Stimmt das mit dem Rohrbruch im Nebenhaus? Kann ich die nette junge Frau hereinlassen, wo sie doch behauptet, die Freundin der neuen Nachbarin zu sein? Ist dieser Mann wirklich der neue Ehrenamtliche von der Volkssolidarität? Die Fragen sind berechtigt; Vorsicht ist geboten. Die Zahl der Trickbetrüger steigt, und alle wollen nur eins: Rein in Ihre Wohnung.
Der Mann unten an der Haustür war hartnäckig: Er sei von den Wasserwerken und müsse alle Anschlüsse überprüfen. Auf die Frage der Mieterin Elly Sch., warum er sich denn nicht angemeldet habe und warum ihr der Hausmeister beziehungsweise ihre Wohnungsgenossenschaft nicht Bescheid gesagt hätten, wusste er keine Antwort. „Ich bin vielleicht alt und klapprig, aber doch nicht blöde“, erklärte die 90-Jährige empört ihrer Tochter. Sie hatte irgendwann das Gespräch an der Gegensprechanlage einfach abgebrochen und die Sicherheitskette innen vor die Tür gelegt.
In 940 Fällen dagegen waren laut Polizeilicher Kriminalstatistik (PKS) Trickdiebe im vergangenen Jahr an Berliner Wohnungstüren erfolgreich. Ihre Beute: Geld, Schmuck und andere Wertgegenstände. Ihre Opfer: vorzugsweise Senioren.
Die Handwerker-Legende ist eine der häufigsten, und nicht immer ist sie so „leicht“ zu durchschauen wie im Fall einer eigentlich anzukündigenden Inspektion. Viele Trickbetrüger täuschen eine Befugnis vor, um in eine Wohnung zu gelangen: ein angeblicher Rohrbruch in der Nachbarschaft, eine kurzfristige Überprüfung der Gas-, Wasser- oder Elektrizitätswerke wegen eines akuten Problems, ein Besuch der Hausverwaltung, der Kirche, Krankenkasse, des Sozialamtes, einer Versicherung oder gar der Polizei. Während die Bewohner dann abgelenkt werden, kommen in der Regel ein oder mehrere weitere Täter dazu und räumen aus.
Das gilt auch für den „Zetteltrick“. Dabei wird eine Notlage oder eine freundliche Bitte um Hilfe vorgetäuscht: Eigentlich wollte die junge Frau ja ihre Bekannte besuchen. Wenn die Nachbarin ihr vielleicht einen Zettel und einen Stift borgen könnte? Und ob sie auch noch so nett wäre, das kleine Geschenk, den Blumenstrauß aufzubewahren und später zu übergeben? Oder es wird einfach nur um ein Glas Wasser gebeten, wegen der Hitze, weil die Besucherin schwanger ist, der ältere Herr ein Kreislaufproblem hat. In allen Fällen wollen die Täter nur eines: in die Wohnung ihrer arglosen und hilfsbereiten Opfer gelangen.
Ziel: In die Wohnung gelangen
Dafür täuschen sie auch immer wieder persönliche Beziehungen vor. Neben dem immer noch funktionierenden „Enkeltrick“ stellen sich „neue Nachbarn“ vor und sind „Grußbestellschwindler“ am Werk. Sie kommen angeblich von entfernten Verwandten, ehemaligen Nachbarn, einstigen Kollegen – und scheuen auch nicht davor zurück, sich mit falschen Unglücksbotschaften Gehör und Zutritt zur Wohnung zu verschaffen.
Auch Anbieter sogenannter „Blenderware“ (scheinbar wertvoller Lederbekleidung, Bestecke, Uhren, Schmuckstücke, Teppiche – die tatsächlich billiger Plunder sind) tun so, als müsse man sich doch von früher oder über die erwachsenen Kinder kennen. Sie sprechen zwar ihre Opfer meist auf der Straße an – kommen aber mit ihrem Ramsch auch schon mal nach Hause. In mehr als einem Drittel aller Fälle klingeln oder klopfen Betrüger direkt an Wohnungstüren.
2416 polizeilich erfasste Fälle von Trickbetrug registrierte die Berliner Polizei im vergangenen Jahr insgesamt. Das sind 542 Fälle mehr als im Jahr zuvor – ein Anstieg um 28,9 Prozent. Unter den ermittelten Tätern (die Aufklärungsquote liegt bei 8,7 Prozent) sind Frauen übrigens deutlich in der Überzahl (72 Prozent). Offenbar gelingt es Frauen leichter, ein Vertrauensverhältnis zu ihren Opfern herzustellen.
Rosemarie Mieder
12 Tipps gegen Trickbetrug
- Keine Fremden in die Wohnung lassen.
- Durch den Spion oder aus dem Fenster sehen.
- Gegensprechanlage benutzen.
- Tür immer nur mit vorgelegtem Sperrbügel öffnen.
- Unbekannten Besucher abweisen oder einen Termin vereinbaren – wenn Vertrauenspersonen dabei sind.
- Bei Zudringlichkeit energisch und laut werden.
- Bei angeblicher Notlage, dem Fremden den Weg zur nächsten Apotheke, einer Gaststätte oder einem Geschäft nennen.
- Dienstausweis und Auftrag einfordern.
- Im Zweifel beim Vermieter oder der Behörde anrufen – Telefonnummer selbst heraussuchen.
- Nur Handwerker einlassen, die Sie selbst bestellt haben oder die von der Hausverwaltung angekündigt wurden.
- Fremden, die als Vertrauensperson angeblicher Verwandter kommen, niemals Bargeld aushändigen.
- Bei nicht zu klärendem Sachverhalt sofort die Polizei informieren.
rm
31.08.2015