Leitsatz:
Zur Erforderlichkeit einer Betreuung mit den Aufgabenkreisen Wohnungsangelegenheiten, Vertretung gegenüber Behörden und Einrichtungen und Vertretung vor Gerichten.
BGH vom 6.10.2015 – VIII ZR 76/15 –
Langfassung: www.bundesgerichtshof.de [PDF, 9 Seiten]
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Für die Betroffene, die an einer neurotischen Persönlichkeitsstörung leidet, wurde im Februar 2005 ein Betreuer für die Aufgabenkreise Wohnungsangelegenheiten und Vertretung gegenüber Behörden und Einrichtungen bestellt. Im November 2011 wurde die Betreuung um den Aufgabenkreis Vertretung vor Gerichten erweitert. Im Verfahren vor dem BGH ging es letztlich darum, ob die Betreuung aufgehoben werden kann oder fortgeführt werden muss.
Der BGH konnte vorliegend keine Gründe für die Aufrechterhaltung der Betreuung erkennen.
Die Bestellung eines Betreuers für den Aufgabenkreis Wohnungsangelegenheiten sei regelmäßig erforderlich, wenn der Betroffene aufgrund von Krankheit oder Behinderung die Organisation seines Wohnbereichs nicht (mehr) zu leisten vermöge und dadurch in erheblicher Weise Schaden zu nehmen drohe. Sie komme insbesondere in Betracht, wenn der Betroffene keinen angemessenen Wohnraum finde, seine mietvertraglichen Pflichten nicht erfüllen könne, ihm aufgrund erheblicher und fortdauernder Verletzungen des Mietvertrags der Verlust des Wohnraums drohe oder ein für den Betroffenen bestehendes Mietverhältnis beendet werden solle (vgl. § 1907 Abs. 1 und 2 BGB).
Derartige Umstände, die eine Betreuerbestellung für den Aufgabenkreis Wohnungsangelegenheiten erforderlich machen würden, seien nicht festgestellt worden und seien auch sonst nicht ersichtlich. Die Betroffene lebe in einer Mietwohnung. Anhaltspunkte dafür, dass die Betroffene krankheitsbedingt ihre mietvertraglichen Pflichten nicht ordnungsgemäß erfüllen könne, seien nicht festgestellt. Nach ihren eigenen Angaben führe die Betroffene zwar derzeit einen Rechtsstreit mit ihrem Vermieter. Wie bei anderen gerichtlichen Auseinandersetzungen in der Vergangenheit habe die Betroffene jedoch eigenständig einen Rechtsanwalt mit ihrer Vertretung beauftragt. Soweit die Betroffene in ihrer Anhörung geäußert habe, sie befürchte im Hinblick auf die Umwandlung ihrer Wohnung in eine Eigentumswohnung weitere Rechtsstreitigkeiten, ergebe sich daraus ebenfalls kein Betreuungsbedarf. Zum einen lägen keine konkreten Anhaltspunkte dafür vor, dass es tatsächlich zu entsprechenden Rechtsstreitigkeiten kommen werde. Andererseits sei zu erwarten, dass sich die Betroffene wie auch in der Vergangenheit bereits geschehen, der Hilfe des Mietervereins, dessen Mitglied sie sei, bedienen und selbst einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung ihrer Interessen beauftragen werde.
Auch für den Aufgabenkreis der „Vertretung gegenüber Behörden und Gerichten“ bestehe nach den getroffenen Feststellungen kein Betreuungsbedarf.
Die Betroffene sei trotz ihrer Erkrankung in der Lage, für die Führung der von ihr angestrengten Gerichtsverfahren einen Rechtsanwalt zu beauftragen. Von dieser Möglichkeit habe sie bei den von ihr in der Vergangenheit geführten Prozessen auch stets Gebrauch gemacht. Eine weitere Unterstützung durch einen Betreuer sei daher nicht erforderlich. Die Betroffene wünsche die Aufrechterhaltung der Betreuung für den Aufgabenbereich „Vertretung gegenüber Behörden und Gerichten“ auch nicht, weil sie sich krankheitsbedingt nicht in der Lage sehe, diese Verfahren zu betreiben, sondern weil sie von einem bestellten Betreuer erwarte, dass dieser sie uneingeschränkt unterstütze und bei Rechtsanwälten und Gerichten für ihre Anliegen eintrete. Dies ist aber nicht der Zweck einer rechtlichen Betreuung in diesem Aufgabenkreis.
23.02.2016