedrohung aus Brüssel die EU-Gebäuderichtlinie vor einem Jahr endlich in nationales Recht umgesetzt wurde, legen fest, dass die Bundesländer für den Vollzug verantwortlich sind. Bisher kontrolliert jedoch kein Bundesland die Vorlage des Energieausweises. Anlassunabhängige Stichprobenkontrollen erfolgen ebenfalls nicht. Berlin und die Mehrzahl der anderen Bundesländer unternehmen selbst bei ausdrücklichen Bürgerbeschwerden nichts. Verstöße sind Ordnungswidrigkeiten und können seit dem 1. Mai 2015 mit einem Bußgeld von bis zu 15.000 Euro geahndet werden.
Für Ulrich Ropertz, Geschäftsführer des Deutschen Mieterbundes, ist der Energieausweis nach wie vor ein „Papiertiger“. DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch fordert die Bundesregierung auf, im Rahmen der im nächsten Jahr geplanten Überarbeitung der EnEV die gesetzlichen Voraussetzungen für eine erleichterte Umsetzung der Verordnung zu schaffen und eine wirksame Kontrolle zu installieren. Vor Papiertigern hat schließlich niemand Respekt. Und bürokratische Monster gibt es hierzulande sowieso mehr als genug.
Rainer Bratfisch
02.06.2015