Knackfrisches Gemüse vom eigenen Acker? Für viele Großstädter ein ferner Traum. Dabei gibt es immer mehr Anbieter, die zentrumsnah Felder vorbepflanzen und bewässern sowie Werkzeug und Know how bereitstellen. Für den Hobby-Gärtner bleiben „nur“ noch Gartenarbeit und Ernte. Ein Selbstversuch in partizipativer Landwirtschaft.
So ab Mitte August kann ich Zucchini nicht mehr sehen. Ich habe sie in allen denkbaren Formen verarbeitet: zu Puffern geraspelt, zu Suppe püriert, gefüllt und eingekocht. Nun stehe ich auf dem Acker und sehe, dass die kleinen gelben Blüten unserer wild wuchernden Zucchini-Pflanzen schon wieder innerhalb weniger Tage in mehrere Kilo schwere Kolben explodiert sind. Und seufze.
Von dieser Fülle ahne ich nichts, als ich an einem kalten Februartag gemeinsam mit vielen anderen Möchtegerngärtnern – insgesamt sind wir hier 500 – erstmals über den Acker in Großziethen stapfe, kurz hinter der Berliner Stadtgrenze. Brache Erde, wohin das Auge blickt. In der Ferne blitzt mit der Gropiusstadt die letzte Außenbastion der Großstadt auf. Unvorstellbar, dass sich dieses öde Land bis zum Sommer in ein grünes Paradies verwandeln wird.
Ein bisschen besser verstehen, woher unser Essen kommt, das ist mein Ziel. Denn abgesehen von Skandal-Dokumentationen über Tomaten, die nie das Tageslicht sehen, weiß ich peinlich wenig über den Anbau von Gemüse. Aus dieser Motivation heraus habe ich, garten- und balkonlose Großstadtpflanze, mit einer Freundin einen Gartenanteil gepachtet: 22 Quadratmeter Brandenburger Acker für 235 Euro, angeboten von „bauerngarten“.
Das klingt rustikaler, als es ist. Der Deal bietet nämlich einige Annehmlichkeiten: Der Acker wird vom Anbieter mit Bio-Saatgut vorbepflanzt und täglich bewässert. Eine Art Feel-Good-Package für blutige Anfänger wie uns, das schon im Erstversuch hohe Erträge verspricht. Die Bewässerung ist ein dicker Pluspunkt, denn sowohl mit Bus und Bahn als auch mit Auto oder Fahrrad sind wir aus der Innenstadt rund 45 Minuten bis hierher unterwegs – deutlich zu lange, um allabendlich mal eben zum Gießen „hinauszufahren“.
Was ist Beikraut?
Die Gartensaison startet Anfang Mai. Die Äcker sind rund und kreisförmig bepflanzt, die Anteile haben die Form von Tortenstücken. In den ersten Monaten – bekommen wir eingebläut – müssen wir besonders fleißig sein. Das bedeutet vor allem jede Menge Hacken und Jäten. Was ich bisher als Unkraut kannte, heißt hier „Beikraut“ und sprießt wild zwischen den ersten zaghaften grünen Spitzen unseres Gemüses. Nur: Was ist was? Glücklich der, der erfahrene Ackernachbarn hat.
Der Frühling zieht vorüber, und wir stellen fest, dass Gemüseanbau trotz der vielen Hilfestellungen, die wir bekommen, doch eine ordentliche zeitliche Verpflichtung ist. Außerdem bringen die ersten Erntefreuden auch Frustration mit sich: In die zarten Spinatblätter haben sich hunderte Schildläuse eingenistet, die wir von Hand mühselig auswaschen müssen. Pestizide kommen auf dem Bioland-zertifizierten Acker nämlich nicht zum Einsatz.
Alle zwei Wochen finden Workshops statt, bis Mitte August geht das so. Wir lernen häppchenweise den richtigen Abstand beim Pflanzen, die ökologische Düngung oder wie man Gemüse haltbar macht. Immer wieder stehen Jungpflanzen aus der Gärtnerei in den Ackerkreisen, und wenn wir ein Beet abgeerntet haben, können wir es mit den Zöglingen neu bepflanzen. Ab Juli zahlt sich die Mühe der ersten Monate aus: Nun gibt es immer etwas zu ernten, Kartoffeln und Zwiebeln, Mangold und Karotten, Tomaten und Paprika, Gurken und Mais, Kräuter aus den Gemeinschaftsbeeten in der Kreismitte und vieles mehr. Es ist ein tolles Gefühl, mit Taschen voll selbstgeerntetem Gemüse nach Hause zurückzukehren. Und: Das Gemüse ist knackfrisch und schmeckt wirklich toll.
Katharina Buri
Gärtnern mit Hilfestellung
Verschiedene Anbieter bieten in und um Berlin partizipative Landwirtschaft an. Achtung: Die Anmeldefrist endet teilweise schon im Herbst des Vorjahres.
„bauerngarten“, www.bauerngarten.net Standorte: Mette (Großziethen), Havelmathen (Gatow), Pankow (Blankenfelde), Preise: 235 Euro für die kleine Parzelle (22 Quadratmeter), 395 Euro für die große Parzelle (45 Quadratmeter)
„meine ernte“, www.meine-ernte.de Standorte: Rudow und Wartenberg, Preise: 199 Euro für die kleine Parzelle (45 Quadratmeter), 369 Euro für die große Parzelle (90 Quadratmeter)
„Ackerhelden“, www.ackerhelden.de Standort: Teltow, Preis: 279 Euro für eine 40-Quadratmeter-Parzelle
kb
30.10.2015