Um dem Mietwohnungsneubau in Deutschland auf die Sprünge zu helfen, hat das Bundeskabinett die Einführung einer steuerlichen Abschreibung für Bauherren auf den Weg gebracht. Die Mieterverbände kritisieren, dass die Steuerersparnis für Investoren ohne Festlegung einer Miethöhekappung gewährt werden soll. Eine soziale Wohnungspolitik sehe anders aus.
Die vom Bundesfinanzminister auf den Weg gebrachte Gesetzesvorlage soll es Bauherren ermöglichen, Investitionen in den Neubau von Mietwohnungen steuerlich geltend zu machen, wobei sich normale und Sonderabschreibung auf 35 Prozent der Herstellungskosten in den ersten drei Jahren addieren. Begrenzt wird die Förderung allerdings zeitlich auf die Jahre 2016 bis 2018 und räumlich auf Kommunen und Gebiete mit nachgewiesener Mangelsituation in der Wohnungsversorgung. In die steuerliche Förderung kommen Gebäude mit Erstellungskosten von maximal 3000 Euro pro Quadratmeter, abgeschrieben wird bis maximal 2000 Euro. Das soll nach den Vorstellungen der Regierung verhindern, dass mit staatlicher Unterstützung Luxusbauten entstehen. Der Gesetzentwurf sieht weiter vor, die Investoren zu verpflichten, ihre Neubauten als Mietwohnungen anzubieten, beschränkt dies aber auf zehn Jahre.
Was die Regierung als probates Mittel preist, um den Bau von 100.000 Mietwohnungen anzukurbeln, wird von Mietervertreterseite und mehreren Länderministern als untaugliches Instrument betrachtet. „Niedrige, weil steuerlich geförderte Baukosten bedeuten noch lange keine niedrigen Mieten“, so Lukas Siebenkotten, Bundesdirektor des Deutschen Mieterbundes. Erforderlich sei, die Förderung an Mietobergrenzen zu koppeln. Der Geschäftsführer des Berliner Mietervereins (BMV), Reiner Wild, kritisiert, dass der auf 2,15 Milliarden Euro taxierte Steuernachlass den ohnehin engen Spielraum für den Sozialen Wohnungsbau weiter einengen würde. Gleichzeitig würde die unselige wohnungspolitische Praxis der Vergangenheit fortgeschrieben, öffentlich alimentierten Wohnungsbau nicht auf Dauer durch Miet- und Belegungsbindungen zu sichern. Dem BMV-Geschäftsführer gibt der Kabinettsvorschlag auch Rätsel auf: „Wie soll eine Begrenzung des Vermietungsgebots auf zehn Jahre in der Praxis aussehen, wo das Mietrecht Zeitverträge zum Zweck der Umwandlung gar nicht erlaubt?“
Kritik hagelte es auch an der Bemessung der Kostenobergrenze für die geförderten Bauten. Berlins Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen bemängelt eine „verfehlte Förderung des mittleren und hohen Preissegments“. Auch sein Brandenburger Kollege Christian Görke sieht in Steueranreizen keinen Weg zu den „dringend benötigten neuen Wohnungen für Geringverdiener und Familien“. Er plädiert statt eines Steuergeschenks für die direkte Förderung des Sozialen Wohnungsbaus – und findet sich damit nicht nur an der Seite des Mietervereins, sondern auch jener der Berlin-Brandenburgischen Wohnungsunternehmen.
Eine Nachbesserung des Kabinettsentwurfs ist wahrscheinlich. Um Gesetzesrang zu erlangen, muss nicht nur der Bundestag zustimmen, sondern in diesem Fall auch der Bundesrat. Und in dem können die unzufriedenen Ländervertreter noch ihr Gewicht in die Waagschale werfen.
Udo Hildenstab
28.02.2016